Schauspielerin Amelia Gray Hamlin
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Trend

Dämonenchic lehrt Modewelt das Fürchten

Ob Kylie Jenner, Amelia Hamlin oder Fiona Zanetti: Promis, Models und Influencer zeigen sich dieser Tage in düsterer Ästhetik. Die Augenbrauen sind gebleicht bis abrasiert, das Haar dunkel und die Kleidung schwarz. Im Modemagazin „Dazed“ ist dabei von dämonischem Chic die Rede. Der Trend geht Hand in Hand mit der Rückkehr eines umstrittenen Körperideals und der Abkehr vom Wellness-Hype.

Dass in der Mode eine Zeitenwende ansteht, war spätestens Ende 2022 absehbar. Augenbrauen sind plötzlich nicht mehr markant, sondern kaum sichtbar (oder strahlend blond). Zugleich führt an Gothic-Mode infolge des Hypes um die Netflix-Produktion „Wednesday“ kein Weg mehr vorbei. Und zu guter Letzt wären dann noch Debatten über Wangenfett-OPs und die Auferstehung des „Heroin-Chic“ (also des „Zu-dünn-Seins“).

Jene Trends gehen in dem von „Dazed“ beschriebenen und in sozialen Netzwerken omnipräsenten „Dämonen-Chic“ auf – also einer High-Fashion-Version von Goth, samt markanter Wangenknochen, gebleichter Brauen und schmollendem Gesichtsausdruck. Model Amelia Hamlin und Künstlerin Gabbriette haben es vorgemacht. Doch auch Reality-TV-Star Kylie Jenner scheint ihrem Instagram-Feed zufolge großer Fan der Ästhetik zu sein.

Popsängerin und It-Girl Gabbriette
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Verschlafener Blick, schwarzes Haar, ausgedünnte Augenbrauen: Künstlerin Gabbriette in düsterer Ästhetik

Angelina Jolie als Vorreiterin

„Die originale Blaupause für den Look stammt zweifelsohne von Angelina Jolie in den frühen Nullerjahren“, schreibt „Dazed“-Redakteurin Alex Peters, die sich an das „Born To Be Wild“-Editorial des Magazins „Elle“ aus dem Jahr 2000 erinnert sieht.

Darin abgebildet war Jolie, die in Stanley-Kubrick-Manier der Kamera entgegenblickt. Mit ihren dünnen Augenbrauen, hohen Wangenknochen, Schmollmund, Leder und Tattoos sei sie die „spirituelle Patentante“ von Hamlin und Co., so „Dazed“.

Der „Wednesday-Faktor“

Doch auch der Einfluss der vor einigen Wochen erschienenen Serie rund um die stets gut gekleidete Wednesday Addams (gespielt von Jenna Ortega) auf die Fashion-Welt ist unbestritten. Die Oscar-prämierte Kostümbilderin Colleen Atwood machte Addams mit viel Schwarz, ein wenig Weiß und klobigen Prada-Monolith-Schuhen über Nacht zur Modeikone.

Schauspielerin Ortega nascht an dem Hype freilich mit: Mal ist sie in schwarzem Versace-Slipkleid mit Schleier zu sehen, mal im schwarzen, bodenlangen Ledermantel, mal im schwarzen Hosenanzug und mal im transparenten – und ebenso schwarzen – Bodycon-Dress. Düstere Mode war zudem bei den Golden Globes (an „House of the Dragon“-Star Emma D’Arcy) und davor auf den Laufstegen von Gucci, Simone Rocha, Thom Browne und Rick Owens zu sehen.

Party statt Wellness?

Die Beliebtheit der dunklen bis makabren Ästhetik verdeutlicht vielmehr noch eine Wende in Sachen Lifestyle-Trends. Die mediale Glorifizierung von Wellness und „Self-Care“ scheint abzunehmen, vielmehr erfreuen sich Junge und Junggebliebene 2023 an durchzechten Partynächten und neuen (alten) Schönheitsidealen.

Das Trendforschungsunternehmen The Digital Fairy erwartete im Vorjahr, dass in der Beauty-Szene schon bald die Zeit des „Post-Wellness Party Girl“ eingeläutet werde: Tatsächlich bewegen sich die jüngsten Kosmetiktrends fernab der gepflegten „Clean Girl“-Optik. Augenringe werden betont und der Kajal verwischt. Das knüpfe „auch an den Siren-Eye-Trend und die Trends der ‚dunklen femininen Energie‘ an, die auf TikTok dominieren“, schreibt „Dazed“.

Debatte über Körperideal entfacht

Ein Blick auf Hollywood, Modemagazine und soziale Netzwerke offenbart darüber hinaus, dass fortan auch unnatürlich eingefallene Wangen und erschlankte Körper „in“ sind. Dem Hype um die Entfernung von Wangenfett – gesehen bei Schauspielerin Lea Michele und Model Chrissy Teigen – hatte etwa die „New York Times“ jüngst einen Artikel gewidmet.

Die „New York Post“ brach davor mit der Schlagzeile „Heroin-Chic ist zurück“ eine Debatte über problematische Schönheitsideale vom Zaun. Während Kritikerinnen und Kritiker für Body Neutrality (gemeint ist ein neutraler Blick auf den eigenen Körper) plädieren, sprießen auf TikTok „Body-Checking“-Clips (im Zuge derer Jugendliche ihre Körper mit anderen vergleichen) nur so.

Das ging zuletzt so weit, dass von Prominenten fragwürdige Empfehlungen für Diabetes-Spritzen ausgesprochen wurden, die Lieferengpässe des für Patienten mit Diabetes Typ 2 wichtigen Medikaments Ozempic zur Folge hatten.