Kampfsportler Jake Paul
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Fight um Milliardengeschäft

Skandal-Youtuber nimmt es mit UFC auf

Vom skandalumwitterten YouTube-Star zum umstrittenen Boxer – und nun mittendrin im Mixed-Martial-Arts-Milliardengeschäft: Der US-Amerikaner Jake Paul hat einen Vertrag mit der Professional Fighters League (PFL) unterschrieben. Mit seinem Engagement nehmen es die PFL und der 25-Jährige mit dem weltweit größten MMA-Veranstalter Ultimate Fighting Championship (UFC) auf. Dabei zielen sie auf die Achillesferse der UFC – die schlechte Bezahlung der Kämpferinnen und Kämpfer.

MMA erfreut sich in Österreich wachsender Beliebtheit. Im Vergleich zu anderen Sportarten führt der Vollkontaktkampfsport, bei der sich Techniken aus dem Standkampf wie Boxen und Kickboxen mit Bodenkampf (etwa Ringen und Jiu-Jitsu) mischen, allerdings noch ein Nischendasein. Dabei steht mit Aleksandar Rakic seit 2017 ein Wiener in der UFC unter Vertrag, wo er in seiner Gewichtsklasse (Halbschwergewicht) unter den Top Fünf liegt.

Global gesehen ist MMA groß im Kommen. Der weltgrößte Veranstalter ist die vor knapp drei Jahrzehnten gegründete UFC. 2021 feierte sie das erfolgreichste Geschäftsjahr ihrer Geschichte. Der Umsatz wuchs um 46 Prozent auf 5,1 Mrd. US-Dollar. Die Kämpfe im Oktagon, einem achteckigen Käfig, erreichen ein Millionenpublikum, brachen Pay-per-View-Rekorde und ziehen regelmäßig Prominenz aus der Film- und Musikbranche und Wirtschaftsgrößen an. Die UFC brachte Stars wie Khabib Nurmagomedow, Conor McGregor und Ronda Rousey hervor.

„MMA auf den Kopf stellen“

Mit Pauls Engagement steigt die PFL nun gewissermaßen gegen den Marktführer in den Käfig. Die Organisation entstand 2018 aus der Übernahme und Restrukturierung der World Series of Fighting. Gekämpft wird nach MMA-Regeln in einem zehneckigen Käfig. Anders als in der UFC gibt es in den jeweiligen Gewichtsklassen keine Ranglisten.

UFC 275-Kampf zwischen Walentina Schewtschenko und Taila Santos
Reuters/USA TODAY Sports/Paul Miller
Walentina Schewtschenko gegen Taila Santos (l.): Seit 2013 kämpfen auch Athletinnen in der UFC

Ein weiterer Unterschied liegt im Modus, der sich an US-Profiligen wie der National Football League (NFL) orientiert: Die Siegerinnen und Sieger einzelner Turniere treten zunächst in Play-offs gegeneinander an, am Ende der Saison werden die Titel in der jeweiligen Gewichtsklasse bei einem großen Abschlussevent ermittelt.

Paul wird in der PFL nicht nur sein Debüt als MMA-Kämpfer geben. Der US-Amerikaner und sein Geschäftspartner und Manager Nakisa Bidarian haben sich in die Organisation eingekauft und werden eine Super-Fight-Division starten, wie Paul in einem Video in sozialen Netzwerken verkündete. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm nicht: Es sei für ihn „an der Zeit, MMA auf den Kopf zu stellen“, wie er es bereits in der Boxwelt getan habe, erklärte er in dem Clip.

Mit Bidarian hat er dafür den ehemaligen obersten Finanzmanager der UFC an seiner Seite. Der Investor und Consultant gilt als Mastermind hinter dem 2016 erfolgten Verkauf der UFC an den Sportmedien- und Unterhaltungskonzern Endeavor. Vier Mrd. US-Dollar flossen damals bei einem der größten Deals der Sportgeschichte.

Faire Bezahlung und Duell gegen eine MMA-Legende

Zum Einstand stellt Paul Kampfsportfans ein besonderes Zuckerl in Aussicht: Im Video bot er UFC-Legende Nate Diaz (37) einen zweiteiligen Deal an. Geht es nach Paul, werden die beiden zunächst in den Boxring steigen, sechs Monate später soll es einen MMA-Kampf im Käfig geben. Diaz hatte sich im Vorjahr nach einer Schlammschlacht mit UFC-Chef Dana White aus der Organisation verabschiedet.

Auch für die großen Namen und aufstrebenden Talente im MMA-Kosmos hat Paul ein Angebot. Zum einen will er Kämpferinnen und Kämpfer auf seinen Social-Media-Plattformen promoten. Auf YouTube und Instagram hat der US-Amerikaner jeweils mehr als 20 Mio. Abonnenten.

Kampf der Professional Fighters League
AP/Matt Rourke
PFL-Kampf: Paul lockt die Topathletinnen und -athleten mit der Aussicht auf gute Bezahlung und Social-Media-Reichweite

Zum anderen kündigte er an, dass die Kämpferinnen und Kämpfer 50 Prozent der Einnahmen erhalten und im Outfit ihrer Sponsoren antreten dürfen. Mit den Versprechen zielt Paul auf die Achillesferse der UFC ab. Dort müssen sich die Athletinnen und Athleten mit weniger als 20 Prozent der Einnahmen zufriedengeben.

