US-Präsident Joe Biden und sein Sohn Hunter Biden
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US-Präsidentensohn

„Hunter-Hasser“ nehmen neuen Anlauf

Die US-Republikaner haben lange auf diesen Moment gewartet. Nachdem sie bei den Zwischenwahlen im November letzten Jahres die Kontrolle über das Repräsentantenhaus zurückgewonnen hatten, versprachen sie auf ihrer ersten Pressekonferenz, die Auslandsgeschäfte des Präsidentensohnes Hunter Biden und mögliche Verwicklungen seines Vaters Joe darin zu untersuchen. Damit begeben sie sich allerdings auf unsicheres Terrain.

Die US-Republikaner hatten sich schon vor den vergangenen Präsidentschaftswahlen, eher erfolglos, auf Hunter Biden eingeschossen. Doch ihre neue Mehrheit und eine mögliche Wiederkandidatur des Präsidenten im kommenden Jahr sowie die seines 2020 unterlegenen Widersachers Donald Trump beflügeln erneut ihre Bemühungen. Rückenwind erhalten sie auch durch die Dokumentenaffäre des Präsidenten: Im früheren Büro und dem Privathaus von Joe Biden wurden in mehreren Tranchen als vertraulich eingestufte Regierungsunterlagen gefunden.

Zwar wird das Weiße Haus versuchen, die Affäre herunterzuspielen. Doch wenn der eingesetzte Sonderstaatsanwalt herausfinden sollte, dass die Dokumente aktuelle, sensible oder peinliche Geheimnisse enthalten, könnte es für Biden unangenehm werden – die Republikaner werden ihr Möglichstes dafür tun.

Noch vor Bekanntwerden der Vorwürfe formulierte es der führende republikanische Kongressabgeordnete James Comer im November so: „Der Grund, warum wir gegen Joe Biden ermitteln, ist, dass wir herausfinden wollen, ob der Präsident und das Weiße Haus durch die Millionen von Dollar, die seine Familie von unseren Gegnern in China, Russland und der Ukraine erhalten hat, kompromittiert sind.“ Und: „Die Beteiligung des Präsidenten an der Bereicherung seiner Familie ist, kurz gesagt, ein Missbrauch auf höchstem Niveau.“ Begleitend zur Pressekonferenz veröffentlichten die Republikaner einen 31-seitigen Zwischenbericht mit dem Titel „Ein kompromittierter Präsident“.

Umstrittene Ukraine- und China-Geschäfte

Hunter Biden sieht sich schon seit Langem mit Vorwürfen konfrontiert, die politische Karriere seines Vaters zu seinem Vorteil ausgenutzt zu haben. Im Mittelpunkt steht dabei seine Geschäftstätigkeit in der Ukraine und in China – sie reicht bis in die Zeit zurück, als sein Vater Vizepräsident unter Barack Obama (2009 bis 2017) war. Nach der russischen Annexion der Krim 2014 betraute Obama Biden mit den Ukraine-Agenden. Praktisch gleichzeitig zog sein Sohn in den Vorstand des gewichtigen ukrainischen Gasproduzenten Burisma ein. Hunter Biden verdiente dort laut „Guardian“ über einen Zeitraum von fünf Jahren mehr als 50.000 Dollar pro Monat.

Den Republikanern im Senat zufolge könnte Hunter Bidens Job zu einem Interessenkonflikt geführt haben. Vergangenes Jahr forderten mehr als 30 von ihnen, einem Staatsanwalt die Befugnis zu erteilen, eine Untersuchung über angeblichen „Steuerbetrug, Geldwäsche und Verstöße gegen die Auslandslobby“ durchzuführen. Beweise dafür, dass die US-Politik beeinflusst wurde oder dass Joe Biden selbst sich bereichert oder Gefälligkeiten erwiesen hätte, konnten sie allerdings nicht vorlegen.

Schon zuvor hatte der Ukraine-Job von Hunter Biden für Aufruhr gesorgt: Wie durch einen CIA-Whistleblower bekanntgeworden war, hatte Trump im Juli 2019 in einem Telefonat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gedrängt, Korruptionsermittlungen gegen Biden aufzunehmen. Trump wurde in der Folge vorgeworfen, US-Militärhilfe an diese „Bitte“ geknüpft zu haben. Nach Bekanntwerden wurde ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump eingeleitet, das aber durch die Republikaner im Kongress abgelehnt wurde.

