Brasiliens Flagge spiegelt sich im zerstörten Fenster
Reuters/Ueslei Marcelino
Angriff in Brasilia

Suche nach Drahtziehern läuft

Nach dem Sturm radikaler Anhängerinnen und Anhänger von Brasiliens ultrarechtem Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro auf das Regierungsviertel in Brasilia hat Staatschef Luiz Inacio Lula da Silva versprochen, die Drahtzieher der Aktion zu fassen. Im Visier der Ermittlungsbehörden stehen offenbar bereits etliche Personen und Unternehmen, die im Verdacht stehen, die „Bolsonaristas“ unterstützt zu haben. In den USA werden indes Rufe nach einer Auslieferung Bolsonaros laut.

„Wir werden nicht aufgeben, bis wir herausgefunden haben, wer all das finanziert hat, was in diesem Land passiert ist“, sagte Lula am Montagabend (Ortszeit) nach einem Treffen mit den Vertretern der 26 Bundesstaaten und des Bundesdistrikts Brasilia. Einen „Waffenstillstand“ werde es nicht geben, wie Lula gegenüber Globo TV anfügte.

Lula traf zuvor mit den Spitzen von Kongress und Oberstem Gerichtshof zusammen. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten „die drei Gewalten der Republik, die Verteidiger der Demokratie und der Verfassung (…) die terroristischen Akte, den kriminellen und putschartigen Vandalismus“.

Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva mit Gouverneuren
AP/Eraldo Peres
Lula mit den Gouverneuren in seinem Amtssitz in Brasilia

Haftbefehle in mehreren Bundesstaaten

Bei den laufenden Ermittlungen wurden laut Brasiliens Justizminister Flavio Dino bereits etliche Haftbefehle ausgestellt. In zehn Bundesstaaten seien nach Angaben der Zeitung „Estadao“ Personen identifiziert worden, die im Verdacht stehen, „wirtschaftliche Verbindungen mit den Organisatoren des versuchten Staatsstreichs vom Sonntag in Brasilia zu unterhalten“. Die Verdächtigen sollen den Angaben zufolge unter anderem Busse finanziert haben, mit denen Bolsonaros radikale Anhängerschaft in die Hauptstadt Brasilia gebracht wurde.

Im Fokus der Ermittlungen stehen Medienberichten zufolge auch etliche brasilianische Unternehmen. O Globo berichtete von einer bereits über 100 Firmen umfassenden Liste der Bundesanwaltschaft. In einem nächsten Schritt könnten die Vermögenswerte der betroffenen Unternehmen auf Eis gelegt werden, so O Globo. Mit den Geldern sollen die beim Sturm auf das Regierungsgebäude, den Kongress und das Höchstgericht entstandenen Schäden beglichen werden.

Camps geräumt

Bereits am Tag nach den schwerwiegenden Vorfällen hatten die Sicherheitskräfte Protestcamps in Brasilia und anderen Städten geräumt. Allein in der brasilianischen Hauptstadt wurden dabei rund 1.500 Menschen vorläufig festgenommen. Nach einer Vernehmung sollte nach Angaben aus dem Justizministeirum entschieden werden, ob sie freigelassen oder in Untersuchungshaft genommen werden, teilte Justizminister Dino mit. Mütter von kleinen Kindern und ältere Menschen wurden laut Medienberichten in der Nacht auf Dienstag (Ortszeit) wieder auf freien Fuß gesetzt.

1.500 Verhaftungen in Brasilien

Nach dem Sturm von Bolsonaro-Anhängern auf Regierungsgebäude in Brasilien laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Rund 1.500 Beteiligte sind in Haft. Präsident Lula da Silva will jetzt die Drahtzieher zur Verantwortung ziehen.

Das vor dem Hauptquartier der Armee errichtete Zeltlager diente als Basislager für die Randalierer, die am Sonntag rund vier Stunden im Regierungsviertel gewütet hatten. Auch in Rio de Janeiro und Sao Paulo räumten Soldaten und Polizisten ähnliche Zeltlager. Zuvor hatte der Höchstrichter Alexandre de Moraes die Sicherheitskräfte angewiesen, landesweit Lager aufzulösen, die Anhänger des Ex-Präsidenten vor Armeestützpunkten errichtet hatten.

Tausende fordern Konsequenzen

In Sao Paulo gingen am Montagabend Tausende Menschen „zur Verteidigung der Demokratie“ auf die Straße und forderten die „Verhaftung der Putschisten“. „Diese Leute müssen bestraft werden. Die Leute, die das angeordnet haben, müssen bestraft werden. Und die, die das finanziert haben, müssen bestraft werden“, sagte etwa die 61-jährige Bety Amin. Die Leute, die den Kongress, das Höchstgericht und den Präsidentenpalast in Brasilia stürmten, würden Brasilien nicht repräsentieren.

Brasilien: Tausende fordern Konsequenzen

Einen Tag nach dem Sturm auf den Kongress in Brasilia durch Anhängerinnen und Anhänger des abgewählten Präsidenten Jair Bolsonaro haben Tausende in Sao Paulo Konsequenzen und eine harte Strafverfolgung gefordert.

Auf Bestrafung zu verzichten könne „kurzfristig Spannungen vermeiden, aber es verlängert die Instabilität“, so der Politologe Luis Felipe Miguel in einem Kommentar. Diese Lektion sollte das Land nach dem Ende der Militärdiktatur gelernt haben. Damals wurde entschieden, die für Morde und das Verschwinden von Menschen verantwortlichen Militärs nicht zur Verantwortung zu ziehen.

Bolsonaro weiter in USA

Ex-Präsident Bolsonaro befindet sich unterdessen weiter in den USA und wurde am Montag nach einem kurzen Spitalsaufenthalt wieder entlassen. Kurz nach dem Angriff auf die Institutionen Brasiliens durch seine Anhänger war der frühere Präsident Medienberichten zufolge in der Stadt Orlando im US-Bundesstaat Florida wegen starker Bauchschmerzen in einem Krankenhaus behandelt worden.

Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro
Reuters/Jair Bolsonaro
Bolsonaro postete am Montag ein Bild aus einem Spital in Florida

Bolsonaro befindet sich zusammen mit seiner Familie bereits seit Anfang des Jahres und damit zwei Tage vor dem Ablauf seiner Amtszeit in den USA. Zuletzt mehrten sich in den USA Rufe, Bolsonaro aus seinem selbst gewählten Exil nach Brasilien abzuschieben.

Weißes Haus: Noch kein Auslieferungsantrag

Die USA haben bisher keinen Auslieferungsantrag gegen den früheren Staatschef erhalten. „Uns hat bis jetzt kein offizielles Gesuch der brasilianischen Regierung bezüglich Bolsonaro erreicht“, sagte der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan am Montag bei einem Besuch von US-Präsident Joe Biden in Mexiko-Stadt. „Sollte ein solcher Antrag gestellt werden, nehmen wir ihn ernst.“

Bolsonaro war im Oktober dem Linkspolitiker Lula in der Stichwahl unterlegen und zum Jahreswechsel aus dem Amt geschieden. Bereits vor der Wahl hatte er immer wieder Zweifel am Wahlsystem gestreut. Beweise dafür legte er nie vor. Auch nach der Abstimmung erkannte er seine Niederlage nie ausdrücklich an. Mit dieser Vorgangsweise habe er, wie die dänische Zeitung „Politiken“ es ausdrückte, „den Boden für den Kongress-Sturm gedüngt, von dem er sich dann in letzter Minute distanzierte“.