Burgtheater in Wien
ORF.at/Roland Winkler
Fall Teichtmeister

„Viel zu späte Reaktion“ des Burgtheaters

Das Burgtheater habe „viel zu spät reagiert“. Das sagte Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak gegenüber Ö1 zur Causa Florian Teichtmeister, der sich im Februar aufgrund des Besitzes von Darstellungen von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen und Unmündigen vor Gericht verantworten muss. Die grüne Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer erneuerte ihr Versprechen, die Causa überprüfen zu wollen und nicht vor Konsequenzen zurückzuschrecken.

Der Argumentation des Burgtheaters, es habe keine arbeitsrechtlichen Möglichkeiten gegeben, die Unschuldsvermutung gegolten und Teichtmeister die Vorwürfe glaubhaft bestritten, kann Rechtsanwältin Körber-Risak nichts abgewinnen. „Eine Unschuldsvermutung gibt es im Strafrecht, hat aber nichts damit zu tun, wenn ich mich als Arbeitgeber mit einem möglichen Entlassungsgrund auseinandersetze“, betonte Körber-Risak im Ö1-Mittagsjournal.

Vielmehr gelte es, eine Interessensabwägung zu treffen – in diesem Fall einerseits die Pflichten der Geschäftsführung gegenüber dem Burgtheater und dessen Reputation, aber auch die Fürsorgepflicht gegenüber der Belegschaft; andererseits die Möglichkeit eines arbeitsrechtlichen Verfahrens wegen einer Entlassung oder einer Suspendierung. Sie wisse, so Körber-Risak, „in welche Richtung die Güterabwägung hätte gehen müssen“.

Die Arbeitsrechtsexpertin verwies auf den Artikel in der „Kronen Zeitung“ vom September 2021, in dem bereits von Hausdurchsuchungen zu lesen war, wenn auch ohne Namensnennung des Schauspielers. Das Burgtheater habe gewusst, um wen es gehe. Eine Hausdurchsuchung bedinge, dass es einen dringenden Tatverdacht gibt. „Und sobald ich das aus einer Zeitung weiß“, führte Körber-Risak aus, „muss ich als Arbeitgeber aktiv werden.“

Mayer: „Schreck mich nicht vor Konsequenzen“

Wenn es „um Missbrauch an Kindern und die Darstellung dessen“ gehe, dürfe es „keine Verharmlosung und keine Toleranz geben“, sagte Kunst- und Kulturstaatssekretärin Mayer am Montag Präsentation des Österreichbeitrages zur Kunstbiennale 2024.

Teichtmeister: Expertin kritisiert Burgtheater

Nach dem Bekanntwerden der Anklagen gegen den Schauspieler Florian Teichtmeister wird nun die Frage nach Verfehlungen innerhalb der Kulturbranche aufgeworfen. Laut einer Arbeitsrechtsexpertin hätte das Burgtheater Teichtmeister nicht mehr beschäftigen dürfen.

Sie wolle den Opfern „mein tief empfundenes Mitgefühl ausdrücken“ und verspreche, „dass wir alles tun werden, um sicherzugehen, dass auf allen Ebenen richtig im Sinne der notwendigen Sorgfaltspflicht gehandelt wurde“. Eine von Bundestheater-Holding und Burgtheater angeforderte Chronologie über Informationsflüsse, über daraus resultierendes Handeln und darüber, „wer wann welche Fragen gestellt hat“, werde man am Montag oder Dienstag erhalten und sich arbeitsrechtlich und gesellschaftsrechtlich genau ansehen, „ob richtig gehandelt wurde“, sagte Mayer am Montag.

Danach werde man sehen, „was für Schlüsse zu ziehen sind“. Darauf, welche Konsequenzen es geben könne, wenn eben nicht richtig gehandelt wurde, wollte sich Mayer nicht einlassen. „Aber ich schreck mich nicht vor Konsequenzen“, so Mayer. „Wichtig ist, dass wir für Transparenz stehen; dass wir keine Verharmlosung durchgehen lassen, keine Toleranz walten lassen.“

Ermittlungen wegen Gewalt und Suchtmitteln eingestellt

Ursprünglich war von der Staatsanwaltschaft Wien gegen Teichtmeister wegen fortgesetzter, gegen seine damalige Lebensgefährtin gerichteter Gewaltausübung (§ 107b StGB) und eines Suchtmitteldelikts ermittelt worden. Der Ermittlungsstrang wegen häuslicher Gewalt wurde eingestellt – „aus Beweisgründen“, wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, am Montag auf APA-Anfrage mitteilte.

Hinsichtlich der Drogen trat die Anklagebehörde gemäß § 35 Suchtmittelgesetz (SMG) vorläufig von der Verfolgung zurück, da es sich um eine geringe Menge handelte, die der Schauspieler ausschließlich für den Eigenbedarf besessen hatte.

In weiterer Folge erlangten die Strafverfolgungsbehörden dann Kenntnis von 22 Datenträgern mit sexuellen Darstellungen von Unmündigen und Minderjährigen, die sich Teichtmeister laut Strafantrag seit Februar 2008 bis August 2021 verschafft haben soll.

Rufe nach Gesetzesreform

Der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) und der Österreichische Frauenring zeigten sich unterdessen „zutiefst erschüttert über den Umgang“ mit dem Fall. Sie forderten eine Gesetzesreform.

Schneeberger (ORF Kultur) zur Causa Teichtmeister

Peter Schneeberger von der ORF Kultur analysiert die Causa Teichtmeister und ihre möglichen Folgen.

