„Warum tun Sie Serbien das an? Warum rufen Sie von Wagner dazu auf, obwohl es gegen die Vorschriften verstößt?“, fragte Vucic laut der Nachrichtenagentur Beta in einem am Montagabend ausgestrahlten TV-Interview. Die umstrittene Werbung war in diesem Monat im serbischen Ableger des russischen Staatssenders RT ausgestrahlt worden. Darin rief die Söldnertruppe Serben dazu auf, in der Ukraine zu kämpfen.
Eine kleine Anzahl an Serben hat an der Seite der von Russland unterstützten Kräfte in der Ukraine gekämpft, nachdem Moskau die ukrainische Halbinsel Krim im Frühjahr 2014 annektiert hatte. Eine genaue Zahl haben die Behörden bisher nicht veröffentlicht. Am Dienstag veröffentlichte die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti Aufnahmen, die zwei serbische Staatsbürger zeigen sollen, die an einem Waffentraining in der Ukraine teilnehmen.

Serbien trägt die Sanktionen des Westens gegen Russland nicht mit, auch wenn Vucics Regierung die Invasion in der Ukraine verurteilt hat.
Kreml: Kein Konflikt mit Wagner-Gruppe
Erst zuletzt waren Spannungen zwischen dem Kreml und der Gruppe Wagner in der Ukraine sichtbar geworden – diese wurden später von Moskau bestritten. Die Streitigkeiten seien ein Erzeugnis der Medien, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag. Der Konflikt zwischen den Söldnern und der russischen Armee „existiert nur im Nachrichtenraum“, so Peskow.
„Sie (die Heimat) kennt auch ihre Helden, die in unseren Streitkräften dienen und dort Heldenwunder vollbringen, und sie kennt die Helden von Wagner! Die einen wie die anderen werden uns für immer im Gedächtnis bleiben", wurde der Kreml-Sprecher zitiert. Alle würden für „ihr Vaterland kämpfen“.

Die von zahlreichen Beobachtern festgestellten Unstimmigkeiten zwischen der russischen Armee und der Söldnergruppe Wagner waren in den vergangenen Tagen während des Kampfes um die ostukrainische Stadt Soledar jedoch deutlich zutage getreten: Der Chef der Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hatte mehrmals behauptet, in der Stadt kämpften ausschließlich seine Einheiten gegen die ukrainischen Streitkräfte – und nicht auch die Soldaten der russischen Armee.
Blogger kommentierten öffentlichen Streit
Als Prigoschin am Mittwoch die Einnahme Soledars meldete, widersprach das russische Verteidigungsministerium zunächst und meldete zwei Tage später selbst die Einnahme. Prigoschin veröffentlichte im Anschluss eine Botschaft, in der er diejenigen attackierte, „die ständig versuchen, unsere Siege zu stehlen“.
In einem seltenen Schritt lobte das russische Verteidigungsministerium daraufhin in einer öffentlichen Erklärung den „Mut“ der Wagner-Kämpfer in Soledar. Der offensichtliche Streit wurde von russischen Militärbloggern ausführlich kommentiert. Viele von ihnen unterstützen die russische Militäroffensive in der Ukraine, kritisieren aber die Art, wie sie geführt wird.
Spannungen „Produkt von Informationsmanipulationen“
Jegliche Informationen über die Spannungen zwischen der russischen Armee und der Gruppe Wagner seien „das Produkt von Informationsmanipulationen, die teils das Produkt unserer Feinde und teils unserer Freunde sind“, ruderte Kreml-Sprecher Peskow nun zurück. Zuvor hatte der erneute Kommandowechsel innerhalb des russischen Verteidigungsministeriums bereits für Spekulationen gesorgt. Denn zum dritten Mal binnen weniger Monate hatte der Kreml den Befehlshaber für den Ukraine-Krieg gewechselt.
Schoigu kündigt Umbau der Armee an
Am Dienstag kündigte Russland schließlich einen großangelegten Umbau seiner Streitkräfte an. Verteidigungsminister Sergej Schoigu sprach von „großen Veränderungen“, mit denen Russland in den kommenden drei Jahren unter anderem die Schlagkraft von Marine, Luftstreitkräften und der strategischen Raketentruppen offenbar deutlich erhöhen will.
Nur durch die Stärkung der wichtigsten Strukturkomponenten der Streitkräfte sei es möglich, die militärische Sicherheit des Staates zu gewährleisten und neue Einheiten und kritische Einrichtungen der Russischen Föderation zu schützen, wurde der russische Verteidigungsminister bei einer Sitzung des Verteidigungsministeriums zitiert.
Für umstrittene Methoden bekannt
Über Jahre hatte der Kreml die Existenz der Gruppe Wagner erst bestritten, dann behauptet, der russische Staat habe mit der Gruppe gar nichts zu tun. Erst seit einigen Monaten tritt der Putin-Vertraute Prigoschin offensiv als Chef der Organisation in Erscheinung. Er geht etwa in russischen Gefängnissen ein und aus, um dort Gefangene für den Krieg anzuwerben.
Die Methoden der Wagner-Söldner stehen international jedoch bereits seit Jahren in der Kritik. Seit 2014 waren die Söldner in mehreren Ländern, die für Russland von strategischem und wirtschaftlichem Interesse sind, aktiv – etwa in Syrien und Mali, im Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik. Ihnen wurden wiederholt schwere Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
Kürzlich hat der ukrainische Pressedienst Nationales Widerstandszentrum (NRC) wegen der Methoden der Wagner-Söldner in der Ukraine zur Vorsicht gerufen. Sie würden sich zunehmend in ukrainischen Uniformen tarnen und so die ukrainische Armee täuschen. Die Soldaten sollten auf bestimmte Details bei den Uniformen der russischen Angreifer achten, so das NRC. Durch manipulative Strategien würden die Söldner die ukrainische Verteidigung von innen schwächen wollen, berichtete auch die „Frankfurter Rundschau“ („FR“).
„Piloten, die keine Angst haben zu sterben“
Am Samstag sagte Prigoschin in einer Videobotschaft, Wagner sei heute die Privatarmee mit den meisten Erfahrungen weltweit. Die Truppe agiere eigenständig, verfüge auch über Kampfflugzeuge und „Piloten, die keine Angst haben zu sterben“. Zudem habe sie Panzer und Artillerie aller Kaliber. Der Erfolg der Wagner-Gruppe, die aktuell unter anderem in Afrika im Einsatz ist, basiere auf einem ideal ausgearbeiteten Kommando- und Steuerungssystem.

