Menschen blockieren eine Straße während Protesten in Teheran
AP
Proteste im Iran

Zwei weitere Demonstranten hingerichtet

Im Iran sind heute Früh zwei weitere Demonstranten hingerichtet worden. Das teilte die iranische Justizbehörde offiziell mit. Den beiden Männern wird vorgeworfen, während der systemkritischen Proteste im November für den Tod eines Angehörigen der Sicherheitskräfte verantwortlich gewesen zu sein. Schon im Dezember hatte die Hinrichtung von zwei Demonstranten international für Entsetzen gesorgt.

Der 22-jährige Mohammed-Mehdi K. und der 20-jährige Sejed-Mohammed H. seien „die Haupttäter des Verbrechens, das zum ungerechten Martyrium von Ruhollah Adschamian geführt hat“, meldete die staatliche Nachrichtenagentur IRNA unter Berufung auf die Justiz am Samstag. Nach Angaben der Justizbehörde hatten die beiden Männer vor Gericht zugegeben, bei Protesten in Karadsch, einem Vorort der Hauptstadt Teheran, einen angeblich unbewaffneten Sicherheitsbeamten mit einem Messer erstochen zu haben.

Der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge stützte sich das Gericht, das Mohammed-Mehdi K., einen 22-jährigen Karatemeister, verurteilte, auf erzwungene Geständnisse. Der Anwalt von Sejed-Mohammed H. hatte bereits im Dezember kommuniziert, dass sein Mandant schwer gefoltert worden sei und dass unter Folter erzwungene Geständnisse keine rechtliche Grundlage hätten. Der Iran bestreitet, dass Geständnisse unter Folter erpresst werden.

Wieder Todesurteile im Iran

Zwei weitere Demonstrierende wurden im Iran zum Tode verurteilt. Sie wurden des Mordes sowie der „Korruption auf Erden“ für schuldig befunden – eine Anklage, die nach der Islamischen Revolution von 1979 oft erhoben wurde und stets die Todesstrafe nach sich zieht.

Gnadengesuch abgelehnt

Das Gnadengesuch der beiden Angeklagten wurde dem Misan-Bericht, dem Webportal der Justiz, zufolge vom Obersten Gerichtshof abgelehnt und das Todesurteil bestätigt. Wegen des Todes von Adschamian, eines Mitglieds der Basidsch-Miliz, wurden drei weitere Menschen zum Tode verurteilt. Elf Angeklagte erhielten Haftstrafen. Die Miliz ist eine paramilitärische Freiwilligeneinheit und den mächtigen Revolutionsgarden zugeteilt. Sie spielt bei dem harten Vorgehen gegen Demonstrantinnen und Demonstranten eine wichtige Rolle.

Im Zuge der landesweiten Proteste waren im Dezember bereits der Rap-Musiker Mohsen S. und Madschid-Resa R. wegen angeblichen Mordes und versuchten Mordes an zwei Basidsch-Mitgliedern hingerichtet worden. Die Hinrichtungen sorgten im In- und Ausland für Entsetzen. Die EU beschloss daraufhin auch wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen weitere Sanktionen gegen den Iran, die die Wirtschaft des Landes hart treffen.

Internationales Entsetzen

Die EU prangerte die Hinrichtungen als „weiteres Zeichen der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste“ im Iran an. Sie fordere die Behörden erneut auf, „die höchst verwerfliche Praxis, Todesurteile gegen Demonstranten zu verhängen und zu vollstrecken, sofort zu beenden“ und die jüngsten verhängten Todesurteile „unverzüglich aufzuheben“, erklärte Nabila Massrali, eine Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.

Die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, rief zu einer stärkeren Unterstützung der Demonstranten und Demonstrantinnen im Iran auf – und zu einer schärferen Verurteilung des Vorgehens der iranischen Führung. Man müsse „aufstehen“ und den Frauen und Männern beistehen, die im Iran für Leben und Freiheit auf die Straße gingen.

Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte verurteilte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter die „auf erpressten Geständnissen“ basierenden Prozesse. Es sei „schockierend, dass der Iran trotz des internationalen Aufschreis weiterhin Demonstranten“ hinrichte.

