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Gesamtquote gefallen

Rückgang auch bei Langzeitarbeitslosen

Der heimische Arbeitsmarkt hat sich im Vorjahr in Anbetracht der schwierigen Rahmenbedingungen sehr positiv entwickelt: Ende Dezember waren 374.871 Personen beim AMS arbeitslos oder in Schulung gemeldet. Davon waren 65.653 Personen in Schulungen, hieß es am Montag aus dem Arbeitsministerium. Für das Gesamtjahr ergibt sich eine Arbeitslosenquote von 6,3 Prozent, laut Ministerium der niedrigste Wert seit 2008. Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen war stark rückgängig.

Hatte diese im April 2021 mit 148.436 Personen ihren Höchststand erreicht, sind aktuell nur mehr 80.148 Personen länger als ein Jahr ohne Beschäftigung. Es handelt sich dabei um den niedrigsten Dezember-Wert seit 2013. Den deutlichen Rückgang bei der Langzeitarbeitslosigkeit führt ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher auf das Programm Sprungbrett zurück, das Mitte 2021 ins Leben gerufen wurde und auch heuer weitergeführt werden soll.

Betrachtet nach Geschlecht, seien Ende 2022 150.875 Frauen (sechs Prozent) und 223.996 Männer (8,6 Prozent) arbeitslos oder in Schulung gewesen. Bei den Frauen sei die Arbeitslosenquote damit im Vergleich zum Vorjahr um 17.331, bei den Männern um 10.176 Personen gesunken. Ende Dezember 2022 waren 104.990 Personen ab 50 Jahren beim AMS arbeitslos gemeldet. 2021 lag dieser Wert bei 116.948 Personen, 2019 bei 116.203 Personen.

Grafik zeigt Daten zur Arbeitslosigkeit in Österreich im Dezember 2022
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Die Jugendarbeitslosigkeit liegt derzeit bei 56.130 Personen und ist damit im Vorjahresvergleich ebenfalls um 918 Personen gesunken. Zur Kurzarbeit waren Ende 2022 3.586 Personen vorangemeldet. Ende 2021 wurden noch 233.769 Personen abgerechnet. Die Kurzarbeit wurde in ihrer derzeitigen Form zuletzt bis Mitte 2023 verlängert.

„Außerordentlich gute“ Entwicklung

Sowohl der heimische Arbeitsmarkt als auch die heimische Wirtschaft hätten sich angesichts der Ereignisse 2022 „außerordentlich gut“ entwickelt, so das Arbeitsministerium in seiner Aussendung. Das Auslaufen der CoV-Maßnahmen habe zu einem starken Aufschwung geführt, der allerdings durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auch stark gedämpft wurde.

Grafik zeigt Daten zur Arbeitslosigkeit in Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

In der ersten Jahreshälfte sei die Arbeitslosigkeit deutlich gesunken und habe mit 332.645 Personen im Jahresdurchschnitt einen langjährigen Tiefststand erreicht, wird Arbeitsminister Kocher zitiert. Im Jahresverlauf seien 588.334 Personen aus der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung gebracht worden. Die Zahl der beim AMS registrierten Arbeitsuchenden sei heuer absolut betrachtet im Jahresvergleich die niedrigste seit 2012. Allerdings waren die Zahlen im November etwas niedriger: Damals waren 330.454 Personen arbeitslos oder in Schulung gemeldet – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Weniger Arbeitskräfte rücken nach

Ein Grund für die aktuelle Entwicklung sei auch, dass mit der Pensionswelle geburtenstarker Jahrgänge nun geburtenschwächere nachrücken würden, sprich: Es kommen weniger Menschen auf den heimischen Arbeitsmarkt nach. Damit könnte die Knappheit bei den Arbeitskräfte – vor allem bei den Fachkräften – stärker werden, auch bei einer Konjunktureintrübung, so Kocher gegenüber Ö1.