Kinder, die Opfer von Darstellungen sexueller Gewalt im Internet wurden, sollten „umfassende Schadenersatzansprüche gegen alle jene Personen stellen können, die solche Videos und Aufnahmen erzeugen und konsumieren“, hieß es. Skandalös sei die Reaktion des Umfeldes, der Arbeitgeber, der Politik, der Justiz: „Der – bereits geständige – Verdächtige wird lediglich als Süchtiger dargestellt, anstatt als Gewalttäter. Das ist eine weitere Verharmlosung der Gewalt und Täterschutz.“

Burgtheater setzte Stück ab

Bis zum Bekanntwerden der Vorwürfe in der Vorwoche war Teichtmeister noch auf der Bühne zu sehen. In der Burg spielte er in Daniel Kehlmanns „Nebenan“ die Hauptrolle. Das von Burgtheater-Direktor Martin Kusej inszenierte Stück wird abgesetzt, wurde am Montag mitgeteilt – mehr dazu in wien.ORF.at.

Schauspieler Florian Teichtmeister
APA/Florian Wieser
Teichtmeister muss sich im Februar vor Gericht verantworten

Teichtmeisters Anwälte hatten betont, der 42-Jährige sei im gesamten Ermittlungsverfahren geständig gewesen und habe immer mit den Behörden kooperiert. Auch befinde er sich seit zwei Jahren in psychologischer Behandlung. Für Medien wie das „profil“ stellte sich die Frage, wie Teichtmeister in dieser zweijährigen Therapiephase zu einem der meistbeschäftigten Schauspieler am Burgtheater werden konnte.

Abgesehen von „Nebenan“ stand Teichtmeister in Peter Handkes „Zdenek Adamec“ auf der Bühne und spielte den Caliban in „Der Sturm“. „Warum hakte offenkundig niemand nach, nachdem die Vorwürfe sogar in theaterferneren Kreisen bekanntgeworden waren?“, so das „profil“.

Reduzierte Rolle in „Die Toten von Salzburg“

Der ORF hat alle Produktionen, an denen Teichtmeister beteiligt war, aus dem Programm genommen. Auch der nur kurze Auftritt Teichtmeisters in der jüngst ausgestrahlten Folge der „Toten von Salzburg“ war bereits auf die zirkulierenden Gerüchte um den Schauspieler zurückzuführen. Die Produktionsfirma Satel hatte nach ersten medialen Berichten Gespräche mit Teichtmeister geführt, in denen dieser alle Anschuldigungen glaubhaft zurückgewiesen habe, hieß es am Montag.

Dennoch seien Satel, der ORF und Koproduktionspartner ZDF übereingekommen, „dass eine Weiterführung von Teichtmeisters Rolle in ‚Die Toten von Salzburg‘ im gewohnten Ausmaß nur stattfinden könne, wenn alle Vorwürfe offiziell entkräftet würden“, teilte der ORF mit.

Marie Kreutzers Sisi-Drama „Corsage“, in dem Teichtmeister Franz Joseph verkörpert, bleibt unterdessen Österreichs Kandidat für den Auslandsoscar 2023. Die Entscheidung teilten die Filmverantwortlichen und der zuständige Fachverband am Sonntag mit. Der Strafantrag gegen Teichtmeister sei erschreckend, man müsse diesen aber von der künstlerischen Leistung der Regisseurin und dem Film selbst trennen, hieß es.

Vereinzelte Distanzierungen bereits 2021

Der Wiener Regisseur Sebastian Brauneis, der 2018 mit Teichtmeister gedreht hatte, hatte sich bereits 2021 in einem Facebook-Posting von Teichtmeister distanziert, nannte ihn damals allerdings ebenfalls nicht beim Namen. Er habe sich damals aus einer „persönlichen Not heraus verhalten“, sagte Brauneis Montagabend im Interview mit der ZIB2. Er denke aber, dass eine Distanzierung und auch Ruhestellung von Engagements „bei einem derart schweren Tatbestand“ das Beste sei.

Regisseur Brauneis zum Fall Teichtmeister

Dass sich der Schauspieler Florian Teichtmeister wegen des Besitzes von Dateien mit sexuellen Darstellungen von Unmündigen und Minderjährigen vor Gericht verantworten muss und der Umgang damit, das sorgt für Diskussionen. Regisseur Sebastian Brauneis spricht im Interview zu den Vorwürfen.

Filmproduzent Dieter Pochlatko sagte in der ZIB1, dass er kurz nach einer Produktion mit Teichtmeister im Oktober 2021 von der Kriminalpolizei über Ermittlungen gegen den Schauspieler informiert worden sei. Es ging um Fotos, die Teichtmeister von einer minderjährigen Darstellerin gemacht haben soll. „Die Reaktion war sofort, dass Teichtmeister von der Liste gestrichen wurde, von der Einladungsliste, von öffentlichen Auftritten“, so Pochlatko. Man habe mit dem Künstler auch keine Promotion mehr gemacht. Diese Informationen über die Ermittlungen wurden jedoch nicht weitergegeben. „Das ist so heikel. Wenn man da mit Gerüchten herumspielt, das machen wir nicht.“

FPÖ kündigt parlamentarische Anfragen an

Die FPÖ kündigte unterdessen parlamentarische Anfragen zu diesem Thema an. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und seine Staatssekretärin hätten dringenden Aufklärungsbedarf, auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) seien gefordert. Auch ÖVP-Kultursprecherin Maria Großbauer forderte „eine lückenlose Aufklärung“ der Causa Teichtmeister und des Vorgehens der Burgtheater-Führung.