Nach einem russischen Raketenangriff zerstörtes Hochhaus in Dnipro (Ukraine)
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Mehr als 20 Tote

Kiew nennt Angriff auf Hochhaus „Terror“

Nach dem russischen Raketenangriff auf ein mehrstöckiges Wohngebäude in der Stadt Dnipro sind bis Sonntag 25 Menschen tot geborgen und mehr als 70 verletzt gerettet worden, zahlreiche weitere werden noch vermisst. Die Ukraine zeigte sich entsetzt und nannte den Beschuss des zivilen Gebäudes „Terror“. Erneut ersuchte Kiew westliche Verbündete um die Lieferung weiterer schwerer Waffen.

Bis Sonntagvormittag seien 73 Personen verletzt aus den Trümmern des schwer beschädigten Wohnblocks in der viertgrößten Stadt der Ukraine gerettet worden, darunter 14 Kinder, hieß es. Über 40 Personen würden weiter vermisst, teilte der Zivilschutz mit.

Laut offiziellen Angaben wurden mehr als 230 Wohnungen in dem Gebäude beschädigt, 72 davon wurden bei dem Angriff am Samstag komplett zerstört. Etwa 3.450 Tonnen Schutt und 39 beschädigte Fahrzeuge wurden vom Schauplatz entfernt. Der Gebäudekomplex dürfte nicht vollständig bewohnt gewesen sein, da die Behörden am Sonntag von 100 bis 200 dort gemeldeten Personen sprachen.

„Terroristen, die bestraft werden, für alles“

Die Präsidialverwaltung in Kiew veröffentliche Aufnahmen von dem in Trümmern liegenden Gebäude. Der Leiter des Präsidialamts, Andrij Jermak, zeigte sich entsetzt. Die russischen Truppen im Land seien „Terroristen, die bestraft werden, für alles. Alle – ohne Ausnahme“, drohte Jermak. „Wir werden zurückschlagen.“ Der Feind ändere seine Taktik nicht und setze seine Schläge gegen die zivile Infrastruktur fort.

Nach einem russischen Raketenangriff zerstörtes Hochhaus in Dnipro (Ukraine)
APA/AFP/Vitalii Matokha
Der Gebäudekomplex wurde durch den Angriff praktisch völlig zerstört

Am Wochenende wurden laut ukrainischen und internationalen Medienberichten erneut zahlreiche Einrichtungen zur Energieversorgung angegriffen. Raketen hätten eine ganze Reihe derartiger Ziele in mehreren Städten getroffen, berichtete am Sonntag die BBC, darunter in den Großstädten Kiew, Charkiw und Odessa.

Ukraine: Raketenangriff auf Hochhaus

Nach einem russischen Raketenangriff auf ein Hochhaus in der ostukrainischen Stadt Dnipro sollen mehr als 20 Menschen getötet worden sein, es werden weitere Opfer unter den Trümmern vermutet.

Großbritannien prescht mit Panzerlieferung vor

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach wie der Leiter seines Präsidialamts von russischem „Terror“, der sich nur mit westlichen Waffen, auf die sein Land warte, stoppen lassen werde. In seiner täglichen Videobotschaft dankte Selenskyj am Samstagabend Großbritannien für die Zusicherung, der Ukraine insgesamt 14 Kampfpanzer des Typs Challenger 2 zu liefern.

Britischer Challenger-2-Panzer
APA/AFP/Getty Images/British Army/Pete Bristo
London sendet mit der Lieferung des Challenger 2 ein deutliches Signal an andere NATO-Länder

Großbritannien ist das erste Land, das Kiew moderne westliche schwere Kampfpanzer zur Verfügung stellt. Das sei ein Signal an andere Partner seines Landes, das auch zu tun, sagte Selenskyj. Bisher erhielt die Ukraine zwar Schützen-, Flugabwehr- und Radpanzer westlicher Bauart, bei Kampfpanzern aber nur Modelle ex-sowjetischer oder russischer Bauart, zumeist mittels Ringtausch von osteuropäischen NATO-Ländern, die dafür westliche Modelle erhielten.

Streitfrage Leopard 2

Vor allem drängt die Ukraine seit Wochen Deutschland, den modernen Leopard 2, in der Version A4 auch im Österreichischen Bundesheer im Einsatz und russischen Panzern technisch überlegen, zu liefern. Polen und Finnland wollen einige Leopard-Modelle aus deutscher Produktion zur Verfügung stellen. Die Bundesregierung in Berlin lehnt das bisher ab, innerhalb der „Ampelkoalition“ der Regierung aus SPD, FDP und Grünen ist das Thema umstritten.

Deutscher Panzer Leopard 2A7V
picturedesk.com/dpa/Philipp Schulze
Deutschland winkt beim Leopard 2 bisher ab, Polen und Finnland wollen angeblich liefern

Berlin will sich nicht drängen lassen

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will sich jedenfalls nicht drängen lassen, wie er erst zuletzt wieder bekräftigte – wohl aufgrund der Befürchtung, deutsche Panzerlieferungen könnten die NATO tiefer in den Konflikt in der Ukraine hineinziehen bzw. diesen weiter eskalieren lassen. Moskau sprach entsprechende Drohungen gegenüber London wegen der Lieferung des Challenger 2 aus. Deutschland lieferte bisher Flugabwehrpanzer des Typs Gepard, 40 Schützenpanzer vom Typ Marder sollen folgen, außerdem Artillerie-, Flugabwehr- und Radarsysteme.

Scholz hatte am Freitag „aufgeregte Stellungnahmen“ in der Debatte kritisiert und zu mehr Besonnenheit aufgerufen. Die „Notwendigkeit, alle zehn Minuten etwas sagen zu müssen“, dürfe nicht dazu führen, Entscheidungen, „die mit Krieg und Frieden zusammenhängen“, schlicht „mal so aus der Hand zu schütteln“, so Scholz in Berlin. Deutschland werde in Fragen der weiteren Unterstützung für Kiew „immer eng abgestimmt und koordiniert mit unseren Freunden und Verbündeten“ handeln, betonte er. Die Mehrheit der Deutschen sieht die Panzerlieferung kritisch.

Stoltenberg für Lieferung schwerer Waffen

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach sich unterdessen für die Lieferung weiterer schwerer Waffen an die Ukraine aus. „Die jüngsten Zusagen für schweres Kriegsgerät sind wichtig – und ich erwarte schon in naher Zukunft mehr“, sagte Stoltenberg dem „Handelsblatt“.

Instandsetzung mehr als „neu lackiert“

Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall kann nach eigenen Angaben Leopard-2-Modelle für die Ukraine frühestens bis 2024 instandsetzen. „Selbst wenn morgen die Entscheidung fällt, dass wir unsere Leopard-Panzer nach Kiew schicken dürfen, dauert die Lieferung bis Anfang nächsten Jahres“, sagte Vorstandschef Armin Papperger der deutschen „Bild am Sonntag“.

Der Konzern besitze 22 ausgemusterte Leopard 2 und 88 Stück des Vorgängermodells Leopard 1. Die Instandsetzung dauere ein knappes Jahr, sagte Papperger. „Die Fahrzeuge werden nicht nur neu lackiert, sondern müssen für einen Kriegseinsatz umgebaut werden. Sie werden komplett auseinandergenommen und dann wieder neu aufgebaut.“ Ohne Auftrag könne der Konzern die Panzer nicht einsatzfähig machen, da das mehrere hundert Millionen Euro koste. „Das kann Rheinmetall nicht vorfinanzieren“, sagte der Vorstandschef des Rüstungskonzerns.