Das von Wirtschaftsforschern im heurigen Jahr dann doch erwartete Plus bei den Arbeitslosenzahlen hänge in der Höhe vor allem von der Entwicklung der Energiemärkte ab, sagte Kocher weiter. Statt der geplanten und nunmehr abgesagten Arbeitsmarktreform will er sich nun auf kleine Schritte konzentrieren, darunter den Ausbau der Kinderbetreuung und die Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit.

Kopf erwartet leichten Anstieg

Der Chef des AMS, Johannes Kopf, sagte im Ö1-Interview, er sei mit den Zahlen zufrieden, alles andere wäre „unverschämt“. Der stärkere Rückgang der Arbeitslosen etwa in Tirol und Salzburg habe vor allem mit dem Tourismus zu tun, während in Oberösterreich die Arbeitslosenzahl bereits niedrig sei. Man beobachte seit Monaten sehr genau mögliche Frühindikatoren, und etwa in der Baubranche würden sich leichte Tendenzen für eine Abschwächung der Konjunktur zeigen.

Den stärksten Rückgang der Arbeitslosigkeit verzeichne Niederösterreich, hieß es vom AMS Niederösterreich. Ende Dezember gab es mit 48.732 Beschäftigungslosen eine Arbeitslosenrate von 7,1 Prozent, ein Rückgang um 11,4 Prozent. In Wien sind 148.455 Personen arbeitslos oder in Schulung. Das ist ein Rückgang um sechs Prozent, am stärksten in der Hotellerie und Gastronomie sowie im Einzelhandel.

Grafik zeigt Daten zur Arbeitslosigkeit in Österreich im Dezember 2022
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Die große Krise sehe er angesichts der Inflation derzeit nicht, so Kopf weiter, auch die Buchungslage im Tourismus sei „exzellent“, hier sei der Schneemangel derzeit das größere Problem. Kopf erwartet im ersten Halbjahr 2023 eine steigende Arbeitslosigkeit auf niedrigem Niveau. Betriebe, die sich bemühen würden und auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen reagieren würden, etwa in Sachen Homeoffice und Papamonat, würden auch Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen finden, so Kopf zum Thema Arbeitskräftemangel.

Forderung nach Ausbau der Kinderbetreuung

Dass die Arbeitslosigkeit im Dezember österreichweit wieder angestiegen ist, sei ein Trend, den man durchaus ernst nehmen müsse, teilte unterdessen die Arbeiterkammer (AK) mit. „Umso wichtiger ist es, dass arbeitslose Menschen besser unterstützt werden. Das ist mit einem Arbeitslosengeld von 55 Prozent des vorherigen Bezugs und der derzeitigen Teuerung aber nicht gewährleistet. Die AK fordert daher schon seit langem das Anheben des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent“, betonte AK-Präsidentin Renate Anderl.

Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB, wertet die aktuellen Arbeitsmarktdaten als positive Nachricht, allerdings brauche es einen „Schub in der aktiven Arbeitsmarktpolitik“, so Reischl. „Wir werten es als positiv, dass etwa die von uns lange geforderte Umweltstiftung 2022 umgesetzt wurde. Dazu ist aber auch endlich der notwendige Ausbau an ganztägig geöffneten Kinderbetreuungsplätzen voranzutreiben.“ Für die Qualifizierung der Fachkräfte sei ein Bildungsbonus wie beim Pflegestipendium nötig, fordert die AK. Stattdessen würde das Wirtschaftsministerium die Sanktionen für Arbeitssuchende verschärfen.

Aktive Arbeitslose Österreich: Gute Lage nutzen

Die aktuell gute Situation am Arbeitsmarkt sollte dazu genutzt werden, die Arbeitsmarktpolitik an „demokratischen und menschenrechtlichen Grundsätzen“ auszurichten, findet dann die Initiative „Aktive Arbeitslose Österreich“. Sie fordert vom Arbeitsminister, dass Arbeitslosengeld und Notstandshilfe wertbesichert, also automatisch an die Inflation angepasst werden.

