Eröffnungsfeier im Parlament
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Festakt, Musik und hoher Besuch

Parlament nach Sanierung feierlich eröffnet

Nach fünf Jahren Bauzeit sind die Abgeordneten mit einem feierlichen Festakt wieder in das frisch sanierte Haus am Ring gezogen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) öffnete am Donnerstag unter Beteiligung zahlreicher Gäste aus dem In- und Ausland die Pforten des Parlaments. Dominiert hat ein Motto: die Fahne des Parlamentarismus hochzuhalten.

Lange – länger als gedacht – hat die umfangreiche Sanierung des Parlaments gedauert. Am Donnerstag schließlich war es so weit: Das Haus am Ring öffnete offiziell seine Türen, der neue Abschnitt wurde mit einem gediegenen Festakt und musikalischer Untermalung durch Philharmoniker, Sängerknaben und Chormädchen zelebriert.

Sobotka, der den Umbau in den letzten Jahren verantwortete, sagte zum Auftakt im historischen Sitzungssaal sichtlich stolz: „Wir sind wieder daheim. Das Haus hat uns wieder, und wir haben unser Haus wieder.“ Er dankte allen, die dabei halfen, „dieses Jahrhundertprojekt“ umzusetzen.

Er dankte auch einer seiner Vorgängerinnen im Amt, der verstorbenen Barbara Prammer (SPÖ), die den Umbau in Auftrag gegeben habe, sowie der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), die die Umsetzung „beherzt“ in Angriff genommen habe. Auch die Architekten und die Parlamentsdirektion erhielten Sobotkas Lob und Dank „mit tiefem Respekt“.

Wolfgang Sobotka
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Sobotka empfing zahlreiche Gäste zur Eröffnungszeremonie im Parlament – im Bild mit Wolfgang Schäuble (l.) und Günter Kovacs (r.)

Erinnerung an Prammer

„Politisches Bewusstsein gestaltet sich seinen Raum“, so Sobotka. Das Parlament sei das bauliche Herz der Demokratie für alle Österreicherinnen und Österreicher. Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung solle im Parlament die Debatten prägen. „Unser Haus gibt der Demokratie Heimat und Identität“, so der Nationalratspräsident in seiner kurzen Eröffnungsrede, die mit viel Applaus quittiert wurde.

Parlament nach Sanierung feierlich eröffnet

Behutsam renoviert wurde der Reichsratssitzungssaal, in dem am Donnerstag der Festakt stattfindet. Auch der Nationalratssitzungssaal hat seinen 1950er-Jahre-Charme behalten. Die Technik ist nun auf dem neuesten Stand. Die auffälligste Neuerung ist eine Glaskuppel mit fast 30 Meter Durchmesser, die sich über den Nationalratssitzungsaal spannt.

Auch Bundesratspräsident Günter Kovacs (SPÖ) dankte allen Beteiligten, die an der Sanierung beteiligt waren, und auch er erinnerte an Prammer, die ein „klares Signal für den Parlamentarismus“ gegeben habe. Dieses Signal solle nun vom neu sanierten Haus weitergetragen werden. Kovacs strich besonders die Öffnung des Hauses hervor, etwa das neue Besucherzentrum, das eine Einladung für die Bürgerinnen und Bürger sei teilzuhaben. „Ich lade alle Menschen ein, machen Sie sich ein Bild von unserer Demokratie“, so Kovacs.

Lehrlinge geladen

Bures erinnerte an den Vertrauensverlust, der sich in den vergangenen fünf Jahren ergeben habe. Daher brauche es jetzt nach der Sanierung des Parlamentsgebäudes eine gründliche Sanierung des Vertrauens in die Demokratie und ihre Institutionen.

Die Zweite Nationalratspräsidentin klatschte einer besonderen Gruppe von Gästen Beifall, die sie zum Festakt eingeladen hatte: die Lehrlinge, die an der Sanierung beteiligt waren. „Ohne euch wäre das nicht möglich gewesen, deshalb gebührt euch unser Respekt und Anerkennung“, so Bures.

Das Parlament

Erbaut wurde das Parlament nach den Plänen von Theophil Hansen in den Jahren 1874 bis 1883. Nach schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde es bis 1956 von den Architekten Fellerer & Wörle wiederaufgebaut. Damals entstand der neue Sitzungssaal des Nationalrats.

Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) betonte, dass das Haus nun dem Souverän, den Bürgerinnen und Bürgern, übergeben werde. Die wenigsten hätten sich als Kind den Beruf als Politiker oder Politikerin gewünscht. Doch sei es eine große Ehre sowie Verpflichtung den Menschen gegenüber. Es gehe um das aufmerksame Zuhören und Respekt vor anderen Meinungen, das Gesamtwohl stehe im Vordergrund. „Das Gesamtwohl einer Demokratie entspringt einer lebhaften Diskussion, aber auch dem emotionalen Streit“, so Hofer. Dabei sei es auch wichtig, mitunter seine Meinung ändern zu können.

