Sowohl der heimische Arbeitsmarkt als auch die heimische Wirtschaft hätten sich angesichts der Ereignisse 2022 „außerordentlich gut“ entwickelt, so das Ministerium in seiner Aussendung. Das Auslaufen der CoV-Maßnahmen habe zu einem starken Aufschwung geführt, der allerdings durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auch stark gedämpft wurde.
In der ersten Jahreshälfte sei die Arbeitslosigkeit deutlich gesunken und habe mit 332.645 Personen im Jahresdurchschnitt einen langjährigen Tiefststand erreicht, wird ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher zitiert. Im Jahresverlauf seien 588.334 Personen aus der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung gebracht worden. Die Zahl der beim AMS registrierten Arbeitsuchenden sei heuer absolut betrachtet im Jahresvergleich die niedrigste seit 2012. Allerdings waren die Zahlen im November etwas niedriger: Damals waren 330.454 Personen arbeitslos oder in Schulung gemeldet – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Ende 2021 seien 27.507 Personen mehr arbeitslos oder in Schulung gewesen als aktuell, Ende 2020 sei die Arbeitslosigkeit um 146.048 Personen höher als Ende 2022 gewesen. Ende 2019 seien 33.001 Personen mehr arbeitslos gewesen als aktuell. Erfreulich sei dabei auch die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit, die im April 2021 mit 148.436 Personen ihren Höchststand erreichte, heißt es weiter. Seitdem sank die Langzeitarbeitslosigkeit um 68.018 Personen, Ende 2022 seien 80.418 Personen langzeitarbeitslos gewesen und damit länger als ein Jahr ohne Beschäftigung – der niedrigste Stand seit 2013.
Weniger Frauen arbeitslos
Betrachtet nach Geschlecht, seien Ende 2022 150.875 Frauen (sechs Prozent) und 223.996 Männer (8,6 Prozent) arbeitslos oder in Schulung gewesen. Bei den Frauen sei die Arbeitslosenquote damit im Vergleich zum Vorjahr um 17.331, bei den Männern um 10.176 Personen gesunken. Ende Dezember 2022 waren 104.990 Personen ab 50 Jahren beim AMS arbeitslos gemeldet. 2021 lag dieser Wert bei 116.948 Personen, 2019 bei 116.203 Personen.

Die Jugendarbeitslosigkeit liegt derzeit bei 56.130 Personen und ist damit im Vorjahresvergleich ebenfalls um 918 Personen gesunken. Zur Kurzarbeit waren Ende 2022 3.586 Personen vorangemeldet. Ende 2021 wurden noch 233.769 Personen abgerechnet. Die Kurzarbeit wurde in ihrer derzeitigen Form zuletzt bis Mitte 2023 verlängert.
Weniger Arbeitskräfte rücken nach
Ein Grund für die aktuelle Entwicklung sei auch, dass mit der Pensionswelle geburtenstarker Jahrgänge nun geburtenschwächere nachrücken würden, sprich: Es kommen weniger Menschen auf den heimischen Arbeitsmarkt nach. Damit könnte die Knappheit bei den Arbeitskräfte – vor allem bei den Fachkräften – stärker werden, auch bei einer Konjunktureintrübung, so Kocher gegenüber Ö1.

Das von Wirtschaftsforschern im heurigen Jahr dann doch erwartete Plus bei den Arbeitslosenzahlen hänge in der Höhe vor allem von der Enwicklung der Energiemärkte ab, sagte Kocher weiter. Statt der geplanten und nunmehr abgesagten Arbeitsmarktreform will er sich auf nun kleine Schritte konzentrieren, darunter den Ausbau der Kinderbetreuung und die Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit.
Kopf erwartet leichten Anstieg
Der Chef des AMS, Johannes Kopf, sagte im Ö1-Interview, er sei mit den Zahlen zufrieden, alles andere wäre „unverschämt“. Der stärkere Rückgang der Arbeitslosen etwa in Tirol und Salzburg habe vor allem mit dem Tourismus zu tun, während in Oberösterreich die Arbeitslosenzahl bereits niedrig sei. Man beobachte seit Monaten sehr genau mögliche Frühindikatoren, und etwa in der Baubranche würden sich leichte Tendenzen für eine Abschwächung der Konjunktur zeigen.
Den stärksten Rückgang der Arbeitslosigkeit verzeichne Niederösterreich, hieß es vom AMS Niederösterreich. Ende Dezember gab es mit 48.732 Beschäftigungslosen eine Arbeitslosenrate von 7,1 Prozent, ein Rückgang um 11,4 Prozent. In Wien sind 148.455 Personen arbeitslos oder in Schulung. Das ist ein Rückgang um sechs Prozent, am stärksten in der Hotellerie und Gastronomie sowie im Einzelhandel.

