Mountain Pass Mine in Kalifornien, Vogelperspektive
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Energiewende

Das Rennen um „saubere“ seltene Erden

Nach dem Fund des bisher größten in Europa bekannten Vorkommens an seltenen Erden ist die Euphorie in Schweden und der EU groß: Die kritischen Rohstoffe seien für den grünen Übergang „absolut entscheidend“, zudem würde Europas Abhängigkeit von China reduziert werden. Obwohl die Metalle etwa für E-Autos und Windräder benötigt werden, steht deren Abbau wegen negativer Umweltfolgen aber auch in der Kritik. Nachhaltigere Methoden sind der Forschung bereits bekannt – eine breite Umsetzung fehlt aber noch.

Der Chef des staatlichen schwedischen Bergbauunternehmens LKAB, Jan Moström, erklärte bei der Präsentation des Fundes, es könne „mehrere Jahre“ dauern, das Vorkommen von über einer Million Tonnen an seltenen Erden und die Bedingungen zu erkunden, um es „profitabel und nachhaltig“ abzubauen. Das hänge auch von den Genehmigungen ab, sagte er bei der Pressekonferenz in der Bergbaustadt Kiruna.

Man sei sich der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Flächennutzung und den Auswirkungen bewusst, die mit der Erschließung der Mine einhergehen. Erst wenn diese analysiert worden seien, könne man einen Antrag auf Umweltprüfung stellen, so Moström. In jedem Fall würde der Fund ein „wichtiger Baustein für die Herstellung der kritischen Rohstoffe werden, die für den grünen Übergang absolut entscheidend sind“.

Mine in Schweden, Vogelperspektive
IMAGO/Imago Stock&people
In Nordschweden ist das bisher größte in Europa bekannte Vorkommen an seltenen Erden entdeckt worden

Seltene Erden werden in vielen technologischen Bereichen verwendet, etwa für Bildschirme, Legierungen in Akkus, Magneten, Gläser und Leuchtmittel. Vor allem aber gelten sie als Treiber der Energiewende: So enthalte ein Hybridfahrzeug bis zu zwölf Kilogramm seltene Erden, und die Permanentmagneten von Windturbinen könnten sogar bis zu zwei Tonnen seltene Erden benötigen, schreibt das deutsche Umweltbundesamt in einem Bericht.

Seltene Erden (SE)

Zu den seltenen Erden gehören die Elemente Cer, Praseodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium, Lutetium und das chemisch ähnliche Element Yttrium.

Wichtig für Energiewende, schlecht für Umwelt?

Der Abbau der seltenen Erden ist wegen seiner ökologischen Folgen allerdings umstritten. Denn die Metalle werden in riesigen offenen Gruben abgebaut, die die Umwelt verschmutzen und ganze Ökosysteme beeinträchtigen können. Bei unzureichender Regulierung könnten beim Abbau Abwasserteiche entstehen, die mit Säuren, Schwermetallen und radioaktivem Material gefüllt sind und ins Grundwasser gelangen können, schreibt die US-amerikanische Website ScienceNews.

Natürliche Vorkommen der seltenen Erden sind begrenzt und schwer zu erreichen, da sie oft sehr tief liegen. Die Aufbereitung des Roherzes in eine Form, die für die Herstellung von Magneten und anderen technischen Geräten geeignet ist, gilt als langwieriger Prozess, der große Mengen an Wasser und potenziell giftigen Chemikalien verbraucht und viel Abfall produziert. Eine der größten und wichtigsten Abbaustätten seltener Erden in China, die Bayan-Obo-Mine in Baotou, zählt laut ScienceNews zu den am stärksten verschmutzten Orten der Welt.

Satellitenbild der Bayan Obo Mine
1927 wurde die Bayan-Obo-Mine in China als Abbaustätte für Eisenerz eröffnet

BBC-Reporter Tim Maughan, der 2015 ein Projektteam in die Gegend um Baotou begleitete, bezeichnete das schwarze, giftige Füllbecken dessen, was als Abfallprodukt über Pipelines aus der Mine gepumpt wird, als „Hölle auf Erden“. Nicht nur die Arbeiter der Minen klagen über gesundheitliche Probleme, auch Bewohner der Region zeigen Symptome von Arsenbelastungen und Skelettfluorose. Die Sterblichkeitsrate durch Lungenkrebs ist deutlich erhöht, die Bezeichnung der Dörfer rund um Baotou als „Krebsdörfer“ sorgte international für Schlagzeilen.

