Wüste und Meer
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Energiespeicher Ozean

Meereshitze mit Folgen bis nach Österreich

Das vergangene Jahr hat nicht nur auf europäischem Boden Temperaturhöchstwerte gebracht, auch der Wärmegehalt der Ozeane war seit Messbeginn 1955 noch nie so hoch – mit drastischen Auswirkungen auf das Weltklima. Die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Ozean sind auch für ein Binnenland wie Österreich spürbar.

Nicht nur an Land, auch in den Weltmeeren verursacht die Erderhitzung immer neue Temperaturhöchstwerte. Im Vergleich zum Schnitt von 1981 bis 2010 hat sich die Meereshitze um über 200 Zettajoule erhöht. Denn die Meere nehmen mehr als 90 Prozent der überschüssigen Wärme, die sich im Klimasystem ansammelt, auf.

Ein internationales Team von 24 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat Daten der US-Klimabehörde NOAA sowie des Instituts für Atmosphärenphysik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) ausgewertet. Die Werte für 2022 setzen den stetigen Anstieg der Meerestemperaturen fort: Seit den 80er Jahren steigt der Wärmegehalt in den Meeren besonders stark an, die Geschwindigkeit der Erwärmung hat sich seitdem mindestens verdreifacht.

Grafik zur globalen Erwärmung der Ozeane
Grafik zur globalen Erwärmung der Ozeane
NOAA NOAA
Seit 1955 hat sich der Wärmegehalt der Ozeane stark erhöht, die Meerestemperaturen steigen. Zum Vergleichen blauen Button nach links oder rechts verschieben.

Das sei auf die zunehmende Konzentration von Treibhausgasen zurückzuführen, schreiben die Autorinnen und Autoren: „Der unaufhaltsame Anstieg der Meerestemperaturen ist das unvermeidliche Ergebnis des Energieungleichgewichts auf der Erde, angetrieben durch die Treibhausgasemissionen“, heißt es in der Studie, die im Fachblatt „Advances in Atmospheric Sciences“ veröffentlicht wurde.

Zentraler Messwert des Treibhauseffekts

Die Aufzeichnungen zum Wärmegehalt der Ozeane bilden einen zentralen Messwert zum Erfassen der Klimakrise, denn der Meereshitzegehalt sei weniger von internen Klimaschwankungen beeinflusst, erklären die Forschenden in der Studie. „Es ist eine Größe, an der sich der menschengemachte Treibhauseffekt noch besser ablesen lässt als an der Temperatur der Erdoberfläche“, erklärt auch Leopold Haimberger vom Institut für Meteorologie und Geophysik an der Universität Wien.

Neben dem Wärmegehalt ist auch der Salzgehalt eine ausschlaggebende Größe, um zu messen, wie sich die Klimakrise auf die Ozeane auswirkt und umgekehrt. So stellten die Forschenden im Zuge der Studie auch fest, dass Regionen, die bereits einen hohen Salzgehalt aufweisen, noch salziger werden. Umgekehrt verlieren Regionen, die weniger salzig sind, an Salzkonzentration.

Rückkopplungseffekt durch Schichtenbildung der Meere

Die Erwärmung und Versalzung der Meere wirkt sich wiederum maßgeblich auf den Austausch von Wärme, Sauerstoff und Kohlendioxid mit der Atmosphäre aus. Normalerweise findet ein regelmäßiger Austausch der Wassermassen statt, kaltes Wasser sinkt in die Tiefe, warmes Wasser steigt auf. Durch die Erwärmung kommt es zu einer Schichtenbildung in den Meeren, das Wasser vermischt sich nicht mehr.

Das führt zu einer Art Rückkopplungseffekt: Die Oberflächentemperatur steigt, wodurch sich auch die Atmosphäre erwärmt. Die vom Klimawandel ausgelöste Schichtbildung verstärkt diesen zusätzlich. Von 1960 bis 2018 hat diese Schichtenbildung der Meere um mehr als fünf Prozent zugenommen.

Eine Koralle wird vermessen
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Korallenbleiche ist eine der Folgen der Meereshitze und der Versauerung der Ozeane

Neben der Wärme nehmen die Ozeane auch rund ein Drittel des zusätzlichen Kohlendioxids aus der Atmosphäre auf – nicht ohne Auswirkungen auf Meeresökosysteme wie Korallenriffe. Denn nur wenige Korallen überleben eine derartig erhöhte Konzentration an CO2, bereits im Jahr 2035 könnte die Hälfte aller Korallenriffe verschwunden sein.

Mehr Regen, weniger Schnee

Generell gehe dem Meer Sauerstoff verloren, heißt es in der Studie. Das sei „ein Alptraum, nicht nur für das Leben und die Ökosysteme im Meer, sondern auch für Menschen und unsere Ökosysteme an Land“, erklären die beteiligten Forscherinnen und Forscher. So war 2022 für ein Viertel der Menschheit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, wie das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus festgestellt hat.