Fotostrecke mit 8 Bildern

Heinz Fischer und Alexander Van der Bellen
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Zur feierlichen Wiedereröffnung kamen zahllose Gäste aus dem In- und Ausland, Bundespräsident Alexander Van der Bellen saß mit Ehefrau Doris Schmidauer neben dem früheren „First Couple“, Heinz und Margit Fischer
Alexander Schallenberg, Werner Kogler und Karl Nehammer
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Auch die Regierungsspitzen waren anwesend: Hier Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Kanzler Karl Nehammer (ÖVP)
Prominente Gäste auf der Besuchertribühne im historischen Sitzungssaal
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Auch der Rest der Bundesregierung war vertreten: Frauenministerin Susanne Raab, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP), Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig sowie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP)
Ex-Kanzler Franz Vranitzky
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Viele frühere Würdenträger waren eingeladen, etwa Ex-Kanzler Franz Vranitzky (SPÖ) und Ex-Kanzlerin Brigitte Bierlein
Elisabeth Köstinger
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Und auch manche Ex-Ministerin war zu sehen, etwa Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP)
Franz Hörl
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Ihr Parteikollege, der Abgeordnete Franz Hörl (ÖVP), war auch dabei
Ex-Nationalratspräsiden Andreas Kohl
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Der frühere Nationalratspräsident Andreas Khol wohnte dem Festakt ebenso bei wie …
Der landeshauptmann des Burgenlandes, Hans Peter Doskozil
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… der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ)

Schäuble: „Ein Kulturdenkmal“

Die anschließende Festrede hielt der Ehrengast des Tages, der ehemalige Präsident des deutschen Bundestages, Wolfgang Schäuble. Es sei ihm eine große Ehre, in Wien, der Heimat Karl Poppers, sprechen zu dürfen. „Die Wiedereröffnung dieses grandiosen Parlamentsgebäudes, ohne Zweifel ein Kulturdenkmal, ist auch ein Fest für den Parlamentarismus, für die Demokratie.“ Er könne sich gut an den Parlamentsumzug von Bonn nach Berlin erinnern, so der längstdienende Bundestagsmandatar Deutschlands. Daher wisse er, dass diesem Unterfangen Anerkennung zu zollen sei.

Doris Bures zur Demokratie in Österreich

Die stellvertretende Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), die von 2014 bis 2017 selbst Nationalratspräsidentin war, sprach im ZIB2-Studiogespräch mit Armin Wolf darüber, wie es um die Demokratie in Österreich bestellt ist.

Nun lebten die Menschen im „Dauerkrisenmodus“, es gebe aber auch die Krise der Demokratie. Die Bürger entzögen ihren politischen Vertretern ihr Vertrauen, stimmten für populistische Vereinfacher oder wendeten sich ganz ab: „Das rührt am Kern unserer Demokratie.“ Jedenfalls erreicht werden müsse, dass die Bürger sich wieder besser vertreten und im demokratischen Prozess wieder fänden. Dabei sollten freilich nicht nur Lösungen präsentiert werden, die gut klängen.

Festrede von Wolfgang Schäuble (CDU)

Der ehemalige Präsident des deutschen Bundestages, Wolfgang Schäuble (CDU), hielt die Festrede zur Wiedereröffnung des österreichischen Parlaments.

Klagen über die Demokratie seien nicht neu, eher so alt wie die Demokratie selbst. Krisen führten aber nicht automatisch in den Verfall, mitunter führten sie auch zu notwendiger Anpassung. „Krisen sind deshalb auch immer Chancen.“ Das Motto „Semper reformanda“ – die Notwendigkeit zu ständiger Neuerung – sei auch auf die Demokratie anwendbar, so Schäuble.

Er sprach auch gegen automatische Negativzuschreibungen an und nahm dabei indirekt Partei für konservative Positionen etwa in Sachen schriftliches Gendern. Abschließend gratulierte Schäuble den österreichischen Mandataren zum neuen Haus und wünschte ihnen „viele glanzvolle Debatten“.

Zahlreiche Zaungäste

Bei der Veranstaltung waren zahlreiche prominente aktuelle und früherer Würdenträger zu sehen. Neben Bundesregierung, Nationalrats- und EU-Abgeordneten waren auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Ex-Kanzlerin Brigitte Bierlein, Ex-Kanzler Franz Vranitzky (SPÖ) und Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) anwesend. Auch der ehemalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) nahm Platz im Sitzungssaal, dessen Nachnachfolger als FPÖ-Chef, Herbert Kickl, musste am Donnerstag krankheitsbedingt passen.

Blick in den Plenarsaal
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Bis zum letzten Platz gefüllt war der historische Sitzungssaal bei dem Festakt

Sobotka lud zum Festakt auch eine ganze Reihe Vertreterinnen und Vertreter aus dem Ausland. Neben Schäuble nahmen auch hochrangige Parlamentsvertreterinnen und -vertreter aus Deutschland, Italien, der Schweiz, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn teil. Auch diplomatische Vertreter aller 26 anderen EU-Staaten waren eingeladen, erweitert um jene des Schengen-Raumes. Im Gegensatz zum Botschafter der Ukraine war jener Russlands nicht eingeladen.

