Polizisten und Klimaaktivisten
AP/Michael Probst
Klimaproteste

Polizei räumt Lützerath

Der Räumungseinsatz für das von Klimaaktivisten und Klimaaktivistinnen besetzte deutsche Dorf Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier hat Mittwochfrüh trotz starker Proteste begonnen. Der erste Räumungstag verlief großteils friedlich und reibungslos, doch die Besetzer zeigten sich entschlossen zu bleiben. Während die deutsche Regierung die Räumung verteidigte, stellten sich Hunderte Prominente und Wissenschaftler hinter die Aktivisten. Bald will auch Greta Thunberg kommen.

In der Früh begann der Einsatz. Weil mit heftiger Gegenwehr gerechnet worden war, war ein Großaufgebot der Polizei angerückt. Zunächst kam es noch zu Rangeleien. Laut Polizei wurden ein Molotow-Cocktail, Steine und Pyrotechnik in Richtung der Beamten geworfen. Eine Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“ warf der Polizei einen überharten Einsatz vor. Laut Aktivisten wurden Personen in einem Polizeikessel verletzt. Einige Klimaschützer folgten aber auch der Aufforderung der Polizei und gingen freiwillig.

Bald stabilisierte sich die Lage, die Einsatzkräfte sperrten den gesamten Bereich ab, niemand kam mehr unbefugt auf das Gelände. Die Polizei begann damit, Aktivisten von Bäumen und Podesten zu holen. Dabei setzten die Beamten an verschiedenen Stellen Hebebühnen ein. Am Ortseingang von Lützerath begannen Bagger mit Abrissarbeiten. Auch eines der Ortsschilder von Lützerath wurde entfernt. Später warfen Beamte kleine Holzhäuser auf Stelzen um und setzten so die Räumung von Lützerath fort. Am Donnerstag soll der Einsatz weitergehen.

Am Mittwochnachmittag zog die Gewerkschaft der Polizei ein erstes positives Zwischenfazit. Das Einsatzkonzept der Polizei sei „bisher aufgegangen“, hieß es. Die gezielte Kommunikation habe zur Deeskalation der Lage beigetragen.

Polizeikräfte in Lützerath
Reuters/Christian Mang
Lange geplant, mit Sorge erwartet – Mittwochfrüh begann der Einsatz der Polizei

Protest soll weitergehen

Viele Klimaaktivisten wollen aber weiter Widerstand leisten: „Die Menschen sind fest entschlossen dazubleiben, auszuharren, die Bäume und die Gebäude zu schützen“, sagte Mara Sauer, eine Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“. Die verbliebenen Klimaaktivisten erklärten, unter anderem mit Menschenketten und Barrikaden den Einsatz behindern zu wollen.

Am Samstag ist erneut ein Protesttag geplant, zu dem sich auch Greta Thunberg angekündigt hat. In sozialen Netzwerken schrieb die schwedische Aktivistin, sie werde die Protestaktion in Lützerath am Samstag vor Ort unterstützen.

ORF-Analyse zur Situation in Lützerath

ORF-Korrespondent Andreas Pfeifer berichtet aus dem deutschen Dorf Lützerath.

Regierung verurteilte vereinzelte Ausschreitungen

Zu den vereinzelten Ausschreitungen am Mittwoch äußerte sich am frühen Nachmittag auch die deutsche Regierung: „Es gab heute Widerstand und auch Ausschreitungen bei der noch laufenden Räumung des Dorfes. Diese Gewalt verurteilt die Bundesregierung ausdrücklich“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. „Dafür haben wir kein Verständnis.“

Protest dürfe sich nur „friedlich und im Rahmen unserer Gesetze bewegen“, sagte Hebestreit. Die Polizei sei dafür da, geltendes Recht durchzusetzen. Regierungssprecher Hebestreit sagte, dass es zur Räumung von Lützerath eine „eindeutige Rechtslage“ gebe, „und die gilt es zu akzeptieren.“ Die letzten noch anhängigen Klagen gegen einen Abriss seien abgewiesen worden. „Insofern erwartet die Bundesregierung, dass das Recht eingehalten wird.“

