Der republikanische Kandidat für den Vorsitzend des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy
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Machtkampf in US-Kongress

McCarthy im 15. Anlauf gewählt

Nach einem zähen und mehrtägigen Ringen ist der Republikaner Kevin McCarthy am Freitag zum Vorsitzenden des US-Abgeordnetenhauses gewählt worden. Erstmals seit rund 100 Jahren wurde diese Wahl diesmal nicht im ersten, sondern erst im 15. Wahlgang entschieden. Die tagelange Pattsituation legte die interne Zerstrittenheit der Republikaner nun auch innerhalb des Kongresses offen.

McCarthy hatte in 14 Durchgängen aufgeteilt auf vier Tage seit Dienstag mehrfach die notwendige Mehrheit verfehlt, weil ihm Rebellen in der eigenen Partei die Gefolgschaft verweigert hatten. Beim 14. Versuch am Freitag hatte ihm noch eine einzige Stimme gefehlt. Es folgten turbulente Auseinandersetzungen. Die letzte Abstimmung gewann er nun mit einfacher Mehrheit 216 zu 212 Stimmen für den Demokraten Hakeem Jeffries, der in den Tagen zuvor immer mehr Stimmen hatte als McCarthy. Sechs Republikaner enthielten sich ihrer Stimme.

Eigentlich erzielten die Republikaner bei den Kongresswahlen eine Mehrheit von 222 Stimmen von insgesamt 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Dass McCarthy zum Präsidenten der Kongresskammer gewählt wurde, obwohl weniger als die Hälfte aller Abgeordneten für ihn stimmten, wurde nur möglich, weil sich sechs Abgeordnete seiner eigenen Partei enthielten. Sie stimmten nicht für McCarthy, aber auch nicht für einen anderen Kandidaten.

Kevin McCarthy beim Vereidigen der Abgeordneten
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Mit der Wahl McCarthys konnten er und alle anderen Abgeordneten angelobt werden

„Jetzt beginnt harte Arbeit“

Schon beim ersten Wahlgang vom Freitag konnte McCarthy 14 der 21 ultrarechten Republikaner auf seine Seite ziehen. Trotz der am Ende erfolgreichen Wahl geht McCarthy geschwächt ins Amt. US-Präsident Joe Biden gratulierte McCarthy zu seiner Wahl und zeigte sich bereit, mit den Republikanern zusammenzuarbeiten, wenn er könne. Es sei an der Zeit „verantwortungsvoll zu regieren und sicherzustellen, dass wir die Interessen amerikanischer Familien vorne anstellen“. Mit der abgeschlossenen Speaker-Wahl konnten nun die Abgeordneten angelobt werden, damit wurde die Kongresskammer arbeitsfähig.

US-Kongress: Mehrheit für McCarthy

Am vierten Abstimmungstag und in der 15. Runde haben die republikanischen Abgeordneten in den USA nun doch Kevin McCarthy zum Vorsitzenden des Repräsentantenhauses gewählt. Es war die längste Wahl zum „Speaker of the House“ seit 160 Jahren.

„Jetzt beginnt die harte Arbeit“, sagte McCarthy in seiner ersten Rede als Sprecher des Repräsentantenhauses. „Was wir hier heute, nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr tun, wird den Ton für alles, was folgt, angeben.“ Er sei in seiner Funktion nicht seiner Partei oder gar dem Kongress gegenüber verantwortlich: „Meine Verantwortung, unsere Verantwortung, ist für unser Land.“

McCarthy nannte die „weit geöffnete Grenze im Süden“, die von ihm mit „Amerika zuletzt“ bezeichnete Energiepolitik der Regierung sowie die „Woke-Indoktrinierung an unseren Schulen“ als primäre Herausforderungen. Der Begriff „woke“ beschreibt das „wach sein“ gegenüber rassistischen und diskriminierenden Tendenzen in einer Gesellschaft. Bei den „langfristigen Herausforderungen“ wie der Staatsverschuldung und „dem Aufstieg der Kommunistischen Partei Chinas“ müsse der Kongress „mit einer Stimme“ sprechen.