Getragen werden muss Ausrüstung der Kampfsportmarke Venum, des exklusiven Partners der UFC. „Ich lade alle die Top-MMA-Fighter, sowohl Männer als auch Frauen, ein, in die PFL zu kommen und einen Zahltag zu erleben, wie sie ihn noch nicht kannten“, so Pauls vollmundiges Versprechen.

Verbaler Schlagabtausch

Die schlechte Bezahlung der Athletinnen und Athleten sorgt seit Längerem für Kritik an der UFC. Im Jahr 2014 reichten mehrere ehemalige und aktive Kämpferinnen und Kämpfer in den USA eine Sammelklage gegen die Organisation ein.

Der ehemalige UFC-Finanzchef Nakisa Bidarian
IMAGO/PRiME Media Images/Alan Stanford
Bidarian: Der ehemalige UFC-Manager gilt als Mastermind hinter dem Verkauf der Organisation

Auch Paul griff das Thema wiederholt auf. Anfang 2022 erklärte er in zwei Tweets an White, seine Boxkarriere mit sofortiger Wirkung zu beenden und für einen Kampf in die UFC zu kommen. Seine „Bedingungen“ dafür lesen sich wie eine Anklage: Die UFC solle Athleten 50.000 US-Dollar pro Kampf zahlen, nicht nur 12.000, wie es bisher der Fall sei, sie zu 50 Prozent an den jährlichen Einkünften beteiligen und ihnen einen langfristigen Gesundheitsplan bieten.

UFC-Chef Dana White
AP/Icon Sportswire/Amy Kaplan
UFC-Chef White fand keine freundlichen Worte für seine ehemaligen Kollegen Bidarian und Paul

„Du hast einmal gesagt, Gehirnschäden seien Teil des Spiels … stell dir vor, die NFL würde so etwas sagen“, ätzte Paul, und wandte sich an die Sportlerinnen und Sportler: „Ihr verdient bessere Bezahlung, ihr verdient eine langfristige Gesundheitsversorgung und vor allem verdient ihr Freiheit.“ White schoss verbal zurück. „Niemand auf Erden glaubt, dass du das selbst geschrieben hast“, sagte er in einem Video. Dafür sei Paul schlichtweg „zu dumm“.

UFC unter Zugzwang

Eines hat Paul mit seinem Engagement in der PFL jedenfalls erreicht: Die UFC steht unter Zugzwang. Rund um den Jahreswechsel machten Spekulationen die Runde, UFC-Schwergewichtschampion Francis Ngannou könnte in die PFL wechseln. Der Kameruner hatte sich in der Vergangenheit mit seinem Vertrag unzufrieden gezeigt. Am Samstag teilte White mit, dass Ngannou aus seinem UFC-Kontrakt entlassen worden sei. „Wir haben Ngannou einen Deal angeboten, der ihn zum reichsten Schwergewichtler aller Zeiten gemacht hätte“, sagte White, „er hat abgelehnt“.

Bei der PFL trägt Paul nun den Titel als oberster Advokat für die Rechte der Kämpferinnen und Kämpfer. Wie ernst er seine Rolle nimmt, wird sich weisen. Ein nicht ganz unangenehmer Nebeneffekt für Paul ist die Politur seines Images.

Paul und sein Bruder Logan wurden vor zehn Jahren mit Comedy-Clips und Streichen auf der nicht mehr existierenden Plattform Vine bekannt. Mit demselben Konzept erarbeiteten sie sich auf YouTube ein Millionenpublikum. Ihre Karriere war von diversen Skandalen begleitet.

Zahlreiche Vorwürfe gegen Paul

Jake Paul war für kurze Zeit in der Disney-Serie „Bizardvaark“ zu sehen. Nach Partyexzessen in seinem Haus flog er aus dem Ensemble. Mitten in der Pandemie, im Juli 2020, sorgte Paul mit einer Hausparty für Empörung. Kritik gab es auch an Pauls Reaktion – er erklärte, Covid-19 für einen „Scherz“ zu halten.

Weiters wird dem US-Amerikaner vorgeworfen, bei seiner jungen Fanbase mit einem inhaltsleeren Lernkurs für angehende Influencer abkassiert zu haben. Im Jahr 2021 berichtete die TikTok-Influencerin Justin Paradise von einem sexuellen Übergriff Pauls auf sie, was der 25-Jährige zurückweist.

UFC-Boss White sieht sich ebenfalls mit Vorwürfen konfrontiert. Die Gossip-Plattform TMZ veröffentlichte ein Video aus der Silvesternacht, in dem zu sehen ist, wie der 53-Jährige während eines Streits in einem Nachtclub seiner Ehefrau Anne ins Gesicht schlägt, nachdem sie ihm zuvor eine Watsche verpasst hatte. White entschuldigte sich, einige UFC-Fighter gingen auf Distanz zu ihm.