Mali kämpft seit zehn Jahren an der Seite ausländischer Streitkräfte gegen bewaffnete islamistische Kämpfer. Seit Malis Militär in zwei Putschen ab 2020 die Macht übernommen hat, ist das Verhältnis der Junta unter Oberst Assimi Goita zur internationalen Gemeinschaft allerdings angespannt.
Nachdem sich die Beziehungen zwischen Frankreich und der Militärjunta, die im Vorjahr nach einem Putsch die Macht übernommen hatte, zunehmend verschlechterten, zogen sich die französischen Streitkräfte aus Mali zurück. Das österreichische Bundesheer ist aktuell mit insgesamt zehn Soldaten an Mali-Missionen von EU (EUTM/8) und UNO (MINUSMA/2) beteiligt.
Nachdem die geplanten Wahlen in Mali ausgesetzt wurden, reduzierte die EU ihre Ausbildungsmission im westafrikanischen Krisenstaat jedoch drastisch. An die Stelle der westlichen Einsatzkräfte traten russische Söldner der Wagner-Gruppe, die das malische Militär ursprünglich in seinem Kampf gegen Islamisten unterstützen sollten.
Zahl der getöteten Zivilisten und Konflikte gestiegen
Diplomaten, Analysten und Menschenrechtsgruppen sind der Ansicht, dass die Extremisten, die mit al-Kaida und der Gruppe IS in Verbindung stehen, seit der Ankunft der Wagner-Söldner im Frühjahr nur noch stärker geworden sind. Darauf deuten auch aktuelle Statistiken hin: Laut dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) wurden seit Dezember 2021 mehr als 2.000 Zivilisten getötet, verglichen mit etwa 500 in den zwölf Monaten zuvor.

Mindestens ein Drittel der im letzten Jahr verzeichneten Todesfälle war auf Angriffe zurückzuführen, an denen die Wagner-Gruppe beteiligt war, so die von ACLED zusammengestellten Daten. „Sie töten Zivilisten und geben den malischen Sicherheitskräften durch ihre bloße Anwesenheit grünes Licht, ihren schlimmsten Neigungen nachzugehen“, sagte Michael Shurkin, Direktor für globale Programme bei der Beratungsgruppe 14 North Strategies des Atlantic Council.
CARE: Eine der größten vernachlässigten Krisen
Es wird zudem befürchtet, dass die russische Präsenz die ohnehin schon angeschlagene Region weiter destabilisieren wird. Laut der Hilfsorganisation CARE zählt die Situation in Mali zu den größten medial vernachlässigten humanitären Krisen des vergangenen Jahres. Neben den bewaffneten Konflikten würde mittlerweile zum überwiegenden Teil auch der Klimawandel dazu beitragen.
In Kampfgebieten berichten Frauen zudem über Fälle physischer, psychischer und sexueller Gewalt. Auch die ohnehin vorhandene Ernährungskrise in dem 21 Millionen Einwohner zählenden Land wird durch bewaffnete Konflikte aktuell weiter verschärft. 7,5 Millionen benötigen humanitäre Hilfe, 300.000 Kinder leiden unter akuter Unterernährung.

