Ein vollgestopfter Kleiderschrank
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Kaufen und wegwerfen

Kritischer Blick in den Kasten

Kleidungsstücke landen oft kaum getragen im Müll – weil sie billig sind. Den höheren Preis zahlen die Umwelt und die, die in den Textilfabriken, zumeist in Asien, arbeiten. Mittlerweile entwickelt sich ein zunehmendes Bewusstsein für diese Problematik. Arbeiterkammer (AK) und Greenpeace sind der Frage nachgegangen, wie die Österreicherinnen und Österreicher darüber denken, und haben sozusagen einen Blick in den Kleiderkasten geworfen.

Kleidung sei eine Massenware, es werde zu schnell zu viel davon produziert, hieß es in einer gemeinsamen Pressekonferenz der AK Wien und der Umweltschutzorganisation am Mittwoch in Wien. Die Modebranche sei einer der größten Umweltsünder, auch die sozialen Schattenseiten des Trends zu „Fast Fashion“ seien „immens“.

AK und Greenpeace gingen in einer aktuellen Erhebung nun den Fragen nach, wie viel und wo die Österreicherinnen und Österreicher Kleidung kaufen, wie viel davon sie besitzen, wie lange sie sie nutzen und welche Kriterien, etwa ökologische und soziale Standards, die Kaufentscheidung beeinflussen. Basis war eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Integral unter rund 1.500 Personen. Die Ergebnisse wurden am Mittwoch in Wien präsentiert.

Widerspruch zwischen Problembewusstsein und Handeln

Grobes Fazit der Erhebung: Den Österreicherinnen und Österreichern ist die ökologische und soziale Problematik bekannt bzw. bewusst, sie ist aber mehrheitlich nicht ausschlaggebend für die Kaufentscheidung. „In den Ergebnissen der Befragung wird ein beträchtlicher Widerspruch zwischen dem großen Problembewusstsein der Menschen und ihrem Handeln sichtbar“, heißt es in einem Factsheet zu der Pressekonferenz unter dem Titel „Umfrage zu Modekonsum. Wie shoppt Österreich?“ Die Mehrheit kauft online oder bei großen Ketten, die Nutzungsdauer ist in den letzten Jahren gesunken. Und: Rund 185 Mio. Kleidungsstücke hängen praktisch ungetragen in den Kleiderschränken.

Ein vollgestopfter Kleiderschrank
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Der Kasten geht über – und ein guter Teil des Inhalts wird kaum oder nie getragen

„Selbsteinschätzung“ und Fakten

Der Feststellung, dass das zu viel ist bzw. dass zu viel Kleidung gekauft wird, stimmten in der Umfrage 92 Prozent zu. „Die Probleme sind bekannt“, sagte Lisa Panhuber, Konsumexpertin bei Greenpeace Österreich. Trotzdem seien Umwelt- und Sozialstandards nur zu 44 bzw. 40 Prozent für die Kaufentscheidung ausschlaggebend. Viel wichtiger seien Funktionalität (92 Prozent), Qualität (85 Prozent) und Preis (78 Prozent). Trotzdem seien etwa Umweltstandards in den letzten drei Jahren wichtiger geworden.

Grafik zu Kleidungsnutzung
Grafik: ORF.at; Quelle: Greenpeace/AK/Integral

Im Schnitt hängen laut der Erhebung 94 Kleidungsstücke pro Person im Kasten, eine „Selbsteinschätzung“, wie Panhuber sagte. Umsatzstatistiken zeigten, dass tatsächlich mehr gekauft werde. Im Schnitt gibt jeder bzw. jede 792 Euro pro Jahr für Kleidung aus. Ein Viertel des individuellen Fundus werde kaum (definiert mit viermal pro Jahr) oder gar nicht (zwölf Prozent) getragen.

Restmülltonne als falsche Endstation

Die Nutzungsdauer von Kleidungsstücken und Schuhen ist laut der Erhebung in den letzten Jahren zurückgegangen. In einer Umfrage 2019 hätten etwa elf Prozent angegeben, Schuhe nach einem Jahr zu entsorgen, aktuell sind es 14 Prozent. Mit im Schnitt 2,9 Jahren ist die Nutzung bei Schuhen am kürzesten, bei Jacken mit 4,8 Jahren am längsten. Zwölf Prozent werfen Hosen (durchschnittliche Nutzung drei Jahre) nach einem Jahr weg.