Internet stark eingeschränkt

Starke Einschränkungen des Internets erschwerten zuletzt die Organisation von Demonstrationen über soziale Netzwerke. Erneute Beschränkungen gab es am Samstag aufgrund der erwarteten Demonstrationen anlässlich des dritten Jahrestags des Abschusses einer ukrainischen Passagiermaschine bei Teheran. Viele Hinterbliebene sind bis heute der Meinung, dass die Verantwortlichen nicht ausreichend zur Rechenschaft gezogen wurden.

NGO: Über 19.000 Demonstrierende verhaftet

Die Zahlen zu den zum Tode verurteilten Verhafteten sind widersprüchlich. Bei einigen wurde das Todesurteil in Berufungsgerichten aufgehoben. Die Rede ist von 20 Demonstranten, die auf der Todesliste der Justiz stehen sollen. Amnesty International sprach im Dezember von 26, die zur Todesstrafe verurteilt wurden. Die iranische Führung hat diese und ähnliche Angaben bisher weder bestätigt noch dementiert.

Menschen protestieren auf einer Straße in Teheran
Reuters/Wana News Agency
Tausende Menschen wurden im Zuge der Proteste im Iran inhaftiert

Nach jüngsten Schätzungen der in den USA ansässigen Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) sind bei den Protesten bereits mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen 70 Minderjährige sowie knapp 70 Polizei- und Sicherheitskräfte. Mehr als 19.000 Demonstrierende seien verhaftet worden. Auslöser für die landesweiten Proteste war der Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini Mitte September. Sie starb in Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Religionspolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war.

Urteil gegen renommierte Fotografin

Ein Gericht in Teheran fällte zudem gegen eine renommierte iranische Fotografin ein Urteil aufgrund ihrer Teilnahme an den Protesten. Laut Medien gab die Justizbehörde am Samstag bekannt, dass Jalda Moajeri zu einer zweimonatigen Parkreinigung verurteilt worden sei. Außerdem müsse sie als Strafe einen 100-seitigen Recherchebericht zu einem iranischen Kleriker verfassen, erklärte die Justiz.

Die Fotografin selbst bestätigte auf Instagram das von der Tageszeitung „Schargh“ kolportierte Gerichtsurteil und postete ein Video von sich mit einer orangefarbigen Uniform bei der neuen Arbeit. „Da ich als Fotografin nicht die Realitäten meines Landes reflektieren darf, mache ich dafür sehr gerne diese ehrenhafte Arbeit“, erklärte die 41-Jährige auf Instagram. Die mehrfach ausgezeichnete Moajeri war im September verhaftet worden, als sie Fotos von Protesten machte. Ende Dezember kam sie auf Kaution frei.

Das Urteil beinhaltet auch eine sechsjährige Bewährungsstrafe und zwei Jahre Ausreiseverbot. Genauso lange dürfe sie weder ihr Handy noch die sozialen Netzwerke nutzen. Ihr wurde auch verboten, für zwei Jahre in Teheran und den Vororten der Hauptstadt zu leben, teilte die freie Fotografin auf Instagram mit. Gegen das Urteil könne sie laut Justizbehörde Berufung einlegen. Ärger mit der Justiz hatte Moajeri schon 2019 wegen ihrer Bilder während der damaligen politischen Unruhen. Nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten (CPJ) in New York wurden im Rahmen der jüngsten Proteste bereits mehr als 80 Medienschaffende verhaftet.

Neuer Polizeichef ernannt

Knapp vier Monate nach Beginn der anhaltenden Proteste ernannte das geistliche Oberhaupt im Iran, Ali Chamenei, mit General Ahmad Resa Radan einen neuen Polizeichef. Er ist auch Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte. Radan begann seine Laufbahn wie sein Vorgänger Hossein Aschtari bei den Revolutionsgarden. Radan wurde 2010 von den USA und später auch von der EU wegen „Menschenrechtsverletzungen“ im Zusammenhang mit den Protesten nach den umstrittenen iranischen Präsidentschaftswahlen von 2009 mit Sanktionen belegt.