Blumen, ein Teddybär und ein Bild der in Moscow (US-Bundesstaat Idaho) tot aufgefundenen Studenten
AP/Ted S. Warren
Studentenmorde in Idaho

Festnahme sorgt weiter für Rätselraten

Die vier Morde an drei Studentinnen und einem Studenten im US-Bundesstaat Idaho scheinen gelöst, vergangene Woche wurde ein Kriminologiedoktorand verhaftet. Er soll die jungen Leute nahe ihrem Campus des Nächtens im Bett erstochen haben. Doch die Kleinstadt ist weiterhin in Aufruhr, denn es gibt keinerlei Motiv oder Verbindung, und die Polizei hüllt sich in Schweigen. Daher blühen die Spekulationen, während die Schlagzeilen über die Morde das ganze Land beschäftigen.

Die Taten in der sonst idyllischen Kleinstadt Moscow, in der es zuvor sieben Jahre lang keinen Mord gegeben hat, ziehen deshalb so viel Aufmerksamkeit auf sich, weil sie viele Fragen aufwerfen. Wochenlang tappte die Polizei im Dunkeln, zudem ging sie mit Informationen nur äußerst spärlich an die Öffentlichkeit. Selbst nach der Verhaftung des Verdächtigen Bryan Kohberger bleiben die Morde ein Rätsel.

Der 28-jährige Kohberger, der einen Doktortitel in Strafrecht und Kriminologie an der Washington-State-Universität anstrebte, sitzt seit Freitag in Haft. Er war in seinem Elternhaus in Pennsylvania, quasi am anderen Ende der USA, verhaftet worden. Ihm wird die vorsätzliche Tötung der vier Opfer vorgeworfen, zudem wird er des Einbruchdiebstahls bezichtigt.

Vier Opfer, zwei Schlafende

Die Fälle haben die Zutaten für einen Horrorfilm. Die vier jungen Studierenden, ein Freundeskreis bestehend aus einem Pärchen und zwei Frauen, wurden in der Mietwohnung in Moscow, in der drei der Opfer wohnten, am 13. November im Schlaf mit einem langen Messer erstochen. Die Tatorte waren offenbar zwei verschiedene Schlafzimmer. Die Polizei wurde durch einen anonymen Notruf alarmiert. Zwei weitere Mitbewohner blieben unverletzt und dürften die Morde verschlafen haben.

Weiter Rätseln um Vierfachmord in Idaho

In dem Fall der vier ermordeten Studierenden in der Kleinstadt Moscow im US-Bundesstaat Idaho bittet die Polizei die Bevölkerung nach wie vor um Unterstützung. Ein Doktorrand der Kriminologie, Bryan Kohberger, steht im Verdacht, im November vier Personen im Schlaf in deren Haus ermordet zu haben. Der 28-Jährige wurde Ende Dezember in seinem Elternhaus in Pennsylvania verhaftet. Das Motiv der Tat ist nach wie vor unklar. Moscows Polizeichef James Fry sprach von einem „komplexen und umfangreichen Fall“.

Doch man fand weder Einbruchsspuren noch eine Tatwaffe – bis heute. Man weiß nicht, wer den Notruf betätigte, und es ist auch noch immer unklar, ob Kohberger die Opfer kannte oder wie er überhaupt auf sie gekommen sein könnte. Auch ob er allein handelte, ist unbeantwortet.

Ahnenforschung half

Kohberger, dessen Universität etwa zehn Autominuten von den Tatorten entfernt liegt, war über die Weihnachtsfeiertage quer durch das Land zu seinen Eltern gefahren. Die Polizei war ihm mit unterschiedlichen Zugängen auf der Spur. Sein Auto war in der Tatnacht in der Nähe gesehen worden, die Ermittler folgten Kohberger deshalb über Tage.

Zudem gab es DNA-Spuren. Einmal mehr nahm die US-Polizei in diesem Fall die Ahnenforschung zu Hilfe. In weltweit vernetzten Datenbanken, in denen interessierte Ahnenforscher ihre DNA eingeben, um mögliche Verwandte zu finden, suchen die Behörden inzwischen vermehrt auch nach Tätern. Werden DNA-Spuren gefunden, können sie in den Datenbanken abgeklärt werden, und mitunter findet sich das DNA-Profil eines Verwandten des Täters. In manchen spektakulären Fällen, etwa beim „Golden State Killer“, gelang so die Überführung.