Erstes Treffen der Parlamentarier im renovierten Plenarsaal
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Auch das neue Nationalratsplenum wurde von den Abgeordneten erkundet

Neue Technik und Barrierefreiheit

Der Startschuss für die Sanierung war im Sommer 2017 gefallen, wegen der Pandemie hatte sich die geplante Eröffnung jedoch mehrmals verschoben. Nun kehren der Nationalrat, der Bundesrat und die Beschäftigten des Parlaments in den Theophil-Hansen-Bau am Ring zurück. Insgesamt wurden 55.000 Quadratmeter Nettogeschoßfläche in dem denkmalgeschützten Haus saniert, 40.000 Quadratmeter Böden abgebrochen und samt Technikinstallationen neu verlegt, 740 Fenster und 600 Türen saniert sowie 500 Luster in Schuss gebracht.

TV-Hinweis

ORF III zeigt am Samstag um 20.15 Uhr die Dokumentation „Säule der Demokratie – Geschichte des Parlaments“.

Die Nutzfläche wurde um 10.000 Quadratmeter erhöht, durch neue Räume und ein 1.500 Quadratmeter großes Besucherzentrum im Erdgeschoß. Neu sind auch 800 Quadratmeter Gastronomiefläche und vier Terrassen mit insgesamt 400 Quadratmeter Fläche.

Verbessert wurden die Sicherheitstechnik und Infrastruktur. Auch für weitgehende Barrierefreiheit wurde gesorgt, heißt es. Mit 1,8 Mio. Euro wurde zudem für Kunst im Parlament gesorgt – und das nicht nur mit einem angemieteten, goldgeschmückten Bösendorfer-Flügel. Highlight des Umbaus ist aber freilich die große Glaskuppel über dem Plenum.

Fotostrecke mit 12 Bildern

Historischer Sitzungssaal im renovierten Parlament
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Im historischen Sitzungssaal, wo die Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat) tagt, ist das Parlament eröffnet worden
Plenarsaal im renovierten Parlament
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"Nur“ 75 der aktuell 183 Abgeordneten haben schon einmal im Gebäude an der Ringstraße gearbeitet
Plenarsaal im renovierten Parlament
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Die restlichen 108 Personen erhielten ihr Mandat während der Zeit im Ausweichquartier, in der Hofburg
Plenarsaal im renovierten Parlament
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Im Plenarsaal wurden mehrere Änderungen übernommen – so ist etwa grundsätzlich elektronische Abstimmung möglich
Plenarsaal im renovierten Parlament
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Dafür braucht es allerdings noch eine Gesetzesänderung, für die es unter den aktuellen Parlamentsparteien keine Einigung gibt
Bundesadler im Plenarsaal
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Der Wappenadler wurde in einer Werkstatt in Oberösterreich sorgfältig restauriert
Medienempfang im renovierten Parlament
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In mehreren Führungen durften sich Medien bereits ein erstes Bild vom sanierten Gebäude machen
Besucherzentrum im renovierten Parlament
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Das Besucherzentrum wurde neu konzipiert
Besucherzentrum im renovierten Parlament
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Laut Parlamentsdirektion soll das Besucherzentrum auch ein Ort des Erlebens sein
Kantine im renovierten Parlament
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Neben der Kantine (Bild) gibt es im sanierten Parlament das Restaurant Kelsen, in dem auch Besucher und Besucherinnen essen können
Medienraum im renovierten Parlament
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Vor der Eröffnung wurde der Medienraum freilich schon einmal getestet
Lokal für U-Ausschüsse im renovierten Parlament
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Für Untersuchungsausschüsse gibt es neue Lokale, in denen die Sicherheitsstufe besonders hoch ist

Tage der offenen Tür und Bundesländertour

Zum Abschluss sprachen am Donnerstag noch die Klubobleute der Parlamentsfraktionen August Wöginger (ÖVP), Pamela Rendi-Wagner (SPÖ), Sigrid Maurer (Grüne) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS). Kickl wurde von Erwin Angerer (FPÖ) vertreten. Dabei wurde weiterhin die Bedeutung des Parlamentarismus betont sowie der Wunsch nach respektvollem Umgang miteinander.

Debatte der Klubobleute im Plenarsaal des Parlaments
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Beim Gespräch der Klubobleute wurde respektvoller Umgang eingemahnt

Doch auch nach dem offiziellen Festakt gehen die Feierlichkeiten weiter. Am Samstag und Sonntag können Bürger und Bürgerinnen das Parlament besuchen. Außerdem fällt der Startschuss für die Wanderausstellung „Parlament on Tour“. Die interaktive Ausstellung über Parlamentarismus und Demokratie reist ab nächster Woche in die neun Bundesländer, der Beginn findet in Eisenstadt statt.