Jeder habe das Recht, seine Meinung dazu zu sagen, was konkret nötig sei, um eine Kampfaufgabe zu erledigen. Die Offiziere hörten zu, stimmten sich mit den Kämpfern ab, und die Führung tausche sich mit den Kommandeuren aus. Wegen einer eisernen Disziplin werde Wagner in der Ukraine auch weiter Fortschritte machen, sagte Prigoschin.
Mitglied der Wagner-Gruppe bittet in Norwegen um Asyl
Allerdings scheint es auch innerhalb der Söldnertruppe zu rumoren. So soll ein mutmaßlicher Deserteur der Wagner-Gruppe über die Grenze nach Norwegen geflohen sein und dort aktuell um Asyl bitten. Wie sein Anwalt am Montag mitteilte, floh der 26-jährige Andrej Medwedew Ende der vergangenen Woche in Nordnorwegen über die Grenze. Ein Polizeisprecher bestätigte, ein Mann sei in der Nacht zum Freitag wegen illegalen Grenzübertritts festgenommen worden und habe Asyl beantragt.
Medwedews Anwalt Brynjulf Risnes sagte der Nachrichtenagentur AFP, nach dem Überqueren der Grenze habe sich der junge Mann an Bewohner gewandt und sie gebeten, die Polizei zu rufen. Er sei nun an einem „sicheren Ort“, während sein Fall geprüft werde. Medwedew wolle nach eigenen Worten „mit Leuten, die zu Kriegsverbrechen ermitteln, über seine Erfahrungen bei der Gruppe Wagner sprechen“. Der 26-Jährige habe angegeben, bei der Söldnertruppe eine Einheit von fünf bis zehn Soldaten angeführt zu haben.
Zeuge von Hinrichtungen und Bestrafungen
Laut Gulagu.net hatte sich Medwedew im Juli 2022 zunächst für vier Monate verpflichtet und wurde zum Kampfeinsatz in die Ukraine geschickt. Bei der Söldnertruppe sei er Zeuge von Hinrichtungen und Bestrafungen von Söldnern geworden, die den Kampf verweigerten oder die Truppe verlassen wollten. Nach den Worten seines Anwalts wurde Medwedews Vertrag mit Wagner ohne seine Zustimmung verlängert. „Ihm wurde klar, dass es keinen einfachen Weg heraus gibt, also hat er beschlossen davonzulaufen“, sagte Risnes.