Weinende Studentinnen und Studenten während einer Gedenkveranstaltung für ihre ermordeten Kolleginnen und Kollegen
AP/Ted S. Warren
Schock in der Universitätsstadt Moscow: Die Studierenden wollen die Hintergründe erfahren

Familie äußert sich

Am Montag meldete sich erstmals Kohbergers Familie in einem Statement zu Wort. Sie sprach den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus und bestand auf der Unschuldsvermutung für Kohberger. Man arbeite mit den Ermittlern zusammen und hoffe auf baldige Aufklärung. „Lassen wir die Behörden arbeiten, als Familie lieben und unterstützen wir unseren Sohn und Bruder“, hieß es. „In erster Linie sorgen wir uns sehr um die vier Familien, die ihre wertvollen Kinder verloren haben. Es gibt keine Worte, die unsere Traurigkeit angemessen ausdrücken können, und wir beten jeden Tag für sie.“

Spurensuche im Umfeld

Zur Frage, ob Kohberger die Taten ihrer Meinung nach begangen haben könnte, äußerte sich die Familie nicht. Der Doktorand zog nicht nur durch sein Fachgebiet die Aufmerksamkeit der Medien auf sich, sondern auch durch seinen Charakter. Die „New York Times“ etwa begab sich auf Spurensuche in Kohbergers Umfeld. In seinen Studien habe er sich besonders für die Psyche von Serienmördern interessiert. Zu anderen, selbst zu Freunden, sei er teils „grausam“ und gemein gewesen.

Zudem, so das Blatt, habe er eine Heroinsucht hinter sich. Ein Motiv ergebe sich daraus freilich nicht, „aber die Details über Herrn Kohbergers tiefes Interesse an der Psyche Krimineller eröffnen eine weitere Ebene des Rätsels in diesem Fall, der die Universitätsstadt Moscow, Idaho, traumatisiert und unzählige Theorien von Menschen in der Umgebung hervorbringt, die das Land mit gespanntem Entsetzen verfolgt“.

Rätselhafte Aufnahmen mit Unbekanntem

Tatsächlich scheinen die Spekulationen mit der Verhaftung Kohbergers erst noch angefacht, während in Moscow die Angst nicht abebben will. Studierende würden nur noch in Gruppen auf die Straße gehen, die Bewohner Türen und Fenster fest verschließen, so die Zeitung weiter. An den Universitäten der Umgebung seien die Sicherheitsvorkehrungen und Patrouillen verstärkt worden. In Internetforen wurden etliche vermeintliche Verdächtige gemeldet, etwa Exfreunde und auch die beiden Mitbewohner, die von den Taten nichts merkten. Auf Kohberger aber war niemand gekommen.

Aufsehen hatten zuvor auch an die Öffentlichkeit gelangte Videoaufnahmen ausgelöst, auf denen zwei der späteren Mordopfer vor einem Imbisswagen zu sehen sind. Die beiden Studentinnen schienen nicht in Not oder in Gefahr zu sein, wie CNN den Betreiber des Imbisswagens zitierte. Andere Medien orteten auf den Aufnahmen allerdings einen bisher Unbekannten, der die beiden beobachtet haben soll, und sorgten damit für weitere Spekulationen über den Fall.

Verdächtiger „ein bisschen schockiert"

Die Polizei war zwar alles andere als tatenlos, seit den Morden wurden rund 300 Menschen befragt, 20.000 Hinweisen wurde nachgegangen. Weil sie aber mit Informationen an die Öffentlichkeit spärlich umging, wuchs bei Angehörigen und Stadtbewohnern der Frust. Wiederholt kam auch öffentlich die Frage auf, ob die örtliche Polizei einem Fall wie diesem gewachsen sei.

Polizeiauto vor einem Haus in Moscow (US-Bundesstaat Idaho), in dem Studenten tot aufgefunden wurden
Reuters/Lindsey Wasson
Gedenken an die vier toten Studierenden vor dem Tatort

Polizeichef James Fry rechtfertigte die Informationspolitik mit den Gesetzen des Bundesstaats. Demzufolge könnten die Behörden bestimmte Informationen erst mitteilen, nachdem Kohberger vor Gericht erschienen ist. Dazu müsse er erst nach Idaho zurück, bis dahin blieben Dokumenten, die den hinreichenden Verdacht beschreiben, unter Verschluss. Fry bat aber die Menschen weiterhin um Hinweise, um die offenen Fragen endlich beantworten zu können. „Seien Sie versichert, dass die Arbeit noch nicht getan ist“, so Fry. „Sie fängt gerade erst an.“

Ein erster Gerichtstermin, allerdings in Pennsylvania, war für Dienstag anberaumt, bei dem es um Formalitäten zu Kohbergers Überführung nach Idaho gehen sollte. Der Verdächtige werde die Auslieferung nicht anfechten, so sein Pflichtverteidiger, Jason LaBar zu CNN. Wann Kohberger nach Idaho gebracht werden könnte, konnte der Anwalt nicht beantworten. Dieser sei aber bis zum Beweis seiner Schuld unschuldig, so LaBar. Kohberger arbeite daran mit, entlastet zu werden, „und freut sich darauf, diese Angelegenheiten so schnell wie möglich aufzulösen", so LaBar. Die Festnahme habe Kohberger „ein bisschen schockiert“.