Kevin McCarthy
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Speaker-Wahl

Republikaner-Streit bremst US-Kongress aus

Der schwelende Richtungsstreit bei den US-Republikanern sorgt nun auch für Chaos außerhalb der eigenen Reihen. Bei der Sprecherwahl im US-Kongress scheiterte ihr Fraktionschef, Kevin McCarthy, in drei Wahlgängen am Widerstand aus dem ultrarechten Flügel. McCarthy zeigte sich kämpferisch, doch die Niederlage ist eine historische Blamage. Für den nächsten Anlauf am Mittwoch kursieren Namen alternativer Kandidaten.

Es ist derzeit völlig unklar, wie es in der Partei weitergehen soll. Offen ist etwa, ob die Abgeordneten, die bisher loyal hinter McCarthy stehen, das auch weiterhin tun werden. McCarthy selbst erklärte am Dienstag, er habe kein Problem damit, einen Rekord aufzustellen für die meisten Wahlgänge bei einer Abstimmung zum Vorsitz: „Ich bleibe, bis wir gewinnen. Ich kenne den Weg.“ Ohne Vorsitz kann die Kongresskammer jedenfalls die Arbeit nicht aufnehmen.

Schon im Vorfeld gab es intensive Verhandlungen hinter den Kulissen, die nun wohl weitergehen. Auch über neue Kandidaten bzw. Kandidatinnen wird immer lauter nachgedacht, dazu gehört etwa Steve Scalise. Er gehört bereits zur Führungsriege der Partei und hatte sich am Dienstag hinter McCarthy gestellt. Genannt wird ebenfalls Elise Stefanik. Sie wurde 2014 als damals jüngste Frau in das US-Repräsentantenhaus gewählt und galt als moderat. Mittlerweile zählt sie zu den eisernen Unterstützerinnen von Ex-Präsident Donald Trump.

Trump ruft zur Wahl McCarthys auf

Trump hat jedoch alle Republikaner im Repräsentantenhaus am Mittwoch in Onlinemedien dazu aufgerufen, McCarthy zum neuen Vorsitzenden der Kongresskammer zu wählen. Die rechten Trump-Anhänger in der Fraktion bevorzugen allerdings den Abgeordneten Jim Jordan. Er stand bereits am Dienstag zur Wahl und luchste McCarthy in der dritten Wahlrunde Stimmen ab.

Jordan betonte nach dem Debakel bei der Abstimmung, er selbst wolle gar nicht Vorsitzender des Repräsentantenhauses werden, und plädierte dafür, McCarthy den Rücken zu stärken. Der Rechtsaußen dürfte auch für viele in der Partei kein tragbarer Kompromisskandidat sein. Allerdings gab es bisher auch kein Einlenken aus diesem Lager.

Mehrheit klar verfehlt

In allen drei Wahldurchgängen verfehlte McCarthy am Dienstag die notwendige Mehrheit. In den ersten beiden Anläufen fielen 203 Stimmen auf ihn – bei der dritten Runde sogar nur noch 202. Damit holte er weniger Stimmen als sein demokratischer Konkurrent Hakeem Jeffries. Der Fraktionschef der Demokraten wurde von seiner Partei für den Posten nominiert, seine Wahl gilt aber als ausgeschlossen.

Jim Jordan
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Jordan will laut eigenen Aussagen nicht Speaker werden – rechte Vertreter der Partei stehen aber hinter ihm

Für die Wahl des dritthöchsten Postens in den USA, nach dem Präsidenten- und dem Vizepräsidentenamt, ist im einfachsten Szenario eine Mehrheit von 218 Stimmen nötig – falls alle 434 neu gewählten Parlamentarierinnen und Parlamentarier anwesend sind. Wenn sich einige von ihnen enthalten, ist die nötige Mehrheit kleiner. Die Wahl zum Speaker gilt eigentlich als Formalie. Es ist 100 Jahre her, dass ein Kandidat bei der Abstimmung zum Vorsitz nicht im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit erreichte: 1923 waren neun Wahlgänge nötig. Damals dauerte es mehrere Tage.

McCarthy holte gegen parteiinterne Widersacher aus

Vor den Abstimmungen sagte McCarthy auch, dass es seinen Gegnern allein um persönliches Fortkommen, nicht um das Land gehe. Er legte offen, am Montag sei ihm gesagt worden, er werde nur die nötigen Stimmen bekommen, wenn er bestimmte Mitglieder der Fraktion mit bestimmten Ämtern und Etats versorge. Einer seiner Gegner, der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz, habe sogar unverblümt gesagt, ihm sei es egal, wenn im Zweifel der Kandidat der Demokraten gewinne, sagte McCarthy weiter.

