Neuseeländischer Premierministerin Jacinda Ardern bei ihrem Rücktritt vor den Kameras
APA/AFP/TVNZ via AFPTV
„Nicht mehr genug im Tank“

Neuseelands Regierungschefin tritt zurück

„Für mich ist es Zeit“, hat die neuseeländische Regierungschefin Jacinda Ardern am Donnerstag bei einer Veranstaltung ihrer Labour-Partei gesagt. Damit gab sie ihren überraschenden Rücktritt bekannt. Sie wolle mit 7. Februar ihr Amt übergeben. Als Begründung führte sie an, dass sie nicht mehr genug Kraft habe: „Ich habe einfach nicht mehr genug im Tank für weitere vier Jahre.“

Damit bezog sich die Regierungschefin offensichtlich auf die im Oktober anstehende Parlamentswahl und die darauffolgende Legislaturperiode. Bis zur Wahl wolle sie Abgeordnete bleiben. In ihrer Rede kämpfte die 42-jährige Politikerin zeitweise mit Tränen. Sie ist seit sechs Jahren Regierungschefin. Es sei eine harte Zeit gewesen. Sie habe keinen Weg gefunden, sich auf ein weiteres Jahr und eine weitere Amtszeit vorzubereiten.

Sie trete aber nicht zurück, weil der Job als Premierministerin schwer sei, sondern sie glaube, dass es andere besser machen könnten. Sie habe ihrer vierjährigen Tochter Neve gesagt, sie werde bei ihrer Einschulung dabei sein, und es sei auch an der Zeit, ihren langjährigen Partner Clarke Gayford zu heiraten, so Ardern. Die Hochzeitspläne waren durch die CoV-Pandemie durchkreuzt worden.

Ardern: „Nicht mehr genug im Tank“

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern hat überraschend ihren Rücktritt angekündigt. „Ich weiß, was man für diesen Job braucht, und ich weiß, dass ich nicht mehr genug im Tank habe. Es ist so einfach“, begründete sie sichtlich emotional ihre Entscheidung. „Wir alle geben, solange wir geben können, und dann ist es vorbei. Und für mich ist es nun an der Zeit.“ Ardern war 2017 bei ihrer Wahl zur Regierungschefin mit 37 Jahren eine der jüngsten Frauen weltweit an der Spitze einer Regierung.

„Jemand, der weiß, wann es Zeit ist zu gehen“

„Mit einer so privilegierten Rolle geht Verantwortung einher, darunter auch die Verantwortung zu wissen, wann Sie die richtige Person zum Führen sind und wann nicht“, sagte Ardern. Man brauche auch ein bisschen Reserve für die ungeplanten und unerwarteten Herausforderungen. Sie hoffe, dass sie den Neuseeländern den Glauben gegeben habe, dass sie ihre eigene Art von Führungskraft sein können: „Jemand, der weiß, wann es Zeit ist zu gehen.“

Es werde im Anschluss an diese Entscheidung viele Diskussionen über den „sogenannten wahren Grund“ geben, so Ardern: „Der einzige interessante Aspekt, den Sie finden werden, ist, dass ich nach sechs Jahren mit großen Herausforderungen ein Mensch bin. Politiker sind Menschen.“ Bereits am Sonntag wird die Labour-Partei eine neue Person für die Parteispitze wählen, diese wird vorübergehend bis zur Wahl im Oktober das Amt des Premierministers ausüben. Grant Robertson, der stellvertretende Parteivorsitzende und zugleich Finanzminister, winkte bereits ab. Er werde nicht für das Amt kandidieren.

Neuseeländischer Premierministerin Jacinda Ardern mit Baby bei UNO-Vollversammlung 2018
Reuters/Carlo Allegri
Ardern brachte ihre Tochter 2018 mit zur UNO-Generalversammlung

Rasanter Aufstieg

Ardern galt als beliebt und stand auch international im Fokus. Sie schaffte es etwa auch auf die Titelbilder der britischen „Vogue“ und des „Time“-Magazins. Die Politikerin hatte es innerhalb nur weniger Monate von der stellvertretenden Oppositionsführerin zur Ministerpräsidentin im Jahr 2017 geschafft – mit nur 37 Jahren. Mit der Geburt ihrer Tochter 2018 war sie erst die zweite Regierungschefin, die ein Kind während ihrer Amtszeit gebar – nach Benazir Bhutto 1990 in Pakistan.

