Neuer U-Ausschuss-Saal im Parlament in Wien
ORF.at/Roland Winkler
ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss

ÖVP ließ Termin zur Abstimmung platzen

Seit Wochen ringen die Parlamentsparteien um eine Beantwortung der Frage, wie der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss weitergehen soll. Zentral drehte sich zuletzt alles darum, wie viele Befragungstage es denn noch geben soll. Opposition und Grüne plädierten für drei Termine. Doch die ÖVP legte sich quer – und ließ am Mittwoch den letzten Termin für einen Kompromiss platzen. Der U-Ausschuss steht damit vor seiner Zeit vor dem Aus. Am Donnerstag soll ein Treffen der Fraktionsführer stattfinden.

Die für den frühen Nachmittag anberaumte Geschäftsordnungssitzung zum U-Ausschuss konnte nicht einberufen werden, da die ÖVP ihr fernblieb. Somit konnte auch keine Einigung bezüglich weiterer Befragungen bis zum planmäßigen Ende des Ausschusses mit 1. Februar getroffen werden.

Dass noch Befragungen stattfinden, scheint somit höchst unwahrscheinlich. Nationalratspräsident und Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) lud für Donnerstag, 13.00 Uhr, zu einem neuen Treffen. Damit jene sechs Auskunftspersonen, die SPÖ, FPÖ, NEOS und Grüne laden wollten, auch etwas Vorlaufzeit haben, hatten die Parteien für Befragungen am 23., 27. und 30. Jänner plädiert.

Sobotka: „Vorgehen außerordentlich bedauerlich“

Es sei „außerordentlich bedauerlich“, dass der Rundlauf zur Einigung über einen Sitzungstermin keinen Konsens fand, hieß es von Sobotka. Würde er nun eine Sitzung ohne Einvernehmen der Fraktionen einberufen, so wäre das „ein klarer Bruch der parlamentarischen Praxis und ein Präjudiz für die zukünftige parlamentarische Zusammenarbeit“. Er appelliere an alle Fraktionen, eine Lösung zu finden, deshalb habe er erneut zu einer Fraktionsführerbesprechung eingeladen.

SPÖ: „ÖVP torpediert diesen Ausschuss seit Tag eins“

Die Opposition reagierte ob des Verhaltens der ÖVP erbost: Die ÖVP habe „um fünf vor zwölf“ die anderen Fraktionen darüber informiert, dass sie nicht an der Sitzung teilnehmen werde, sagte SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer. Dadurch konnte die geplante Sitzung nicht stattfinden und weitere Beweisanträge der Grünen und der SPÖ nicht eingebracht werden.

Und Krainer weiter: „Die ÖVP torpediert diesen Ausschuss seit Tag eins. So weit, dass wohl keine Befragungen mehr möglich sind.“ Da die Frist von zwei Wochen bis Ende Jänner nicht mehr eingehalten werden kann, seien rechtmäßige Ladungen nicht mehr möglich.

FPÖ: „ÖVP hat sich aus Diskurs ausgeschlossen“

Für FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker scheint klar, weshalb die ÖVP am Mittwoch nicht erschien. „Da dürfte heute das türkis-schwarze Telefon geläutet haben, und (Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Johanna, Anm.) Mikl-Leitner gesagt haben: ‚Dreht’s das ab!‘“ Die ÖVP habe sich damit aus dem politischen Diskurs ausgeschlossen, nun sei es Zeit für eine ernsthafte Diskussion, „wie man sich in diesem Haus verhalten kann und wie nicht“.

NEOS: „Schlimmer als Kindergarten“

NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper bezeichnete den aktuellen Verlauf als „schlimmer als Kindergarten“. Sie kritisierte abermals die „rot-schwarzen Streitereien“, die dazu geführt hätten, dass nun keine Befragungen mehr möglich seien. Wie auch Nina Tomaselli (Grüne) bedauerte sie das „unrühmliche vermeintliche Ende des Ausschusses“. Tomaselli sagte, sie erwarte sich, dass Nationalratspräsident Sobotka um „eine Lösung bemüht ist, die weitere Beweisanfragen ermöglicht“.

ÖVP ortet Schuld bei SPÖ

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger sah hingegen seinen SPÖ-Kollegen Krainer als „Totengräber der politischen Kultur in Österreich“. Ausschlaggebend für Hangers Entscheidung sei das Bekanntwerden einer Sachverhaltsdarstellung Krainers an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gewesen. Darin habe der SPÖ-Fraktionsführer im November 20 Personen im ÖVP-Umfeld angezeigt.

Der ÖVP-Abgeordnete vermute, dass Krainer die Personen ohne deren Wissen angezeigt haben könnte, um im U-Ausschuss eine Falschaussage zu provozieren. Das sei „perfide“ und „rechtsstaatlich sehr, sehr bedenklich“. In das Treffen am Donnerstag werde Hanger „wieder mit einer sehr konstruktiven Haltung hineingehen“, aber er werde auch „seinen Protest zum Ausdruck bringen“, so Hanger.

Ermittlungen gegen Media Contacta

Doch wurde just am selben Tag bekannt, dass die WKStA rund um Auftragsvergaben an die als ÖVP-nahe geltende Werbeagentur Media Contacta ermittelt, wie der „Standard“ berichtete – eine Folge der Anzeige durch SPÖ-Fraktionschef Krainer. Er erhob schwere Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Firma mit Sitz in Wien und St. Pölten, aber auch gegen Beamte in Ministerien und Personen in der ÖVP Niederösterreich.

Krainers Behauptung – im U-Ausschuss regelmäßig breit aufs Tapet gebracht: Die Media Contacta gehöre der ÖVP Niederösterreich und werde mit Aufträgen von ÖVP-geführten Ministerien versorgt und könne daneben kostengünstiger für die ÖVP und die ÖVP Niederösterreich tätig sein.

Seitens der ÖVP bzw. entsprechender Auskunftspersonen wurde die Darstellung Krainers stets dementiert, eine Beteiligung der ÖVP Niederösterreich an der Media Contacta gäbe es nicht. Gegenüber dem „Standard“ bestätigte die WKStA Ermittlungen gegen sechs Personen – wegen des Verdachts wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Vergabeverfahren. Es gilt die Unschuldsvermutung.