Bericht: Elf Millionen Dollar pro Monat für Söldner
Laut einem Bericht des Zentrums für Terrorismusbekämpfung der US-Militärakademie, der sich mit extremistischer Gewalt befasst, wurden bisher bis zu 1.000 Söldner in Mali eingesetzt. Für „Sicherheit und Ausbildung“ erhalte die Söldnergruppe monatlich fast elf Millionen Dollar (zehn Mio. Euro). In dem Bericht heißt es, dass die Söldner Schwierigkeiten hätten, nennenswerte Erfolge zu erzielen, da die Gewalt der Dschihadisten zunehme.
Während der Regenzeit zwischen Juni und September – eine Zeit, in der die Kämpfe normalerweise abflauen – habe es mehr als 90 Angriffe auf Zivilisten und das Militär durch eine extremistische Gruppe gegeben, verglichen mit sechs im gleichen Zeitraum des Vorjahres, so der Bericht. Bei einem Angriff auf eine Kaserne im August durch eine mit dem IS verbundene Gruppe seien mindestens 42 malische Soldaten getötet worden.
Blutiger Angriff in Moura
Bei ihrer Verfolgung islamistischer Kämpfer machen die Söldner laut Augenzeugenberichten oftmals keinen Unterschied zwischen islamistischen Kämpfern und unschuldigen Zivilisten – wie ein Vorfall Ende März in der 10.000-Einwohner-Stadt Moura in Mali zeigt. Bei dem blutigen Angriff trieben die malische Armee und die Söldner im März schätzungsweise 300 Männer in der Stadt zusammen und töteten sie.
Einige von ihnen wurden für islamische Extremisten gehalten, die meisten waren jedoch Zivilisten. In der Untersuchung wurden 27 Personen zitiert, darunter Zeugen, Händler, Gemeindeleiter, Diplomaten und Sicherheitsanalysten. Die Menschenrechtsverletzungen in Mali glichen laut Recherchen der „New York Times“ („NYT“) einem neuen Muster von Folter, Schlägen und Hinrichtungen, das sich zunehmend auch in anderen Ländern abzeichnen würde, in denen Wagner-Söldner im Einsatz waren.
Das malische Verteidigungsministerium meldete seinerzeit einen ähnlichen Vorfall, gab aber an, 203 „Terroristen“ getötet und 51 weitere festgenommen zu haben. „Es gibt zahlreiche Berichte über Menschenrechtsverletzungen in der gesamten Region, in der sie tätig sind“, sagte US-Außenministerin Victoria Nuland über die Wagner-Söldner. „Und wir befürchten, dass diese Kräfte nicht an der Sicherheit der Menschen in Mali interessiert sind, sondern daran, sich selbst zu bereichern und das Land auszuplündern, und dass sie die terroristische Situation verschlimmern.“
Laut Samuel Ramani vom Royal United Services Institute ist Russlands Terrorismusbekämpfung nicht nur in Afrika, sondern auch global nicht glaubwürdig. „Was wir wiederholt gesehen haben, ist, dass Russland und die Streitkräfte der Wagner-Gruppe viel besser darin sind, die autoritären Regime an der Macht zu halten, als tatsächlich Rebellen und terroristische Gruppen zu bekämpfen“, verwies Ramani auf deren begrenzte Kenntnis der Gebiete, angespannte Beziehungen zu niederrangigen Offizieren und eine starre Kommando- und Kontrollstruktur.
Militärjunta dementiert Involvierung Russlands
Alassane Maiga, Kommunikationschef der Militärjunta, sagte laut der Nachrichtenagentur AP einmal mehr, dass Wagner nicht im Lande operiere. Auf die Angriffe auf die Zivilbevölkerung angesprochen, sagte Maiga, die malische Regierung schütze ihre Bürger und deren Eigentum. „Die Schutz- und Sicherheitsmissionen der Armee werden unter Beachtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durchgeführt“, sagte er.
Die Wagner-Gruppe reagierte nicht auf Bitten um eine Stellungnahme. Bei einer Debatte des UNO-Sicherheitsrats vergangene Woche wies die stellvertretende russische Botschafterin Anna Ewstignejewa Versuche aus dem Ausland zurück, „die russische Hilfe für Mali zu beschmutzen“, wo Moskau ein bilaterales Abkommen zur Unterstützung der Übergangsregierung hat. Sie erwähnte die Wagner-Gruppe nicht.

Viele Malier geben an, dass sie Wagner mittlerweile verabscheuen, fürchten aber, dass sich nichts ändern wird, solange es nach der für Februar geplanten Wahl keine neue Regierung gibt. „Es liegt an den Maliern zu entscheiden, welche Schritte für die Rückkehr des Friedens in Mali unternommen werden sollen“, sagte Seydou Diawara, Leiter einer Oppositionsgruppe. „Gewalt und Druck der internationalen Gemeinschaft auf das Militär können die Sicherheitslage und die humanitäre Situation nur verschlechtern.“
Für umstrittene Methoden bekannt
Die Gruppe Wagner war 2014 gegründet worden. Sie hat unter anderem Tausende Gefängnisinsassen für den Krieg in der Ukraine rekrutiert, im Gegenzug für Strafminderung. Über Jahre hatte der Kreml die Existenz von Wagner erst bestritten, dann behauptet, der russische Staat habe mit der Gruppe gar nichts zu tun. Erst seit einigen Monaten tritt der Putin-Vertraute Jewgeni Prigoschin offensiv als Chef der Organisation in Erscheinung. Er geht etwa in russischen Gefängnissen ein und aus, um dort Gefangene für den Krieg anzuwerben.
Die Methoden der Wagner-Söldner stehen international jedoch bereits seit Jahren in der Kritik. Seit 2014 waren die Söldner in mehreren Ländern, die für Russland von strategischem und wirtschaftlichem Interesse sind, aktiv – neben Mali etwa auch in Syrien, im Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik. Ihnen wurden wiederholt schwere Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.