Grafik zu Kleidungsnutzung
Grafik: ORF.at; Quelle: Greenpeace/AK/Integral

Stichwort Wegwerfen: Greenpeace und AK gingen auch der Frage nach, was mit Kleidungsstücken passiert, wenn sie aussortiert werden. Ergebnis: 52 Prozent gaben in der Umfrage an, sie zu Sammelcontainern zu bringen, 33 gaben an, sie in den Restmüll zu werfen. Das bedeutet, die Stücke landen am Ende in der Müllverbrennung.

Junge konsumieren anders

Nina Tröger, Konsumforscherin bei der AK Wien, ging detailliert auf das Konsumverhalten junger Menschen in puncto Mode ein. Dieses zeigt laut der Erhebung ein eigenes, relativ interessantes Muster. Junge (16 bis 29 Jahre) konsumierten anders, Kleidung sei für sie Ausdruck der Persönlichkeit, Modetrends seien ihnen wichtiger als älteren Konsumenten.

In puncto Nachhaltigkeit zeigten sie ein „ambivalentes Verhalten“: Junge kauften deutlich mehr Secondhand-Kleidungsstücke als Ältere (60 bis 65 Jahre). Sie kaufen generell mehr (27 gegenüber dem Gesamtdurchschnitt von 18 Stück), geben aber pro Kleidungsstück (26 gegenüber 44 Euro) weniger dafür aus. Sie kaufen mehr online, die Retourenquote sei höher, weil in der Regel mehrere Stücke zum Anprobieren bestellt werden. Junge Menschen nutzen Kleidungsstücke kürzer als Ältere.

„Interessante Unterschiede“

Interessant jedenfalls auch: „Junge Menschen teilen mehr“, sagte Tröger, sie gingen auf Tauschpartys, borgten Kleidungsstücke her. Hier komme auch ein sozialer Aspekt zum Tragen. Generell sagten 40 Prozent, dass sie wegen der hohen Inflation aktuell weniger und günstiger kauften, wobei Junge und Frauen die Teuerung stärker spürten und sich folglich mehr einschränkten, so die AK-Expertin.

„Interessante Unterschiede“ gebe es schließlich auch zwischen den Bundesländern. In Tirol wird am meisten ausgegeben, in Niederösterreich am meisten gekauft, in Wien ist der Anteil der nicht getragenen Kleidung am höchsten.

Appell an Konsumenten und Hersteller

Wer den Vorsatz, auf Nachhaltigkeit zu achten, in die Tat umsetzen möchte, kann das relativ einfach tun: Kleidungsstücke möglichst lange nutzen, vielleicht auch reparieren, weitergeben, ruhig auch einmal Secondhand kaufen, riet die AK-Expertin. Retouren sollen vermieden werden, sie bedeuten einen zusätzlichen Transportaufwand, mitunter werfen sie Handelsketten einfach weg. Vor allem aber müssten auch die Unternehmen einen Beitrag leisten, „das System ‚Fast Fashion‘ muss sich ändern“. Es brauche klare gesetzliche Vorgaben.

Das Bewusstsein für die ökologische und soziale Problematik in der Textilindustrie sei da, betonte Greenpeace-Konsumexpertin Panhuber, nur, alleine durch dieses Bewusstsein werde es keinen Wandel in der Modeindustrie geben. Der Konsument könne Standards individuell kaum prüfen. Es brauche transparente Lieferketten, das Motto müsse lauten „weg von ‚Fast Fashion‘“ hin zu einer langsameren Kreislaufwirtschaft.

Konkrete Forderungen gegen „Mode für den Müll“

Um die klimaschädlichen und sozialen Auswüchse von „Fast Fashion“ zu reduzieren, fordern Greenpeace und die AK Wien in einer Aussendung am Mittwoch eine rasche Umsetzung des angekündigten Gesetzes für ein Vernichtungsverbot von neuwertiger Ware.

Ein EU-Lieferkettengesetz müsse dafür sorgen, dass Unternehmen die Stationen ihrer Lieferkette transparent offenlegen und für Menschenrechtsverletzungen, Gesundheitsschäden oder Umweltschäden in der Produktion haften.

„Wir brauchen wirklich einen neuen Zugang zu Kleidung“, sagte Panhuber und verwies auf Extrembeispiele für Unternehmen, die mit „Ultra-Fast-Fashion“ zu Schleuderpreisen den Markt überschwemmten und vor allem die junge Zielgruppe im Auge haben. Ein Drittel der produzierten Kleidungsstücke weltweit werde überhaupt nie verkauft und lande auf Deponien. „Diese Absurdität muss beendet werden“, es könne nicht sein, „dass Mode für den Müll produziert wird".