Kevin McCarthy beim Sitzen
Reuters/Evelyn Hockstein
Speaker-Wahl

McCarthy verliert weitere Abstimmungen

Nach drei gescheiterten Abstimmungen für das Amt des Vorsitzenden des Repräsentantenhauses am Dienstag hat der US-Republikaner Kevin McCarthy am Mittwoch in weiteren drei Runden nicht die notwendige Anzahl an Stimmen erhalten, obwohl er Unterstützung von Ex-US-Präsident Donald Trump bekommen hatte. Eine Lösung für diese Pattsituation zeichnet sich derzeit nicht ab.

McCarthy ist mit dem Widerstand von ultrakonservativen Republikanern konfrontiert, die weniger als zehn Prozent der Fraktion ausmachen. Bereits am Dienstag verweigerten 20 Republikaner McCarthy die Zustimmung und verwehrten ihm dadurch die nötige Mehrheit. McCarthys Gegner hatten mehrere alternative Kandidaten aufgestellt.

Im ersten Wahlgang hatte der Republikaner Byron Donalds am Dienstag eine einzelne Stimme erhalten – im zweiten und dritten Wahlgang hatten sich McCarthys Kritiker dann hinter dem Republikaner Jim Jordan versammelt, der aber beteuerte, er habe keinerlei Interesse an dem Posten. Für die vierte Runde am Mittwoch war Donalds nominiert worden.

Blick auf US Repräsentantenhaus, innen
Reuters/Jonathan Ernst
Am Mittwoch fand das Repräsentantenhaus den zweiten Tag in Folge keinen „Speaker of the House“

McCarthy sieht sich mit Vorwürfen konfrontiert, in seiner Zeit als Minderheitsanführer den Demokraten unter der bisherigen Vorsitzenden Pelosi nicht aggressiv genug die Stirn geboten zu haben. Einige Republikaner halten ihn zudem für zu wankelmütig.

Erstmals seit 100 Jahren

Nach einer Vertagung am Dienstag wurde hinter den Kulissen weiter verhandelt. McCarthy wollte trotz der Niederlagen weiterhin Nachfolger der Demokratin Nancy Pelosi und zum „Speaker of the House“ gewählt werden. Es ist das erste Mal seit 100 Jahren, zuletzt 1923, dass mehr als eine Abstimmungsrunde notwendig ist, um in der konstituierenden Sitzung des Repräsentantenhauses einen Vorsitzenden zu wählen.

Das Repräsentantenhaus ist ohne Vorsitzenden faktisch nicht handlungsfähig. Selbst unter den gemäßigten Republikanern wächst der Unmut und das Unverständnis, was die Verweigerer in der Partei anstreben.

Der demokratische Minderheitsführer Hakeem Jeffries erreichte in den Abstimmungen am Dienstag mehr Stimmen als McCarthy, kam aber auch nicht an die notwendige Mehrheit von 218 Stimmen heran. Auch am Mittwoch erreichte er alle 212 Stimmen der Demokraten – erneut mehr als die 201 für McCarthy. Am Mittwoch äußerte sich der amtierende US-Präsident Joe Biden zu der Pattsituation: „Das macht keinen guten Eindruck. Dies sind die Vereinigten Staaten von Amerika, und ich hoffe, dass sie sich zusammenreißen.“

Lösung unklar

Was die Pattsituation beenden könnte, war am Mittwoch noch unklar. McCarthy könnte versuchen, mit den Demokraten Verhandlungen aufzunehmen. Diese könnten ihm etwa durch Enthaltungen in ihren Reihen zu einem Wahlsieg verhelfen, weil das die Zahl der nötigen Stimmen senken würde. Möglich wäre ebenso, dass ein neuer Kandidat aufgestellt wird, auf den sich eine Mehrheit der Republikaner verständigen könnte, oder ein Konsenskandidat mit den Demokraten.

Trump stellte sich hinter McCarthy

Vor der wiederholten Abstimmung hatte sich am Mittwoch auch der ehemalige US-Präsident Trump für McCarthy ausgesprochen. „Republikaner, verwandelt nicht einen großen Triumph in eine riesige und peinliche Niederlage“, schrieb der Ex-Präsident auf seiner Plattform Truth Social in Großbuchstaben und sagte, McCarthy würde einen guten und „vielleicht sogar einen großartigen Job“ machen. Dass McCarthy trotz Trumps Unterstützung verlor, schwächt auch den Ex-US-Präsidenten.

McCarthys Position gegenüber Trump hat sich gewandelt. Kurz nach der Kapitol-Erstürmung hatte er noch öffentlich gesagt, Trump trage „Verantwortung“ für den Angriff auf den Kongress. Dann aber vollzog er – wie viele Republikaner – eine Kehrtwende, basierend auf der Erkenntnis, dass Trump das Idol der rechten Wählerbasis bleiben wird. So hatte er ihn nur rund eine Woche, nachdem Trump nach der Kapitol-Erstürmung vom Jänner 2021 aus dem Weißen Haus ausgezogen war, als erster ranghoher Republikaner in dessen Luxusanwesen Mar-a-Lago in Florida besucht.

Langpaul (ORF) zur Wahl im US-Kongress

Thomas Langpaul (ORF) meldet sich aus Washington und spricht über die Sprecherwahl im US-Kongress. Der frühere US-Präsident Donald Trump hat alle republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus in Washington dazu aufgerufen, den Kandidaten Kevin McCarthy zum neuen Vorsitzenden der Kongresskammer zu wählen. Bei der Sprecherwahl scheiterte der republikanische Fraktionschef Kevin McCarthy am Widerstand aus dem ultrarechten Flügel.

Abgeordnete des rechten Parteiflügels machen ihm aber trotz Trumps Segen das Leben schwer – sie wollen ihn auf einen radikalen Kurs gegen die Regierung von Präsident Biden einschwören und sich selbst mehr Einfluss sichern. Für Aufsehen und Sorgenfalten sorgte McCarthy etwa im Oktober, als er warnte, künftig werde es keinen „Blankoscheck“ mehr für die Ukraine geben.

„Rote Welle“ ausgeblieben

Die für McCarthy demütigende Abstimmungsserie gilt einigen als Rüge für das Parteiestablishment. Die umkämpfte Wahl des Speakers könnte die interne Spaltung bei den Republikanern weiter vertiefen. Bei den Zwischenwahlen vom 8. November hatten die Republikaner nur eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus gewonnen. Sie stellen 222 der 435 Abgeordneten, das liegt nur knapp über der Mehrheit von 218 Stimmen. Die von vielen erwartete „rote Welle“, wie ein Erdrutschsieg der Republikaner wegen deren Parteifarbe genannt wird, fiel aus.

Mit den veränderten Mehrheitsverhältnissen und ihrer neuen Stärke im Repräsentantenhaus können die Republikaner aber künftig Biden das Leben schwermachen. Sie haben bereits parlamentarische Untersuchungen gegen den Präsidenten und andere Regierungsmitglieder angekündigt, und sie können nach Belieben Gesetzgebungsvorhaben blockieren.

Erst wenn der „Speaker of the House“ – der drittwichtigste Repräsentant der US-Politik nach dem Präsidenten und der Vizepräsidentin – gewählt ist, können die Abgeordneten vereidigt werden und ihre Arbeit aufnehmen.