WKO ortet trotz robuster Zahlen ein Problem

Auch Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), zeigte sich über die Arbeitsmarktzahlen erfreut, sieht in deren Robustheit aber ein Problem: Jedes Unternehmen versuche, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch bei nachlassender Auftragslage zu halten, aus Sorge bei einer erstarkenden Konjunktur nicht genug Arbeitskräfte zu haben, wird Kopf in einer Aussendung zitiert. Kopf forderte ebenfalls den Ausbau der Kinderbetreuung sowie Anreize für ältere Arbeitnehmer, damit diese etwa auch über das Regelpensionsalter hinaus arbeiten.

IV fordert „zukunftsorientierte“ Arbeitsmarktpolitik

Der sich zuspitzende Arbeits- und Fachkräftemangel sei eine der zentralen Herausforderungen für Österreichs Betriebe, konstatiert die Industriellenvereinigung (IV). Sie forderte eine „zukunftsorientierte“ Arbeitsmarktpolitik. Man müsse Potenziale auf dem Arbeitsmarkt heben und Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit fördern, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer – auch er pocht auf einen kräftigen Ausbau der Kinderbetreuung.

Arbeitslosigkeit auf Rekordtief

Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit 15 Jahren nicht mehr, im Schnitt waren letztes Jahr knapp 333.000 Menschen arbeitslos, weniger sogar als vor der CoV-Pandemie mit ihren Lockdowns.

Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger (ÖVP) vermisst ebenfalls ausreichendes Personal für verschiedene Branchen, vor allen voran im Bereich Handel, Logistik und Verkehr, wo über 45.000 Stellen nicht besetzt werden könnten. In Kombination mit der Energiekrise bringe der Mangel Betriebe an den Rand ihrer Existenz, so Egger. Es bedürfe weiterer Entlastungsmaßnahmen und Arbeitsmarktreformen, um dieses Problem zu meistern. Dazu zählt für ihn auch eine Ausweitung der Steuerbefreiung von Überstunden.

SPÖ für mehr Arbeitslosengeld, FPÖ für Sanktionsende

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch fordert ebenfalls eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld sei mit rund 1.000 Euro niedriger als die Armutsgefährdungsschwelle, so Muchitsch in seiner Aussendung. Bei längerer Arbeitslosigkeit entwerte zudem die Inflation das Arbeitslosengeld „massiv“.

Weniger erfreut über die Zahlen bzw. die „Feierlaune“ des Arbeitsministers zeigte sich hingegen Dagmar Belakowitsch, Sozialsprecherin der FPÖ. Das „dicke Ende“ stehe noch bevor, wenn die gestiegenen Energiepreise voll durchschlagen und die notwendigen Lohnerhöhungen wirksam würden. Als Resultat fürchte sie weiter steigende Preise oder Kündigungen. Belakowitsch plädiert als Gegenmaßnahme für ein Ende der Sanktionen gegen Russland und ein Aktivwerden der Preiskommission, damit die Senkung der Energiepreise auf dem Weltmarkt auch auf dem heimischen Markt ankommen könnten.

Private Haushalte als Konjunkturstütze

Im ersten Halbjahr sei das Wirtschaftswachstum durch Aufholprozesse nach den strikten CoV-Maßnahmen überraschend hoch gewesen, so Kocher in seiner Aussendung weiter, vor allem durch den wiedererstarkenden Tourismus. Durch den Angriffskrieg und die folgende Teuerung habe sich die Konjunktur auch angesichts der Weltwirtschaft aber deutlich eingetrübt. Durch die Entlastungspakete für private Haushalte sei der private Konsum eine Stütze der heimischen Konjunktur.

Die Exporte der heimischen Wirtschaft seien 2022 robust gewesen und wuchsen in den ersten drei Quartalen um 18,7 Prozent auf 144,3 Milliarden Euro. 68 Prozent gingen dabei in die EU, vor allem nach Deutschland (30 Prozent), Italien (6,9 Prozent) und die USA (6,5 Prozent). Besonders kräftig fiel der Zuwachs laut Angaben bei Exporten nach Frankreich mit 27,7 Prozent und Ungarn mit 29,1 Prozent aus.