Umweltfreundlicherer Abbau möglich

„Wir brauchen seltene Erden (…), um den Übergang zu einer klimasicheren Zukunft zu schaffen“, sagt Michele Bustamante, Nachhaltigkeitsforscherin beim Natural Resources Defense Council in Washington, gegenüber ScienceNews. Doch „alles, was wir beim Abbau tun, hat Auswirkungen auf die Umwelt“. Das Ausmaß könne man aber reduzieren, zitiert ScienceNews Thomas Lograsso, Direktor des Critical Materials Institutes.

Minenarbeiter trägt Sack
Reuters
Beim Abbau seltener Erden werden Arbeiter oftmals giftigen Stoffen ausgesetzt

Wissenschaftler vom Guangzhou Institute of Geochemistry haben etwa eine Methode entwickelt, um die Mengen eingesetzter Ammoniumsalze beim Abbau der seltenen Erden künftig drastisch zu verhindern. So könnten elektrische Felder die Gewinnung nachhaltiger machen. Sollte sich die Methode durchsetzen, könnten in den kommenden Jahren auch Regionen etwa in den USA oder Brasilien profitieren, schreibt die Website Heise.de.

Mehr Recycling gefordert

Auch in puncto Recycling orten Forschende großes Potenzial: Laut dem „Global E-waste Monitor“ landen pro Jahr 7,3 Kilogramm Elektroschrott pro Person auf dem Müll – darunter seltene Erden. Die verbauten Mengen in Computern, Handys und Monitoren seien allerdings so gering, dass das Recycling wirtschaftlich häufig nicht rentabel erscheine, heißt es auf der Wissenschaftsseite des deutschen Senders ARD.

Seltene Erden in beschrifteten Behältern
Reuters/Melanie Burton
Seltene Erden werden etwa für Magneten in Handys, Windturbinen und Elektrofahrzeugen eingesetzt

An der Rice-Universität in Texas haben Forschende eine Methode entwickelt, mit der seltene Erden und Metalle energieeffizient aus Industriemüll und Elektroschrott gewonnen werden können, schreiben sie im Fachmagazin „ScienceAdvances“. Durch den geringen Energiebedarf sei die Methode leicht skalierbar und habe das Potenzial, in Zukunft in großem Stil angewendet zu werden. Man habe aufgezeigt, dass die Methode funktioniere – jetzt müsste sie aber von Unternehmen aufgegriffen und entwickelt werden.

Auch in Österreich, etwa an der FH Krems, läuft derzeit in Kooperation mit tschechischen Forscherinnen und Forschern ein Projekt, um seltene Erden ohne umweltbedenkliche Abfälle zu recyclen. Aber auch die Bergbauunternehmen müssten bereit sein, in Veränderungen zu investieren, sagt Lograsso. „Wir wollen sicherstellen, dass die Wissenschaft und die Innovationen, die wir durchführen, von den Bedürfnissen der Industrie angetrieben werden, sodass wir hier keine Lösungen entwickeln, die niemand wirklich will.“

Seltene Erde „Yttria“ in Säcken
IMAGO/Xinhua/Imago Stock&people
Die seltene Erde Yttrium wird unter anderem für Fernseher, Energiesparlampen und Glas verwendet

Umweltfolgen und soziale Probleme nicht auslagern

Seit den 1990er Jahren wird die globale Produktion seltener Erden unangefochten von China dominiert. Nicht nur wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit, sondern auch aus Umweltgründen werden zunehmend Stimmen laut, diesem Monopol etwas entgegenzusetzen. Möglich wäre es: Rund zwei Drittel der globalen Vorkommen seltener Erden befinden sich außerhalb Chinas, etwa in Australien, Brasilien und den USA.

Es seien Chinas laxe Umweltstandards gewesen, die es dem Land ermöglicht hätten, seltene Erden zu etwa einem Drittel des Preises seiner internationalen Konkurrenten zu produzieren, so ein Bericht des in Washington ansässigen Institute for the Analysis of Global Security.

Minenarbeiter streuen Wasser
IMAGO/Lighthouse\UIG
Die Mountain-Pass-Mine ist die wichtigste Mine der USA für seltene Erden

Die sozialen und ökologischen Probleme, die mit dem Abbau seltener Erden einhergehen, würden bewusst ins Ausland verlagert werden, sagte auch der Geologe und Rohstoffexperte Jochen Kolb vom Karlsruher Institut für Technologie in Deutschland kürzlich gegenüber dem Westdeutschen Rundfunk (WDR).

Nachfrage nach seltenen Metallen steigt

Fest steht: Die Forschung rund um einen umweltfreundlicheren Abbau der seltenen Metalle wird wohl in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Denn laut der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, dürften Lithium und seltene Erden bald wichtiger als Öl und Gas sein. Allein die Nachfrage nach seltenen Erden werde sich bis 2030 wohl verfünffachen – unter anderem, weil die EU bis 2035 Neuwagen mit Verbrennermotor verbieten möchte.