Übersiedlungskisten in einem Büro
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Insolvenzen 2022

Großer Anstieg, aber „kein Grund zur Panik“

In Österreich hat es im abgelaufenen Jahr über 4.900 Firmenpleiten gegeben, ein Plus von rund 60 Prozent. Einen moderateren Anstieg gab es auch bei Privatinsolvenzen, wie der Gläubigerschutzverband Creditreform am Mittwoch bekanntgab. Zumindest volkswirtschaftlich gebe es aber keinen Anlass zur Sorge, hieß es: In den Zahlen schlage sich der Aufholeffekt nach der Pandemie zu Buche. Vorsicht sei dennoch geboten.

Auch für die heimischen Unternehmen stand das vergangene Jahr freilich unter dem Motto der Krisenbewältigung. Steigende Materialpreise, Lieferkettenprobleme und Fachkräftemangel nach Lockdowns und Ukraine-Krieg setzten den Firmen schwer zu. Zuletzt hieß das größte Problem Energiepreise – der Cocktail aus Hemmnissen ließ die Insolvenzstatistik 2022 in die Höhe klettern. Laut Creditreform stieg die Zahl der Firmenpleiten um knapp 60 Prozent auf 4.913 Verfahren.

Jene Verfahren, die mangels Vermögen abgewiesen wurden, stieg gar um 95,5 Prozent auf 1.951 an. Insgesamt waren es 20 Insolvenzen pro Werktag – circa 16.000 Arbeitsplätze waren betroffen.

Grund zur Panik sei das nicht, heißt es von Creditreform: In den Zahlen schlage sich auch ein Aufholeffekt nach den historisch niedrigen Insolvenzzahlen während der Pandemie nieder. „Das österreichische Insolvenzgeschehen kehrt zur Normalität zurück“, so Geschäftsführer Gerhard Weinhofer. Nach dem Auslaufen der CoV-Hilfsmaßnahmen sei mit einer Rückkehr auf das Niveau vor der Pandemie zu rechnen gewesen. Denn viele Unternehmen hätten schon zuvor Probleme gehabt.

Mehr Firmenpleiten im Vorjahr

Im 2023 sind wieder deutlich mehr Firmen insolvent geworden. Die Preise für Material und Energie steigen, die Lieferketten machen Probleme, und offene Stellen können oft nicht besetzt werden.

Verschleppte Pleiten

Schon in den vergangenen beiden Jahren hatte es auch die Erwartung gegeben, dass sich angeschlagene Firmen mit den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen weiter durchschleppen. Nun müssen sie die in der Pandemie gestundeten Abgaben und Steuern zahlen, das Geld ist aber nicht da.

Dass dies nun eingetroffen sein dürfte, erkennt man auch an der stark gestiegenen Zahl an vermögenslosen Abweisungen von Verfahren. Sie verdoppelten sich beinahe von 998 im Jahr 2021 auf nun 1.951. In solchen Fällen gehen die Gläubiger leer aus.

Die Ursachen für die hohen Zahlen liegen neben dem Mangel an Kapital auch in der allgemeinen Wirtschaftslage samt Fachkräftemangel und Preisen. Die Teuerung könne nicht immer an die Endverbraucher weitergegeben werden, so Weinhofer. „Zuerst die Lockdowns, dann der Ukraine-Krieg und die Inflation waren einfach für viele Unternehmen zu viel an Polykrisen.“

Insolvenzen 2022

Statistik 2022 2022 2021 Veränderung Absolut In Prozent
Gesamtinsolvenzen 13.992 10.733 +3.259 +30,4
Unternehmensinsolvenzen 4.913 3.076 +1.837 +59,7
Privatinsolvenzen 9.079 7.657 +1.422 +18,6
Quelle: Creditreform Insolvenzstatistik 2022

Handel stark betroffen

Mit 862 Firmenpleiten gab es die meisten Insolvenzen im Handel, bei unternehmensbezogenen Dienstleistungen (841) und im Bauwesen (805). Das stärkste Plus bei Insolvenzen verzeichnete Vorarlberg – hier listet auch die Pleite des Kraftwerksbauers Bertsch Energy als jene mit den höchsten Verbindlichkeiten (138 Mio. Euro).

Auch für das neue Jahr wollte Weinhofer keine Signale für eine Trendumkehr sehen, eher im Gegenteil. Zwar schlage sich die heimische Wirtschaft gut, die Arbeitslosigkeit sei niedrig, die Eigenkapitalquoten bei der Mehrzahl der Unternehmen seien robust. Doch bildeten steigende Energiekosten und Mieten sowie die hohen Kollektivvertragsabschlüsse gepaart mit der erwarteten Rezession „ein gefährliches toxisches Umfeld“, so Weinhofer, der für 2023 mit rund 6.000 Firmeninsolvenzen rechnete.

Heuer wohl noch Verschärfung

Auch bei den Privatinsolvenzen zogen die Zahlen deutlich an. 9.079 Personen eröffneten 2022 ein entsprechendes Verfahren, das ist ein Plus von 18,6 Prozent. Das Niveau vor der Pandemie sei damit aber noch nicht erreicht, hieß es – und der Trend für heuer zeige stark nach oben. „Trotz guter Arbeitsmarktlage und staatlicher Hilfen führt die allgemeine Teuerungswelle zur Zahlungsunfähigkeit bei immer mehr Österreicherinnen und Österreichern. 2023 wird es zu einer weiteren Verschärfung kommen“, so Weinhofer.

Die Ursache für Privatinsolvenzen liegen meist im Jobverlust, einer gescheiterten Selbstständigkeit oder generell im fehlerhaften Umgang mit Geld. Geschehnisse im persönlichen Bereich, etwa Krankheit, spielen zusätzlich eine Rolle. Neu hinzu kamen nun aber auch die Auswirkungen von Inflation und steigenden Zinsen nach dem Ende der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank.

Und auch hier zeigt sich, dass die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen um 72,1 Prozent besonders stiegen. Noch würden staatliche Zuschüsse viele stützen, im neuen Jahr würden jedoch höhere Stromrechnungen und Mieten schlagend. Hinzu kämen steigende Preise für Lebensmittel und Kredite. „Es müssten schon massive staatliche Eingriffe durch Ausgleichszahlungen und Preiskontrollen erfolgen, wollte man das Überschreiten der Schwelle von 10.000 Privatinsolvenzen gegen Ende des Jahres vermeiden“, sagte Weinhofer.