Immer umfassendere Zugeständnisse

Der 57-jährige McCarthy war seinen Gegnerinnen und Gegnern zuletzt immer weiter entgegengekommen und hat sich damit auch erpressbar gemacht. Die radikalen Parteirebellen, die in weiten Teilen glühende Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump sind, forderten unter anderem die Änderung interner Verfahrensregeln im Kongress. Bei der Sitzung in der Nacht auf Samstag spielten sich im Plenarsaal dramatische und chaotische Szenen ab: erhitzte Auseinandersetzungen und verzweifelte Last-Minute-Verhandlungen.

Betende Abgeordnete im US-US-Repräsentantenhaus
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Einige Abgeordnete versammelten sich vor der Sitzung am Freitag zunächst zu einem gemeinsamen Gebet

So dürften etwa Zugeständnisse wie Ausgabenkürzungen in den kommenden Monaten zu erneuten Turbulenzen führen. Der republikanische Fraktionschef redete die interne Revolte gegen ihn immer wieder öffentlich klein und wies Vorwürfe zurück, dass ihn der Aufstand in den eigenen Reihen schwäche. Mit Blick auf das historische Ausmaß des Dramas sagte er, dass er gerne Geschichte schreibe. Er halte schließlich auch schon den Rekord für die längste Rede im Repräsentantenhaus.

Mehr Wahlgänge zuletzt 1859/1860

Die Wahl zum Speaker gilt eigentlich als Formalie. Es ist 100 Jahre her, dass ein Kandidat bei der Abstimmung zum Vorsitz im Repräsentantenhaus nicht im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit erreichte: 1923 waren neun Wahlgänge nötig, um einen Vorsitzenden zu bestimmen. Mehr Wahlgänge als diesmal gab es zuletzt 1859/1860. Damals wurde der Republikaner William Pennington erst im 44. Wahlgang zum Vorsitzenden der Kongresskammer gewählt. Das Prozedere dauerte damals mehrere Wochen. Der bisherige Rekord lag aber in der Kongressperiode zwei Jahre zuvor mit insgesamt 133 notwendigen Abstimmungsrunden innerhalb von zwei Monaten.

Der mächtige Posten des „Speaker of the House“ kommt in der staatlichen Rangfolge in den USA auf Rang drei nach dem Präsidenten und dessen Vize.

Jahrestag: Sturm auf Kapitol

Die chaotischen Zustände in der amerikanischen Demokratie fallen ausgerechnet in eine Zeit, in der das Land an die beispiellose Attacke auf das US-Kapitol erinnert. Der brutale Angriff auf den Parlamentssitz jährte sich am 6. Jänner zum zweiten Mal.

Anhänger des damaligen Präsidenten Trump hatten an diesem Tag 2021 gewaltsam das Kongressgebäude in der Hauptstadt Washington erstürmt. Dort war der Kongress damals zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Biden bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger und Anhängerinnen zuvor bei einer Rede damit aufgewiegelt, er sei durch Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Als Folge der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben.

Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Jänner 2021
AP/John Minchillo
Am 6. Jänner 2021 drangen Trump-Anhänger in den US-Kongress ein

Gedenkfeier ohne Republikaner-Führungsriege

Bei einer Gedenkveranstaltung zum zweiten Jahrestag erinnerte Jeffries, der Fraktionschef der Demokraten im Repräsentantenhaus, an die Opfer des Kapitol-Sturms. „Wir haben uns hier versammelt, um ihr Andenken zu ehren und in tiefer Dankbarkeit die ungeheure Tapferkeit von Hunderten Beamten anzuerkennen“, sagte Jeffries am Freitag vor den Stufen des Kapitols in der Hauptstadt Washington.

Vor dem Kongress hatten sich auch Angehörige der Opfer eingefunden. Der Aufstand habe die USA bis ins Mark erschüttert – das gelte für viele Menschen im Land und Abgeordnete im Kongress, fügte Jeffries Vorgängerin, Nancy Pelosi, hinzu. Mitglieder der Führung der Republikaner waren bei der Gedenkveranstaltung nicht dabei.

Im Weißen Haus ehrte US-Präsident Biden mehrere Polizisten für ihren Einsatz am 6. Jänner 2021. Biden verlieh dabei zum ersten Mal in seiner Präsidentschaft die Bürgermedaille.