Ein Gericht in der Türkei hat heute die Vorsitzende des türkischen Ärzteverbandes, Sebnem Korur Fincanci, wegen der angeblichen Verbreitung „terroristischer Propaganda“ zu einer Haftstrafe verurteilt. Das Gericht verurteilte die 63-jährige Medizinerin zu zwei Jahren, acht Monaten und 15 Tagen Gefängnis, wie türkische Medien berichteten.
Fincanci wurde im Anschluss an die Urteilsverkündung umgehend freigelassen. Haftstrafen von weniger als drei Jahren werden in der Türkei selten vollstreckt.
Fincanci saß seit dem 27. Oktober in Untersuchungshaft. Die renommierte Rechtsmedizinerin hatte eine Untersuchung eines mutmaßlichen Einsatzes chemischer Waffen durch die türkische Armee gegen kurdische Kämpfer gefordert. Staatschef Recep Tayyip Erdogan warf der Ärztin vor, „die Sprache des Terrorismus“ zu sprechen.
Der Prozess soll auch einem politischen Gegner Erdogans gemacht werden: Die Behörden reichten gegen den Bürgermeister von Istanbul und CHP-Politiker Ekrem Imamoglu eine Klage ein, wie der TV-Sender Habertürk berichtete. Imamoglu gilt als möglicher Gegenkandidat bei der Präsidentschaftswahl in fünf Monaten.
Die Justiz wirft Imamoglu vor, zu seiner Zeit als Bürgermeister des Bezirks Beylikdüzü bei einer öffentlichen Ausschreibung im Jahr 2015 betrogen zu haben. Bei einer Verurteilung drohen Imamoglu bis zu sieben Jahre Haft.