Anerkennung erntete Arden vor allem für ihr besonders sensibles Krisenmanagement, sei es während der CoV-Pandemie, sei es nach dem Terroranschlag im März 2019 auf zwei Moscheen in Christchurch mit 51 Toten. Sie hielt damals eine bewegende Rede und trug ein Kopftuch – als Zeichen der Solidarität mit der muslimischen Gemeinschaft.

Neuseeländischer Premierministerin Jacinda Ardern mit Kopftuch nach dem Terrorattentat in Christchurch
AP/Vincent Thian
Nach dem Attentat auf zwei Moscheen in Christchurch hielt Ardern eine emotionale Rede, sie trug dabei ein Kopftuch

Beliebtheitswerte gesunken

Auf die Pandemie reagierte Arderns Regierung mit einer der strengsten Ausgangssperren der Welt und einer Abriegelung des Landes für ausländische Besucher und Besucherinnen. Ende 2021 musste Ardern die Null-Covid-Strategie allerdings aufgeben. Auch in Neuseeland wuchs der Unmut über CoV-Vorschriften, der sich auch gegen Ardern und ihre Regierung richtete. Im vergangenen Jahr etwa dauerte ein Protest auf dem Gelände des Parlaments mehr als drei Wochen – mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Polizei. Ende vergangenen Jahres kündigte sie eine königliche Untersuchungskommission an, ob die Regierung bei der Bekämpfung von Covid-19 die richtigen Entscheidungen getroffen habe.

Ardern galt weiterhin als bevorzugte Premierministerin, musste aber ein von ihr jährlich veranstaltetes Grillfest aus Sicherheitsbedenken absagen. In jüngster Vergangenheit waren Arderns Beliebtheitswerte und die ihrer Partei aber gesunken. Hatte sie ihrer Labour-Partei 2020 in einem Erdrutschsieg historischen Ausmaßes die Wiederwahl gesichert, liegt die Partei in manchen aktuellen Umfragen hinter den Konservativen.

Grenzen der Freundlichkeit

Konkrete Fortschritte gab es während ihrer Amtszeit im Kampf gegen Kinderarmut, bei der Beschäftigungsquote und bei der Erhöhung des Mindestlohns. Weniger erfolgreich waren Bemühungen, die Wohnungskrise in den Griff zu bekommen und die Emissionen zu reduzieren. Durch begrenzte Steuereinnahmen und -ausgaben sind die Möglichkeiten der Regierung für große Sozialprogramme zudem eingeschränkt.

„Wenn es um die Ausarbeitung und Umsetzung komplexer Gesetze oder anspruchsvoller Gesetzesreformen ging, waren die Fortschritte viel, viel langsamer“, analysierte der politische Kommentator und Mitglied der Vorgängerregierung Arderns, Ben Thomas, im Interview mit dem „Guardian“. „Die Idee der Freundlichkeit und des Einfühlungsvermögens kann an ihre Grenzen stoßen, weil es in der Politik so oft um Kompromisse geht.“

„Einfühlungsvermögen und Einsicht“

Die Politikerin wies jedenfalls entschieden Spekulationen zurück, dass der Rücktritt mit den Umfragewerten zusammenhänge: „Ich gehe nicht, weil ich glaube, dass wir die nächste Wahl nicht gewinnen können – sondern weil ich glaube, dass wir es können und auch werden.“

Der australische Premierminister Anthony Albanese streute Ardern in seiner ersten Reaktion auf Twitter Rosen. Sie habe der „Welt gezeigt, wie man mit Intellekt und Stärke führen kann. Sie hat gezeigt, dass Einfühlungsvermögen und Einsicht starke Führungsqualitäten sind.“ Für Kanadas Regierungschef Justin Trudeau machte Ardern einen „unermesslichen“ Unterschied in der Welt.