Die große Krise sehe er angesichts der Inflation derzeit nicht, so Kopf weiter, auch die Buchungslage im Tourismus sei „exzellent“, hier sei der Schneemangel derzeit das größere Problem. Kopf erwartet im ersten Halbjahr 2023 eine steigende Arbeitslosigkeit auf niedrigem Niveau. Betriebe, die sich bemühen würden und auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen reagieren würden, etwa in Sachen Homeoffice und Papamonat, würden auch Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen finden, so Kopf zum Thema Arbeitskräftemangel.
Forderung nach Ausbau der Kinderbetreuung
Dass die Arbeitslosigkeit im Dezember wieder angestiegen ist, sei ein Trend, den man ernst nehmen müsse, so die Arbeiterkammer (AK) zu den neuen Zahlen. AK-Präsidentin Renate Anderl forderte angesichts der Teuerung eine Anhebung des Arbeitslosengeldes von 55 auf 70 Prozent des vorigen Bezugs. Einen „Schub in der aktiven Arbeitsmarktpolitik" vermisst Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), ebenso wie den Ausbau an ganztägig geöffneten Kinderbetreuungsplätzen“.
Auch Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), zeigte sich über die Arbeitsmarktzahlen erfreut, sieht in deren Robustheit aber ein Problem: Jedes Unternehmen versuche, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch bei nachlassender Auftragslage zu halten, aus Sorge bei einer erstarkenden Konjunktur nicht genug Arbeitskräfte zu haben, wird Kopf in einer Aussendung zitiert. Kopf forderte ebenfalls den Ausbau der Kinderbetreuung sowie Anreize für ältere Arbeitnehmer, damit diese etwa auch über das Regelpensionsalter hinaus arbeiten.
Der sich zuspitzende Arbeits- und Fachkräftemangel sei eine der zentralen Herausforderungen für Österreichs Betriebe, konstatiert die Industriellenvereinigung (IV). Sie forderte eine „zukunftsorientierte“ Arbeitsmarktpolitik. Man müsse Potenziale auf dem Arbeitsmarkt heben und Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit fördern, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer – auch er pocht auf einen kräftigen Ausbau der Kinderbetreuung.
Positive Bilanz für Wirtschaft 2022
Trotz Krisen kann Österreich auf ein wirtschaftlich erfolgreiches Jahr zurückblicken. Vor allem die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sind erfreulich.
Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger (ÖVP) vermisst ebenfalls ausreichendes Personal für verschiedene Branchen, vor allen voran im Bereich Handel, Logistik und Verkehr, wo über 45.000 Stellen nicht besetzt werden könnten. In Kombination mit der Energiekrise bringe der Mangel Betriebe an den Rand ihrer Existenz, so Egger. Es bedürfe weiterer Entlastungsmaßnahmen und Arbeitsmarktreformen, um dieses Problem zu meistern. Dazu zählt für ihn auch eine Ausweitung der Steuerbefreiung von Überstunden.
SPÖ für mehr Arbeitslosengeld, FPÖ für Sanktionsende
SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch fordert ebenfalls eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld sei mit rund 1.000 Euro niedriger als die Armutsgefährdungsschwelle, so Muchitsch in seiner Aussendung. Bei längerer Arbeitslosigkeit entwerte zudem die Inflation das Arbeitslosengeld „massiv“.
Weniger erfreut über die Zahlen bzw. die „Feierlaune“ des Arbeitsministers zeigte sich hingegen Dagmar Belakowitsch, Sozialsprecherin der FPÖ. Das „dicke Ende“ stehe noch bevor, wenn die gestiegenen Energiepreise voll durchschlagen und die notwendigen Lohnerhöhungen wirksam würden. Als Resultat fürchte sie weiter steigende Preise oder Kündigungen. Belakowitsch plädiert als Gegenmaßnahme für ein Ende der Sanktionen gegen Russland und ein Aktivwerden der Preiskommission, damit die Senkung der Energiepreise auf dem Weltmarkt auch auf dem heimischen Markt ankommen könnten.
Private Haushalte als Konjunkturstütze
Im ersten Halbjahr sei das Wirtschaftswachstum durch Aufholprozesse nach den strikten CoV-Maßnahmen überraschend hoch gewesen, so Kocher in seiner Aussendung weiter, vor allem durch den wiedererstarkenden Tourismus. Durch den Angriffskrieg und die folgende Teuerung habe sich die Konjunktur auch angesichts der Weltwirtschaft aber deutlich eingetrübt. Durch die Entlastungspakete für private Haushalte sei der private Konsum eine Stütze der heimischen Konjunktur.
Die Exporte der heimischen Wirtschaft seien 2022 robust gewesen und wuchsen in den ersten drei Quartalen um 18,7 Prozent auf 144,3 Milliarden Euro. 68 Prozent gingen dabei in die EU, vor allem nach Deutschland (30 Prozent), Italien (6,9 Prozent) und die USA (6,5 Prozent). Besonders kräftig fiel der Zuwachs laut Angaben bei Exporten nach Frankreich mit 27,7 Prozent und Ungarn mit 29,1 Prozent aus.