Hunter Biden, seine Frau Melissa Cohen und Sohn Beau Biden
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Hunter Biden lebt mit seiner Frau Melissa Cohen, einer südafrikanischen Aktivistin, und Sohn Beau derzeit in Kalifornien

Laptop mit reichlich Sprengstoff

Auch aus China bezog Hunter Biden Beratergelder, als sein Vater noch Vizepräsident war. Umstritten ist aber vor allem ein Deal nach dessen Amtszeit: Im August 2017 gingen Joe Bidens Sohn und sein Onkel Jim Biden eine Kooperation mit dem Energie- und Finanzkonglomerat CEFC China Energy ein, die sich hauptsächlich um Investitionen in die Produktion von flüssigem Erdgas in Louisiana gedreht haben soll. Für ihre Dienste erhielten die Bidens damals 4,8 Millionen US-Dollar (4,5 Mio. Euro). Mit der Präsidentschaftskandidatur seines Vaters beendete Hunter Biden seine Dienste im Ausland.

Die Wirrnisse um ihn erhielten zusätzlichen Sprengstoff durch Daten von seinem Laptop. Im April 2019 soll Hunter Biden ihn im US-Bundesstaat Delaware zur Reparatur gebracht, aber nie abgeholt haben. Der Inhaber des Computershops, ein Anhänger des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, übergab den Laptop schließlich im Dezember 2019 dem FBI und beantragte eine Untersuchung des Inhalts. Zuvor hatte er zwei Kopien der Festplatte angefertigt, von denen eine im September 2020 in den Besitz von Trumps Anwalt Rudy Giuliani gelang.

Die Festplatte enthielt 217 Gigabyte an Daten, darunter 130.000 Textnachrichten, 154.000 E-Mails, über 2.000 Fotos und über 1.000 Videos, schrieb jüngst die französischsprachige kanadische Tageszeitung „La Presse“. Die konservative Boulevardzeitung „New York Post“ publizierte kurz vor der Präsidentschaftswahl 2020 einen Artikel über die „geheimen Biden-E-Mails“. Weil sie keinen unabhängigen Zugang zu den Daten erhielten, misstrauten seriöse US-Zeitungen der Geschichte, aus Angst vor gezielter Desinformation schränkten Twitter und Facebook die Verbreitung der Story ein.

Futter für „Twitter Files“

Wiederum ein gefundenes Fressen für die US-Republikaner. In ihrem Zwischenbericht von November hielten sie fest: „Die Geschichte von Hunter Bidens Laptop ist das beste Beispiel dafür, wie das parteiische Verhalten von Tech-Firmen demokratische Kandidaten bevorteilen und Wahlresultate beeinflussen kann.“ Der neue Twitter-Eigentümer Elon Musk sprang ihnen Anfang Dezember mit den „Twitter Files“ bei, die zeigen sollten, wie die „Unterdrückung der Meinungsfreiheit“ vor den Präsidentschaftswahlen funktionierte.

Dem Journalisten Matt Taibbi wurden im Auftrag von Musk interne Mails zugänglich gemacht, um den Hintergründen nachzugehen. Die Ergebnisse blieben spärlich, hatte der damalige Twitter-Chef Jack Dorsey doch bereits kurz nach der Laptop-Affäre nach reichlicher Kritik die Reaktion seines Unternehmens als falsch bezeichnet. Die Sperre wurde bald wieder aufgehoben, Twitter entschuldigte sich öffentlich für die Fehleinschätzung.

Auch der ehemalige Twitter-Manager Yoel Roth, der an regelmäßigen Treffen der größten Sicherheitsbehörden der USA teilnahm, sagte, es sei ein „Fehler“ gewesen, die Geschichte der „New York Post“ zu zensieren. Vermeintliche Bedrohungen über Desinformation und Hackingdrohungen im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen hätten zu der Entscheidung geführt.

