Der Fraktionschef der US-Republikaner, Kevin McCarthy
AP/CQ Roll Call/Tom Williams
Trump für McCarthy

Spannung vor neuer Runde in Speaker-Kür

Der US-Republikaner Kevin McCarthy hat gehofft, auf einer „roten Welle“ ins Amt des Vorsitzenden des Repräsentantenhauses getragen zu werden. Doch 20 Abtrünnige aus den eigenen Reihen verweigerten ihm die nötige Mehrheit. Nach drei gescheiterten Abstimmungen vertagte sich das Repräsentantenhaus auf Mittwoch – der Ausgang ist nach wie vor ungewiss. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump sprach sich im Vorfeld online für McCarthy aus, der wohl in jedem Fall geschwächt aus der Wahl hervorgehen wird.

US-Präsident Joe Biden hat den Machtkampf der Republikaner um den Vorsitz im Repräsentantenhaus als peinlich kritisiert. „Es ist nicht mein Problem“, sagte Biden am Mittwoch im Weißen Haus in Washington. Aber es sei „peinlich“, dass es so lange dauere, einen neuen Vorsitzenden der Kongresskammer zu bestimmen. Der Rest der Welt schaue zu. „Ich konzentriere mich darauf, Dinge zu erledigen“, so der Demokrat.

Die Abgeordneten vertagten sich, um hinter den Kulissen weiter zu verhandeln. Ab Mittwochmittag (Ortszeit) sollen weitere Abstimmungen folgen, bis ein Kandidat die erforderliche Mehrheit erhält. Es ist dabei nicht ausgeschlossen, dass es neue Kandidaten gibt. Dazu gehören etwa Steve Scalise, der bereits zur Führungsriege der Partei gehört und sich am Dienstag hinter McCarthy stellte, sowie Elise Stefanik, die 2014 als jüngste Frau in das US-Repräsentantenhaus gewählt wurde.

Der Fraktionschef der US-Republikaner, Kevin McCarthy
APA/AFP/Getty Images/Tasos Katopodis
McCarthy reagierte schockiert auf die Demütigung der vielen Nein-Stimmen aus der eigenen Partei

Republikaner diskutieren über Alternativen

Vorerst hält McCarthy an seinem Ziel fest, als Nachfolger der Demokratin Nancy Pelosi zum „Speaker of the House“ gewählt zu werden. Spekuliert wird, ob er die Ultrarechten durch weitere Zugeständnisse doch noch umstimmen könnte. Er wolle bleiben, bis er gewinne, sagte der Abgeordnete aus Kalifornien noch am Dienstag. Doch eine ganze Reihe von Vertretern des Rechtsaußen-Flügels der Partei von Ex-Präsident Trump verweigert McCarthy bisher die Unterstützung, weil er ihnen zu gemäßigt ist.

Als mögliche Alternative wurde auch Jim Jordan aus Ohio genannt, ohne dass ihm ernsthafte Chancen eingeräumt wurden. In allen drei Runden lag McCarthy zudem hinter dem demokratischen Minderheitsführer Hakeem Jeffries, der allerdings ebenfalls nicht die notwendige Mehrheit für das Amt des Sprechers erlangte. Trotzdem gibt es kaum Zweifel daran, dass letztlich ein Republikaner Vorsitzender des Repräsentantenhauses werden wird.

Trump wirbt für McCarthy

Trump selbst appellierte im Vorfeld der nächsten Abstimmung am Mittwoch in Onlinenetzwerken dafür, McCarthy zum neuen Vorsitzenden der Kongresskammer zu wählen. „Republikaner, verwandelt nicht einen großen Triumph in eine riesige und peinliche Niederlage“, schrieb der Ex-Präsident auf seiner Plattform Truth Social in Großbuchstaben und sagte, McCarthy würde einen guten und „vielleicht sogar einen großartigen Job“ machen.

Kurz nach der Kapitol-Erstürmung hatte McCarthy noch öffentlich gesagt, Trump trage „Verantwortung“ für den Angriff auf den Kongress. Dann aber vollzog er – wie viele Republikaner – eine Kehrtwende, basierend auf der Erkenntnis, dass Trump das Idol der rechten Wählerbasis bleiben wird. So hatte er ihn nur rund eine Woche, nachdem Trump nach der Kapitol-Erstürmung vom Jänner 2021 aus dem Weißen Haus ausgezogen war, als erster ranghoher Republikaner in dessen Luxusanwesen Mar-a-Lago in Florida besucht.

Abgeordnete des rechten Parteiflügels machen ihm aber trotz Trumps Segen das Leben schwer – sie wollen ihn auf einen radikalen Kurs gegen die Regierung von Präsident Biden einschwören und sich selbst mehr Einfluss sichern. Für Aufsehen und Sorgenfalten sorgte McCarthy etwa im Oktober, als er warnte, künftig werde es keinen „Blankoscheck“ mehr für die Ukraine geben.

Interne Spaltung weiter vertieft

Die für McCarthy demütigende Abstimmungsserie gilt einigen als Rüge für das Parteiestablishment. „Es gibt so viel unnötige Unruhe in der Republikanischen Partei“, erklärte Trump in seinem Onlinedienst Truth Social, ohne McCarthy für den Verlauf der konstituierenden Sitzung verantwortlich zu machen.

Ein US-Kongressabgeordneter notiert Stimmabgaben auf einem Zettel
Reuters/Jonathan Ernst
Für die Wahl des dritthöchsten Postens in den USA ist im einfachsten Szenario eine Mehrheit von 218 Stimmen nötig

Die umkämpfte Wahl des Speakers könnte die interne Spaltung bei den Republikanern weiter vertiefen – und McCarthys politische Karriere gefährden, der doch das dritthöchste Staatsamt der USA übernehmen wollte. „Meine Stimme gestern diente im Grunde dazu, eine festgefahrene Situation zu beenden, weil wir nicht weiterkamen“, sagte Byron Donalds, ein Republikaner aus Florida, am Mittwoch gegenüber dem Sender CNN.

Abgeordnete können Arbeit noch nicht aufnehmen

Bei den Zwischenwahlen vom 8. November hatten die Republikaner nur eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus gewonnen. Sie stellen 222 der 435 Abgeordneten, das liegt nur knapp über der Mehrheit von 218 Stimmen. Die von vielen erwartete „rote Welle“, wie ein Erdrutschsieg der Republikaner wegen deren Parteifarbe genannt wird, fiel aus.

Mit den veränderten Mehrheitsverhältnissen und ihrer neuen Stärke im Repräsentantenhaus können die Republikaner aber künftig Biden das Leben schwermachen. Sie haben bereits parlamentarische Untersuchungen gegen den Präsidenten und andere Regierungsmitglieder angekündigt, und sie können nach Belieben Gesetzgebungsvorhaben blockieren.

Die demokratische US-Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez diskutiert mit anderen Kongressabgeordneten
AP/CQ Roll Call/Tom Williams
Im Gegensatz zum Repräsentantenhaus konnten die Demokraten ihre Mehrheit im Senat leicht ausbauen

Erst wenn der „Speaker of the House“ – der drittwichtigste Repräsentant der US-Politik nach dem Präsidenten und der Vizepräsidentin – gewählt ist, können die Abgeordneten vereidigt werden und ihre Arbeit aufnehmen. Das letzte Mal war 1923 mehr als eine Abstimmungsrunde nötig, um in der konstituierenden Sitzung der Kongresskammer einen Vorsitzenden zu wählen.