Polizeikräfte in Lützerath
Reuters/Wolfgang Rattay
„Lützerath bleibt“, „Lützi lebt“ – das deutsche Dorf wurde zum Zentrum der Anti-Kohle-Bewegung

Habeck verteidigt Räumung

Auch der deutsche Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) verteidigte die Räumung: „Die leer gezogene Siedlung Lützerath, wo keiner mehr wohnt, ist aus meiner Sicht das falsche Symbol“, sagte er am Mittwoch. Andere Ortschaften in der Gegend würden nicht abgebaggert, die Menschen dort könnten bleiben. Der Kompromiss, der der Räumung zugrunde liege, schaffe im Westen zudem mehr Rechtssicherheit für den Kohleausstieg bis 2030.

Bisher habe es zum Glück nur Rangeleien zwischen Polizei und Demonstranten gegeben, ergänzte Habeck. „Lasst es dabei – von beiden Seiten.“ Es dürfe keine Gewalt geben. „Diese Grenze darf nicht überschritten werden.“ Es gebe gute Gründe für Demonstrationen, um mehr Klimaschutz durchzusetzen. Hier voranzukommen sei die große Aufgabe der Zeit. „Das tun wir auch.“

Polizei räumt besetztes Dorf Lützerath

Die deutsche Polizei hat begonnen, das von Klimaaktivisten und Klimaaktivistinnen besetzte Dorf Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier zu räumen. Einige der Protestierenden verließen das Dorf freiwillig, andere leisteten weiter Widerstand und wurden von der Polizei abgeführt. Es kam teils zu gröberen Rangeleien zwischen den Einsatzkräften und den Aktivistinnen und Aktivisten.

Hunderte Prominente und Wissenschaftler fordern Stopp

Rückhalt bekamen die Klimaschützer am Mittwoch von rund 200 Prominenten, die sich in einem offenen Brief für einen sofortigen Stopp der Räumungsarbeiten aussprachen. Das Abbaggern der Kohle in Lützerath sei „nicht nur eine Frage der Existenz eines Dorfs, sondern eine Causa, die von globaler und klimapolitisch richtungsweisender Bedeutung ist“, berichtete das Magazin „Der Spiegel“ am Mittwoch unter Berufung auf den Brief. Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gehörten Schauspielerinnen, Musiker und Influencerinnen.

In einem anderen offenen Brief forderten zudem 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zumindest einen Aufschub der Räumung. Konkret heißt es darin, es gebe wissenschaftliche Zweifel an der Notwendigkeit einer Räumung, vielmehr stehe die Förderung und Verstromung dieser Kohle einer am Pariser Klimaabkommen und dem europäischen Klimagesetz ausgerichteten Energiepolitik entgegen.

Aktivisten auf Holzgestellen in Lützerath
APA/AFP/Ina Fassbender
Hunderte Einsatzkräfte der Polizei befinden sich auf dem Gelände in Lützerath – doch die Aktivisten geben nicht auf

Dorf als Symbol für Klimaschutz

Der deutsche Energiekonzern RWE will das Dorf abreißen, um die unter der Ortschaft gelegene Braunkohle fördern zu können. Gegen die Pläne protestieren Klimaschützer, die das Dorf besetzt halten. Lützerath ist somit zu einem Symbol der Antikohlebewegung geworden.

RWE verwies darauf, dass der Kohleabbau notwendig sei, um die Braunkohlekraftwerke mit hoher Auslastung zu betreiben und damit Gas bei der Stromerzeugung in Deutschland einzusparen. Fachleute bezweifeln diese Behauptung.

Bergbau statt Siedlung

Die ursprünglich knapp 100 Einwohner des kleinen Ortes seien alle umgesiedelt. Wie RWE erklärte, soll am Mittwoch der Rückbau der Siedlung beginnen und diese anschließend „bergbaulich in Anspruch genommen werden“. Als eine der ersten Maßnahmen wurde ein gut anderthalb Kilometer langer Bauzaun aufgestellt.

Zudem würden nach und nach Bäume und Sträucher entfernt. Anschließend könne der nahe Tagebau Garzweiler damit beginnen, die Braunkohle für die Stromerzeugung in den Kraftwerken der Region unter dem ehemaligen Ort freizulegen.