Der republikanische Kandidat für den Vorsitzend des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy
AP/J. Scott Applewhite
Machtkampf in US-Kongress

Weiter keine Mehrheit für McCarthy

Das Wahlchaos im Machtkampf um das höchste Amt im amerikanischen Parlament hält auch am Freitag und damit am vierten Tag in Folge an. Der republikanische Kandidat Kevin McCarthy erzielte auch in der zwölften und kurz darauf 13. Runde nicht die notwendige Mehrheit. Die Zahl der gegen McCarthy stimmenden Republikaner ist am Freitag nun aber deutlich geschrumpft.

Nach elf gescheiterten Bewerbungen bei der Wahl zum Vorsitzenden des US-Abgeordnetenhauses konnte McCarthy beim ersten Wahlgang vom Freitag 14 der 21 Rebellen auf seine Seite ziehen. Damit lag er in der Endabrechnung erstmals vor dem Demokraten Hakeem Jeffries. Im 13. Wahlgang wechselte ein weiterer Rebell die Seite. Allerdings verfehlte McCarthy weiter die erforderliche absolute Mehrheit.

Für die Wahl des Parlamentspräsidenten sind 218 der 435 Stimmen erforderlich. Weil die Republikaner nur 222 Mandate haben, konnte sich McCarthy lediglich vier Abweichler leisten. Nachdem ihm in den Wahlgängen seit Dienstag jeweils rund 20 Parteifreunde die Gefolgschaft verweigert hatten, stimmten im zwölften Wahlgang am Freitag nur sieben Republikaner für seine beiden Gegenkandidaten. McCarthy lag bei 213 Stimmen, Demokraten-Chef Jeffries bei 211.

Der Anführer der Republikaner war optimistisch in den Wahlgang gegangen. „Wir werden Fortschritte machen, wir werden Sie schockieren“, sagte er vor Beginn der Sitzung.

Abstimmung ausgesetzt

Nach den neuerlich ergebnislosen Wahlgängen ist die Abstimmung über den Vorsitz der Parlamentskammer derzeit ausgesetzt. Dafür stimmten die Abgeordneten am Freitagnachmittag (Ortszeit) in Washington. Sie wollten am Abend (Ortszeit/Donnerstag 4.00 Uhr MEZ) erneut zusammenkommen.

McCarthy zeigte sich optimistisch, bis zum Abend die fehlenden parteiinternen Gegner auf seine Seite zu ziehen. Am Freitag kam erstmals Bewegung in die Abstimmungen – mehr als ein Dutzend Rebellen gaben ihren Widerstand auf. McCarthy fehlen nun nur noch wenige Stimmen für die erforderliche Mehrheit. Bis der Vorsitz geklärt ist, geht im Repräsentantenhaus gar nichts: Nicht einmal die neuen Abgeordneten können vereidigt werden.

Immer umfassendere Zugeständnisse

Der 57-Jährige war seinen Gegnerinnen und Gegnern zuletzt immer weiter entgegengekommen und hat sich damit auch erpressbar gemacht. Die radikalen Parteirebellen, die in weiten Teilen glühende Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump sind, fordern unter anderem die Änderung interner Verfahrensregeln im Kongress. Mit diesen Anpassungen würde ihre Macht im Parlament gestärkt. „Vor allem aber scheinen McCarthys hartnäckigste Gegner darauf aus zu sein, ihn zu Fall zu bringen“, urteilte die „New York Times“.

Am Donnerstag stimmten trotz weiterer Zugeständnisse wie schon zuvor 20 Republikaner hartnäckig für alternative Kandidaten aus ihrer Partei. Sie stellten McCarthy damit bloß und versagten ihm einen Wahlsieg. Eine weitere republikanische Abgeordnete enthielt sich. Je länger sich der Machtkampf hinzieht, desto wahrscheinlicher ist es, dass McCarthy Unterstützung in den eigenen Reihen verliert. Beobachtern zufolge muss er bei weiteren Abstimmungen einige Rebellen auf seine Seite ziehen, um zu zeigen, dass es zumindest etwas Bewegung in der verfahrenen Situation gibt.

Betende Abgeordnete im US-US-Repräsentantenhaus
APA/AFP/Getty Images/Anna Moneymaker
Einige Abgeordnete versammelten sich vor der Sitzung am Freitag zunächst zu einem gemeinsamen Gebet

McCarthy schreibt „gern Geschichte“

Der republikanische Fraktionschef redete die interne Revolte gegen ihn immer wieder öffentlich klein und wies Vorwürfe zurück, dass ihn der Aufstand in den eigenen Reihen schwäche. Mit Blick auf das historische Ausmaß des Dramas sagte er, dass er gerne Geschichte schreibe. Er halte schließlich auch schon den Rekord für die längste Rede im Repräsentantenhaus.

Mehr Wahlgänge zuletzt 1859/1860

Die Wahl zum Speaker gilt eigentlich als Formalie. Es ist 100 Jahre her, dass ein Kandidat bei der Abstimmung zum Vorsitz im Repräsentantenhaus nicht im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit erreichte: 1923 waren neun Wahlgänge nötig, um einen Vorsitzenden zu bestimmen. Mehr Wahlgänge als diesmal gab es zuletzt nur 1859/1860. Damals wurde der Republikaner William Pennington erst im 44. Wahlgang zum Vorsitzenden der Kongresskammer gewählt. Das Prozedere dauerte damals mehrere Wochen.

Der mächtige Posten des „Speaker of the House“ kommt in der staatlichen Rangfolge in den USA auf Rang drei nach dem Präsidenten und dessen Vize.

Jahrestag: Sturm auf Kapitol

Die chaotischen Zustände in der amerikanischen Demokratie fallen ausgerechnet in eine Zeit, in der das Land an die beispiellose Attacke auf das US-Kapitol erinnert. Der brutale Angriff auf den Parlamentssitz jährt sich an diesem Freitag zum zweiten Mal.

Anhänger des damaligen Präsidenten Trump hatten am 6. Jänner 2021 gewaltsam das Kongressgebäude in der Hauptstadt Washington erstürmt. Dort war der Kongress damals zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger zuvor bei einer Rede damit aufgewiegelt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Als Folge der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben.

Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Jänner 2021
AP/John Minchillo
Am 6. Jänner 2021 drangen Trump-Anhänger in den US-Kongress ein

Gedenkfeier ohne Republikaner-Führungsriege

Bei einer Gedenkveranstaltung zum zweiten Jahrestag erinnerte Jeffries, der Fraktionschef der Demokraten im Repräsentantenhaus, an die Opfer des Kapitol-Sturms. „Wir haben uns hier versammelt, um ihr Andenken zu ehren und in tiefer Dankbarkeit die ungeheure Tapferkeit von Hunderten Beamten anzuerkennen“, sagte Jeffries am Freitag vor den Stufen des Kapitols in der Hauptstadt Washington.

Vor dem Kongress hatten sich auch Angehörige der Opfer eingefunden. Der Aufstand habe die USA bis ins Mark erschüttert – das gelte für viele Menschen im Land und Abgeordnete im Kongress, fügte Jeffries Vorgängerin, Nancy Pelosi, hinzu. Mitglieder der Führung der Republikaner waren bei der Gedenkveranstaltung nicht dabei.

Im Weißen Haus ehrte US-Präsident Biden mehrere Polizisten für ihren Einsatz am 6. Jänner 2021. Biden verlieh dabei zum ersten Mal in seiner Präsidentschaft die Bürgermedaille.