Kevin McCarthy
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McCarthy will kämpfen, „bis wir gewinnen“

„Ich werde immer dafür kämpfen, dass das amerikanische Volk an erster Stelle steht – nicht ein paar einzelne, die etwas für sich selbst durchsetzen wollen.“ Es werde deshalb vielleicht eine „Schlacht“ im Plenum der Kammer geben, aber dabei gehe es um die gesamte Fraktion und das Land, „und das ist okay für mich“, sagte der 57-Jährige aus Kalifornien vor Sitzungsbeginn.

Seine Gegner halten ihn wiederum für zu wankelmütig, der ganz rechte Flügel der Partei wirft ihm vor, als Minderheitenführer der bisherigen Vorsitzenden Nancy Pelosi von den Demokraten zu wenig entgegengesetzt zu haben. „Er ist Teil des Problems. Er ist nicht Teil der Lösung“, hatte der Abgeordnete Bob Good im Sender Fox News seine Ablehnung gegenüber McCarthy Anfang der Woche bekräftigt. Selbst wenn McCarthy den internen Kampf gewinnt, gehen er und die ganze Repulikanische Partei stark geschwächt aus dem Streit heraus.

Republikaner stark gespalten

Die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus ist wie die gesamte Partei zerrissen zwischen rechtsgerichteten Anhängern und Anhängerinnen Trumps und moderateren Parteimitgliedern. Angesichts der nur knappen Mehrheit musste McCarthy die verschiedenen Flügel hinter sich vereinen und selbst Mitglieder vom äußersten Rand seiner Fraktion für sich gewinnen. Fünf Republikaner hatten früh öffentlich angekündigt, McCarthy ihre Stimme zu verweigern. Danach meldeten sie weiteren Widerstand an.

Analyse zur Speaker-Wahl

ORF-Korrespondent Thomas Langpaul über die Hintergründe des republikanischen Wahldebakels bei der Wahl zum Sprecher des US-Repräsentantenhauses.

In den vergangenen Wochen hatte McCarthy versucht, interne Kritikerinnen und Kritiker durch allerlei Zugeständnisse zu besänftigen. Zuletzt ließ er sich sogar darauf ein, die Hürden für eine mögliche Abberufung des Vorsitzenden im Repräsentantenhaus deutlich zu senken, wie mehrere US-Medien übereinstimmend unter Berufung auf interne Gespräche in der Fraktion berichteten. Das könnte als ständiges Druckmittel gegen ihn verwendet werden – doch selbst trotz dieses Entgegenkommens war bis zuletzt keine Mehrheit für McCarthy gesichert.

Einer von McCarthys Gegnern, der republikanische Abgeordnete und Vorsitzende der ultrakonservativen Vereinigung Freedom Caucus, Scott Perry, schrieb am Dienstag auf Twitter, McCarthy habe in den Gesprächen zahlreiche Forderungen seiner Gruppe abgelehnt. McCarthy habe die Chance gehabt, Vorsitzender zu werden. „Er hat sie zurückgewiesen.“ McCarthy versicherte nach der Niederlage, auch die Unterstützung Trumps zu haben.

Blick auf den Kongress von innen
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Der US-Kongress trat am Dienstag erstmals in neuer Konstellation zusammen

Veränderte Mehrheitsverhältnisse im Kongress

Bei der Kongresswahl Anfang November waren alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus sowie 35 der 100 Sitze im Senat neu vergeben worden. Beide Kammern tagten an diesem Dienstag in getrennten Sitzungen, erstmals in neuer Besetzung. Im Repräsentantenhaus erreichten die Republikaner nur eine knappe Mehrheit von 222 Sitzen. 212 Sitze stellen die Demokraten. Ein Sitz ist noch offen, da ein Abgeordneter kurz nach der Wahl starb.

Mit den veränderten Mehrheitsverhältnissen und ihrer neuen Stärke im Repräsentantenhaus können die Republikaner künftig Biden das Leben schwermachen. Sie haben bereits parlamentarische Untersuchungen gegen den Präsidenten und andere Regierungsmitglieder angekündigt, und sie können nach Belieben Gesetzgebungsvorhaben blockieren.