„Eines der wichtigsten Dinge, die ich in der Armee gelernt habe, ist, dass ich für meine eigenen Handlungen verantwortlich bin. Also meine Zahl: 25“, schreibt Harry dem Sender Sky News zufolge in seinen Memoiren in Bezug auf die Zahl der von ihm getöteten Menschen bei seinen Einsätzen in Afghanistan. „Das war nichts, was mich zufrieden gemacht hat, aber auch nichts, wofür ich mich geschämt habe.“
Medienberichten zufolge heißt es im Buch von Harry, dass man „Menschen nicht töten kann, wenn man sie als Menschen sieht“ und dass er sie stattdessen als „Schachfiguren, die vom Brett genommen werden“ oder „böse Menschen, die eliminiert werden müssen, bevor sie gute Menschen töten“ gesehen hat. Harry war zweimal als Soldat in Afghanistan, beim zweiten Mal als Pilot.
„Unüberlegte“ Aussage – „so denken wir nicht“
Das britische Verteidigungsministerium wollte Einsätze aus Sicherheitsgründen nicht kommentieren, wie es am Freitag hieß. Ein ehemaliger Marinesoldat, der mit Harry geflogen ist, sagte gegenüber BBC, dass nichts rechtfertige, darüber zu sprechen, wie viele Menschen man getötet hat. Die Enthüllung könne nicht nur ein Sicherheitsrisiko für Harry darstellen, sondern eines für das gesamte Vereinigte Königreich. Auch der frühere Armeeoffizier Richard Kemp bezeichnete Harrys Aussage als „unüberlegt“.

Die Äußerungen würden dessen eigene Sicherheit untergraben und könnten Rachegelüste wecken. Kemp habe kein Problem damit, dass Todeszahlen veröffentlicht werden. Allerdings sieht der frühere in Afghanistan eingesetzte Militär es kritisch, dass Harry angedeutet habe, die Taliban würden von der Armee als „Untermenschen und nur als Schachfiguren betrachtet, die man umwerfen kann“. Der britische Ex-Armeeoffizier Tim Collins verurteilte gegenüber der BBC Harrys Buch mit: „So verhält man sich nicht in der Armee, so denken wir nicht.“
Als Reaktion auf die Äußerungen des Prinzen beschuldigte Taliban-Sprecher Bilal Karami die Streitkräfte aller Länder, die einst in Afghanistan kämpften, „Verbrechen“ zu begehen. Er sagte: „Dieses Geständnis zeigt, dass die Streitkräfte aller Besatzungsländer die gleiche kriminelle Geschichte haben.“ Anas Hakkani, ein hochrangiges Taliban-Mitglied, warf Harry Kriegsverbrechen vor. „Die von Ihnen Getöteten waren keine Schachfiguren, sie waren Menschen; sie hatten Familien, die auf ihre Rückkehr warteten.“
Britischer Boulevard: „Jetzt ist alles vorbei“
Harrys Autobiografie „Spare“ soll eigentlich am 10. Jänner erscheinen. Nach Angaben britischer Medien gelangte das Buch in Spanien jedoch bereits am Donnerstag versehentlich in den Handel. Sky News berichtete, die Bücher seien in den Auslagen einer großen Buchhandelskette in Spanien verfügbar gewesen „und dann hastig entfernt worden, nachdem der Fehler auffiel“. Mehrere britische Medien beschafften sich jedoch rechtzeitig Exemplare und berichteten über den Inhalt.
Das Blatt „i“ bescheinigte den Royals am Freitag gar die „schlimmste Krise seit 30 Jahren“. Angesichts der Vorwürfe, die Harry in dem Buch gegen seinen Bruder Prinz William erhebt, titelte der „Daily Mirror“: „It’s all over now“ („Jetzt ist alles vorbei“) zu einem Foto, auf dem die Brüder einträchtig als Kinder in Schuluniform zu sehen sind. Harry wirft William vor, ihn bei einem Streit körperlich angegriffen zu haben.
Das Boulevardblatt „Daily Mail“ wählte mit der Zeile „Oh spare us!“ („Oh, verschon uns“) ein Wortspiel mit dem Titel des Buchs – und breitete dann trotzdem die brisanten Details aus dem am Donnerstag versehentlich in den Handel gelangten Buch aus. Offiziell soll es erst am kommenden Dienstag erscheinen.

Die Londoner „Times“ bezeichnete die Memoiren als „vernichtend“, und der „Daily Telegraph“ und die „Sun“ zitierten den Prinzen mit Äußerungen zu der Bitte an seinen Vater, Camilla nicht zu heiraten („Please don’t marry Camilla“) und seinen Geständnissen zum Konsum von Kokain und Marihuana („I did coke and weed“). Der „Daily Express“ warf Harry Heuchelei vor: „Renconcile? But you sold your soul, Harry“ („Versöhnen? Aber du hast deine Seele verkauft, Harry“).
„Größter Gegenspieler“
Am Donnerstag hatte der „Guardian“ über die Vorwürfe in „Spare“ berichtet. Als „Spare“ soll sein Vater über ihn nach seiner Geburt gesprochen haben, behauptet Harry den Berichten zufolge. William wird in den Memoiren von Harry als „geliebter Bruder“ und „größter Gegenspieler“ gezeichnet.

Während zu Beginn das Verhältnis zwischen Harry und seiner Familie im medialen Fokus lag, waren es am Donnerstagabend und Freitag die persönliche Vergangenheit des Prinzen. Die tragischen Umstände des Todes seiner Mutter Diana, die im Jahr 1997 auf der Flucht vor Paparazzi in Paris verunglückte, beschäftigen ihn bis heute, schrieb er Berichten zufolge. Dem offiziellen Ermittlungsergebnis glaubt er nicht.
Er wirft dem Königshaus vor, William und ihm nicht erlaubt zu haben, öffentlich eine Wiedereröffnung der Ermittlungen zu verlangen. Seinem Vater, König Charles III., bescheinigt er Gefühlskälte. Der habe ihn nicht einmal in den Arm genommen, als er ihm die erschütternde Nachricht vom Unfall der geliebten Mutter überbrachte, klagt Harry laut der „Sun“.