Im Kongressgebäude schlugen die Demonstrierenden die Scheiben der Fassade ein und drangen in die Eingangshalle vor, wie am Sonntag im Fernsehsender Globo zu sehen war. Das Gelände um den Kongress wurde von den Behörden abgeriegelt.
Die Anhängerinnen und Anhänger Bolsonaros, die den Wahlsieg Lulas bei der Präsidentenwahl nicht akzeptieren, überwanden die Absperrungen. Videoaufnahmen örtlicher Medien zeigten, wie Menschen in den gestürmten Gebäuden Möbel zerstörten. Andere gelangten auf das Dach des Kongresses. Die Zahl der Protestierenden wurde auf etwa 3.000 geschätzt. Die Polizei setzte Tränengas ein, um sie zurückzudrängen.
Nach dem Angriff auf den Kongress zogen die Protestierenden zum obersten Gericht weiter. Sie hätten dort Scheiben eingeworfen und seien in die Lobby vorgedrungen, berichtete das Nachrichtenportal G1. Die Richterinnen und Richter hatten während der Amtszeit von Bolsonaro den ultrarechten Staatschef immer wieder in die Schranken gewiesen und werden von seinen Unterstützenden deshalb verachtet. Später zogen sie auch zum Regierungssitz Palacio do Planalto, wo sie das Gebäude teilweise verwüsteten, wie auf Videos zu sehen war.
Erinnerungen an US-Kapitol-Sturm
„Ich verurteile diese antidemokratischen Handlungen, die dringend mit der Härte des Gesetzes geahndet werden müssen“, schrieb Senatspräsident Rodrigo Pacheco auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. In dem Kongressgebäude befinden sich der Senat und das Abgeordnetenhaus.
Die Bilder weckten Erinnerungen an den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021. Im brasilianischen Kongress waren am Sonntag allerdings keine Abgeordneten im Haus. Brasiliens Präsident Lula hielt sich am Sonntag nach Angaben von Beamten im Bundesstaat Sao Paulo auf. Er war in die Stadt Araraquara gereist, um sich über die Folgen der schweren Unwetter in der Region zu informieren.
Scharfe Kritik von Lulas Arbeiterpartei
Die Chefin der regierenden Arbeiterpartei (PT) erhob schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen in der Hauptstadt Brasilia. „Die Regierung des Bundesbezirks war unverantwortlich angesichts der Invasion in Brasilia und im Nationalkongress“, schrieb Gleisi Hoffmann auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
„Das war ein angekündigtes Verbrechen gegen die Demokratie, gegen den Willen der Wähler und für andere Interessen. Der Gouverneur und sein Sicherheitsminister, ein Anhänger von Bolsonaro, sind für alles verantwortlich, was passiert“, so Hoffmann weiter.
Sicherheitschef entlassen
Der Sicherheitschef der Hauptstadt Brasilia, Anderson Torres, wurde entlassen. „Ich habe die Entlassung des Sicherheitsministers des Bundesdistrikts beschlossen und gleichzeitig alle Sicherheitskräfte auf die Straße geschickt, um die Verantwortlichen festzunehmen und zu bestrafen“, schrieb der Gouverneur des Bundesbezirks, Ibaneis Rocha, auf Twitter.
„Ich bin in Brasilia, um die Demonstrationen zu beobachten und alle Maßnahmen zu ergreifen, um die antidemokratischen Ausschreitungen im Regierungsviertel einzudämmen“, so Rocha.
Bolsonaro erkannte Lulas Wahlsieg nicht an
Bolsonaro hat seine Niederlage nie ausdrücklich anerkannt. Radikale Anhängerinnen und Anhänger des Ex-Militärs hatten bereits nach der Wahl immer wieder gegen Lulas Sieg protestiert und die Streitkräfte des Landes zu einem Militärputsch aufgerufen.
Entgegen den Gepflogenheiten hatte Bolsonaro nicht an der Amtseinführung seines Nachfolgers Lula am Neujahrstag teilgenommen und war mit seiner Familie in die USA geflogen. Vor seinem Abflug nach Florida wandte er sich an seine Anhänger und rief sie zum Kampf gegen Lula auf.