Durch steigende Meerestemperaturen häufen sich zudem Extremwetterereignisse – und das auch in Österreich. „Wenn sich die oberen Wasserschichten erwärmen, kann mehr Wasser verdunsten, und das bedeutet wiederum intensivere Niederschlagsereignisse“, so Haimberger im Gespräch mit ORF.at. Auch in Österreich seien das Mittelmeer, die Ostsee und der Atlantik nicht weit entfernt.

Indirekt wirkt sich die Erwärmung der Meere auch auf die Schneegrenze aus: „Wenn die Ozeane warm sind, ist tendenziell auch die Luft darüber wärmer. Die niederschlagsbringenden Luftmassen, die an die Alpen herangeführt werden, sind also wärmer, und dann fällt der Niederschlag tendenziell eher als Regen bis in höhere Schichten hinauf“, skizziert Haimberger.

Dass durch wärmeres Wasser weniger Kohlenstoffdioxid im Ozean gespeichert werden kann, betrifft im Grunde alle Länder, so auch Österreich: „Wenn der Ozean warm ist, kann er weniger Kohlenstoffdioxid aufnehmen, es verstärken sich dadurch die Effekte des CO2-Ausstoßes“, so der Experte.

Was passiert, wenn der Energiespeicher kippt

Klimaveränderungen – an Land und im Wasser – könnten ab einem gewissen Punkt zu unaufhaltsamen Kettenreaktionen führen, durch die sich die Erderhitzung unkontrollierbar verstärken würde. Denn verschiedene Regionen und Ökosysteme, die zu kippen drohen, sind eng miteinander verbunden. Diese Klimakipppunkte beschreiben die irreversiblen Auswirkungen der Erderhitzung auf das Klimasystem. Sobald ein Kipppunkt eines Systems überschritten ist, ordnet sich das System neu – auch das Klimasystem.

Grafik zu den Kipppunkten im Klimasystem
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Nature
Durch die Erderhitzung drohen einige Regionen und Ökosysteme zu kippen

Als Energie- und CO2-Speicher ist der Ozean gewissermaßen der Motor und Mediator des Klimas. So hängen wärmere Ozeane auch direkt mit dem Meeresspiegelanstieg zusammen, das Volumen des Meeres dehnt sich durch die Erwärmung aus. Aber auch das Schmelzen von Eiskörpern wird durch die Meereshitze gefördert. In direktem Zusammenhang mit der Erderhitzung stehen außerdem die Verlangsamung der atlantischen Umwälzströmung und das Korallensterben.

„Beispielsweise Grönland ist natürlich auch massiv von der Erwärmung der Ozeane betroffen“, weiß Haimberger. Wärmeres Wasser in der Nähe der Insel führe dazu, dass es öfter regne, wodurch das Eis schneller schmelze. „Bei den Gletschern ist es genauso“, ergänzt der Experte.

Ruf nach Solidarität in allen Bereichen

Laut Internationaler Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) sind derzeit rund acht Prozent des Ozeans von Meeresschutzgebieten bedeckt. Besonders die Hohe See werde oftmals als rechtsfreier Raum interpretiert, schreibt das Climate Change Center Austria (CCCA) in einer Aussendung. Es gebe eine Kluft zwischen Staaten des Globalen Nordens und Südens – in vielen Bereichen.

Die USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan und Südkorea verfügten etwa über die nötigen Infrastrukturen und wissenschaftlichen Daten, die es brauche, um etwa Meeresschutzgebiete zu verwalten und Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen. Aber auch die Verteilung wirtschaftlicher Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, ist ungleich – ebenso wie der Forschungsstand selbst.

Grafik zeigt Daten zum Klimafußabdruck nach Einkommen weltweit
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Nature Sustainability

Etwa der Südatlantik habe bisher nur einen Bruchteil der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit erhalten, die dem Nordatlantik zuteilwerde, schreibt Regina Rodrigues, Professorin für physikalische Ozeanografie und Klima an der brasilianischen Universität Santa Catarina in Carbon Brief. Unter anderem, weil der Ozean von Ländern mit niedrigeren Einkommen umgeben sei, die die hohen Kosten der ozeanografischen Forschung nicht finanzieren könnten.

Doch der Südatlantik wirkt sich direkt auf das Klima vieler südamerikanischer und afrikanischer Länder aus und kann zu extremen Ereignissen wie Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen führen, die für Millionen von Menschen Wasser- und Ernährungsunsicherheit mit sich bringen.

Auch Veränderungen der Meere durch die Klimakrise gehen also Hand in Hand mit sozialen Fragen. Es sind die ärmsten Länder, die am wenigsten zur Erderhitzung beitragen, die die Auswirkungen aber am deutlichsten und frühesten zu spüren bekommen. Österreich solle daher auch als Binnenland mit der Bevölkerung der Länder, die unmittelbar von der Erwärmung der Meere betroffen sind, Solidarität zeigen, so Haimberger. Auch weil Österreich die Erd- und Meereserhitzung mit all ihren Auswirkungen bereits selbst erlebt.