Anwalt Kevin Morris
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Kevin Morris ist ein prominenter Unterstützer von Hunter Biden

US-Demokraten wappnen sich

Indessen bereitet sich das Biden-Lager laut „Washington Post“ bereits mit Nachdruck darauf vor, den Sohn des Präsidenten gegen den erwarteten Angriff der Republikaner zu verteidigen – allerdings mangle es an einer einheitlichen Strategie. So trete etwa Kevin Morris, ein Freund und Anwalt von Hunter Biden, dafür ein, aggressiver vorzugehen und Verleumdungsklagen gegen bekannte Kritiker anzustreben.

Morris, ein Hollywood-Anwalt und Romanautor, der mit prominenten Kunden und den Machern der Fernsehserie „South Park“ zusammengearbeitet hat, freundete sich 2019 mit Hunter Biden an, als sich der Sohn des Präsidenten nach eigenen Angaben von einer schweren Drogensucht erholte. Er soll angebliche Steuerschulden in Höhe von zwei Millionen Dollar für Biden beglichen haben – was Gegenstand von Ermittlungen ist.

Andere wiederum plädieren dafür, dass Hunter Biden und Morris sich aus dem Rampenlicht heraushalten sollten, damit sich die Demokraten darauf konzentrieren können, die Ermittlungen der Republikaner als rein parteipolitisch motiviert darzustellen. „Niemand hält diese Strategie, Hunter Biden in den Mittelpunkt zu stellen, für klug“, sagte ein an den Bemühungen beteiligter Demokrat der „Washington Post“. „Auch das Weiße Haus nicht.“

Aufarbeitung der Drogensucht

Ungemach droht dem Präsidentensohn auch von anderer Seite. Die Bundesbehörden ermitteln schon länger gegen ihn wegen Steuerhinterziehung und einer Falschdeklaration. Beim Kauf einer Pistole soll Biden junior 2018 seinen Drogenkonsum verschwiegen haben. Er kämpfte jahrelang mit schweren Suchtproblemen, konsumierte unter anderem Kokain und Crack.

Davon handeln auch Hunters Memoiren aus dem Jahr 2021, „Beautiful Things“. Darin schreibt er etwa: „Ich habe mir in den Straßen von Washington Stoff besorgt, in einem Hotel in L.A. Crack gekocht, und die fünfzig Meter zwischen dem Schnapsladen und meinem Apartment nicht mehr geschafft, ohne auf offener Straße die Flasche anzusetzen.“ Hunters Mutter und seine Schwester starben bei einem Autounfall, als er zwei Jahre alt war. Er und sein älterer Bruder Beau wurden verletzt. Beau Biden, damals Justizminister in Delaware, starb 2015 an einem Gehirntumor.

Risikospiel der Republikaner

Bidens Aufarbeitung seines Kampfs mit Alkoholismus und Drogenmissbrauch hat ihm auch Sympathie eingebracht. David Brock, Journalist, demokratischer Aktivist und Präsident von Facts First USA, einer neuen Gruppe, die sich gegen die Untersuchungen des Kongresses richtet, glaubt denn auch, dass ein konzertierter Angriff der Republikaner auf Hunter Biden nach hinten losgehen könnte.

„Jemanden zu verfolgen, der süchtig ist und psychische Probleme hat, ist sadistische Politik, und ich glaube nicht, dass das beim amerikanischen Volk ankommt“, sagte er dem „Guardian“. „Das Hunter-Hasser-Narrativ kursiert seit drei Jahren. Es hat außerhalb der extremen Rechten nicht wirklich an Zugkraft gewonnen, und ich glaube nicht, dass es das je wird.“

Auch als Künstler in der Kritik

Doch selbst Hunter Bidens neue Karriere als Künstler ruft Kritik hervor. Die Eröffnung seiner zweiten Einzelausstellung fand im Dezember statt, der Preis für das teuerste Gemälde wurde auf 225.000 Dollar festgesetzt. Biden wird von der Georges Berges Gallery in New York vertreten, die Berichten zufolge eine Vereinbarung mit dem Weißen Haus getroffen hat, um die Preise für die Kunstwerke festzulegen und nicht zu verraten, wer dafür geboten oder sie gekauft hat. Und so muss sich Hunter Biden erneut vorwerfen lassen, den Namen seines Vaters auszunutzen, um Karriere zu machen.