Höhlenkloster Pechersk Lavra
AP/Efrem Lukatsky
Feier in Kiewer Höhlenkloster

Orthodoxe Weihnacht im Zeichen des Krieges

Es ist das erste orthodoxe Weihnachtsfest seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Einer einseitig von Russland ausgerufenen Waffenruhe zum Trotz wurde im Land weiter gekämpft. Die neue Orthodoxe Kirche der Ukraine feierte erstmals die Weihnachtsmesse im berühmten Kiewer Höhlenkloster.

Hunderte orthodoxe Christinnen und Christen feierten am Samstag zum ersten Mal unter der Leitung der unabhängigen Orthodoxen Kirche der Ukraine im berühmten Höhlenkloster Lawra Petschersk von Kiew die Weihnachtsmesse. Anwesend war neben Dutzenden Journalistinnen und Journalisten auch der ukrainische Kulturminister Olexandr Tkatschenko.

Durch den Gottesdienst in der zum Kloster gehörenden Kathedrale führte Metropolit Epiphanius, das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche der Ukraine. Die Messe wurde auch live im ukrainischen Fernsehen übertragen. Reporter an Ort und Stelle berichteten von strengen Sicherheitsvorkehrungen.

Messe im Höhlenkloster Pechersk Lavra
APA/AFP/Sergei Supinsky
Der Gottesdienst aus dem Höhlenkloster wurde auch im ukrainischen Fernsehen übertragen

Nutzungsverträge nicht verlängert

Das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Kloster in der ukrainischen Hauptstadt war bis vor Kurzem Sitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche. Diese war lange Zeit mit dem Moskauer Patriarchat verbunden, bis sie sich im Mai aufgrund des russischen Angriffskrieges offiziell lossagte. Die ukrainischen Behörden werfen ihr allerdings weiterhin eine prorussische Einstellung vor.

Messe im Höhlenkloster Pechersk Lavra
APA/AFP/Sergei Supinsky
Metropolit Epiphanius steht der erst 2018 gegründeten Orthodoxen Kirche der Ukraine vor

Ende 2022 verlängerte Kiew die Nutzungsverträge für zwei Hauptkirchen des Klosters nicht mehr. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche kritisierte den Vorgang als rechtswidrig. Die Kathedrale untersteht nun der Orthodoxen Kirche der Ukraine, die erst 2018 mit staatlicher Hilfe gegründet worden war.

Der Krieg vergrößerte die Distanz zwischen Christen in der Ukraine und Russland. In Abgrenzung zu Russland feierten zuletzt mehr ukrainische Gläubige als früher Weihnachten bereits nach westlichem Muster am 25. Dezember. Traditionell feiern die orthodoxen Christen in der Ukraine aber das Weihnachtsfest wie ihre Glaubensgeschwister in Russland am 7. Jänner.

Kämpfe gehen weiter

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte für das Weihnachtsfest eine einseitige 36-stündige Waffenruhe ab Freitag angeordnet. Die Ukraine lehnte das Angebot allerdings ab, und beide Seiten meldeten am Freitag weitere Kämpfe entlang der Front und Luftangriffe in anderen Gebieten, wenngleich in geringerem Ausmaß als in den Tagen davor. Nach Einschätzung britischer Geheimdienste vom Samstag gingen die Kampfhandlungen an den Feiertagen unvermindert weiter. Eine der am härtesten umkämpften Gegenden sei weiterhin die um die Stadt Kreminna in der Region Luhansk, hieß es im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums.

Keine Waffenruhe in der Ukraine

Obwohl Russland eine Waffenruhe während des orthodoxen Weihnachtsfests angekündigt hat, gibt es nach wie vor Kämpfe in der Ukraine. Russland gibt an, ukrainische Drohnenangriffe auf der Halbinsel Krim abgewehrt zu haben.

Das russische Verteidigungsministerium räumte am Samstag ein, trotz der einseitig ausgerufenen Waffenruhe ukrainische Angriffe zu erwidern. „Alle Positionen der ukrainischen Armee, von denen aus Beschuss erfolgte, wurden von den russischen Streitkräften durch Erwiderung des Feuers niedergeschlagen“, sagte der Sprecher Igor Konaschenkow. Kampfhandlungen habe es in den Gebieten Donezk, Cherson und Saporischschja gegeben. Ungeachtet dessen behauptete Konaschenkow, Russland halte sich an die Feuerpause.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wertete den Beschuss als neuen Beleg dafür, „wie falsch jegliches Wort ist, das aus Moskau kommt“. Ukrainischen Angaben zufolge starben zwei Zivilisten beim Beschuss der Stadt Bachmut. „Die Welt konnte heute wieder einmal sehen, wie falsch jegliches Wort ist, das von welcher Ebene in Moskau auch immer kommt“, sagte Selenskyj am Samstagabend in seiner täglichen Videoansprache.

Putin allein in Kathedrale

Entgegen seiner sonstigen Gepflogenheiten wohnte Putin um Mitternacht dem Weihnachtsgottesdienst allein in der Mariä-Verkündigungs-Kathedrale im Kreml bei, wie auf vom Kreml verbreiteten Aufnahmen zu sehen war. In den vergangenen Jahren war es üblich, dass der russische Staatschef orthodoxe Weihnachtsgottesdienste in russischen Provinzen bzw. am Stadtrand von Moskau besuchte.

Wladimir Putin während der Weihnachtsmesse in Moskau
APA/AFP/Sputnik
Putin beging den Weihnachtsgottesdienst im Kreml solitär

In seiner am Samstag veröffentlichten Weihnachtsbotschaft hob Putin die Rolle der russisch-orthodoxen Kirche als bedeutender Unterstützerin seiner Politik hervor. Der russische Präsident nannte die kirchliche Hilfe für russische Soldaten im Krieg in der Ukraine, den er erneut als „militärische Spezialoperation“ bezeichnete. Putin erklärte, die russisch-orthodoxe Kirche leiste einen „enormen konstruktiven Beitrag“ zur Einigung der Gesellschaft und Bewahrung des historischen Andenkens sowie zur Erziehung der Jugend und Stärkung der Familie. Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill, beruft sich wie Putin auf eine Einheit Russlands und der Ukraine. Er unterstützt die von Putin befohlene Invasion der Ukraine.