Arbeiter an der Gaspipeline Nordstream 2
Reuters/Anton Vaganov
Energiekrieg

Putin auf der Verliererstraße

Die Gaskeule des russischen Präsidenten Wladimir Putin hat sich offensichtlich abgenutzt. Die USA könnten in diesem Jahr Russland als wichtigsten Energielieferanten der EU ablösen, wie die Website Quartz jetzt schreibt. Die Trennung von Russland sei recht zügig gegangen, so Quartz weiter. Nachdem Putin Angst und Chaos verursacht habe, indem er Gaslieferungen gegen Länder, die die Ukraine unterstützen, gekürzt habe, befinde er sich nun im Energiekrieg auf dem Rückzug, schreibt die „Financial Times“ („FT“).

Die russische Energiewaffe habe ihren Schrecken verloren, so auch die „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“). Die Preise sind laut „FT“ zwar immer noch auf einem historischen Höchststand, und das sei zwar schmerzhaft, allerdings sei der Gaspreis auf einem Niveau, das für die meisten westeuropäischen Volkswirtschaften gerade noch zu bewältigen sei. Weit verbreitete Engpässe, die einst berechtigterweise befürchtet wurden, seien nicht eingetreten, so die „FT“ weiter.

Die Gaspreise in Europa sind nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen allerdings schneller gefallen als erwartet. Im Vergleich zu ihrem Höchststand im August von 350 Euro pro Megawattstunde seien die europäischen Erdgaspreise diesen Monat um 80 Prozent gesunken, sagte von der Leyen beim Weltwirtschaftsforum in Davos diese Woche. „Das ist niedriger als vor dem Krieg in der Ukraine.“

Vladimir Putin
Reuters/Sputnik
Der russische Präsident Wladimir Putin

Von Russland zu den USA

Als Grund für die Entwicklung nannte von der Leyen die gemeinsamen Anstrengungen der EU. Europa habe die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland überwunden und rund 80 Prozent des russischen Pipeline-Gases ersetzt. Zudem habe man die Gasspeicher gefüllt und die Nachfrage verringert – zwischen August und November um mehr als ein Fünftel.

Das fehlende russische Gas wurde in Europa laut Quartz unter anderem auch durch verstärkte Importe aus den USA ausgeglichen. Diese Verschiebung könnte die USA in diesem Jahr zu Europas führendem Energielieferanten machen, heißt es weiter.

Kältewelle könnte Preise wieder steigen lassen

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und des drastischen Rückgangs russischer Gaslieferungen an Europa war der Gaspreis 2022 rasant gestiegen und hatte im August einen Höhepunkt erreicht. Bei Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar vorigen Jahres kostete Gas um die 120 Euro pro Megawattstunde. Zuletzt lag der Preis durchschnittlich zwischen 50 und 60 Euro pro Megawattstunde.

Grund dafür ist unter anderem auch der durch die Klimakrise ausgelöste, bisher milde Winter. Bei einer Kältewelle könnten die Energiepreise allerdings wieder steigen, mutmaßt die „Financial Times“. Doch auch wenn Russland seine Lieferungen weiter verknappen würde, würde das keine Panik auslösen, die Speicher seien ausreichend gefüllt, schreibt auch die „FT“ weiter.

LNG Frachter „Hoegh Gannet“ im Hafen von Brunsbuettel
Reuters/Fabian Bimmer
Der LNG-Frachter „Hoegh Gannet“ im Hafen von Brunsbüttel

Budget des Kreml getroffen

Es wäre allerdings töricht, weitere Preisschwankungen auszuschließen, so die „FT“. Aber das Ende von Russlands Energiekrieg sei nur eine Frage der Zeit, so die „FT“ weiter. Im vergangenen Jahr haben höhere Gaspreise für Moskau den Verlust an verkauften Mengen mehr als ausgeglichen. Das scheine aber nun unwahrscheinlich zu sein. Die Sanktionen des Westens haben den Preis, den Moskau für sein Öl erzielen könne, effektiv halbiert und das Budget des Kreml getroffen, heißt es in der „FT“.

Bis 2024/25 werde auch mehr Flüssigerdgas (LNG) auf den Weltmarkt kommen. Das würde die Versorgungslage weiter entspannen und extreme Preisspitzen unwahrscheinlicher machen. Ein kleines Risiko gebe es, wenn die Gasnachfrage in der Industrie nämlich steigen würde, könnte das auch den Gaspreis wieder erhöhen. Der Ausbau von erneuerbarer Energie müsse allerdings beschleunigt werden, um die von Putin ausgenutzte strategische Schwäche zu beseitigen, so die „FT“ weiter.

LNG Terminal in Wilhelmshaven
Reuters/Michael Sohn
Das LNG-Terminal im deutschen Wilhelmshaven

Bereits drei LNG-Terminals in Deutschland

Deutschland hat unterdessen mit dem neuen LNG-Flüssiggasterminal in Brunsbüttel in etwa ein Viertel der weggefallenen Liefermenge aus Russland perspektivisch ersetzt. Mit dem dritten LNG-Terminal im Norden seien jetzt Kapazitäten im Umfang von 14 Milliarden Kubikmetern Gas gebaut worden, sagte der deutsche Wirtschaftsminister Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) am Freitag im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel. Im Zuge des Krieges in der Ukraine sind für Deutschland 55 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland weggefallen, die ersetzt werden müssen.

In den vergangenen Wochen wurden nach ungewöhnlich kurzer Planungs- und Genehmigungszeit bereits drei LNG-Projekte an den Start gebracht – in Wilhelmshaven, Lubmin und nun in Brunsbüttel. „Da müssen weitere dazu.“ Vorerst sei Gas noch nötig für die Energieversorgung. Auch die weiteren LNG-Projekte müssten schnell umgesetzt werden. Das schwimmende Terminal in Brunsbüttel wird laut dem deutschen Wirtschaftsministerium Flüssiggas von LNG-Tankern annehmen und ins deutsche Gasnetz einleiten. Die jährliche Regasifizierungskapazität wird auf 7,5 Milliarden Kubikmeter beziffert, die voraussichtlich ab Ende 2023 vollständig ausgeschöpft werden kann.

IEA: Ölexporte im Dezember auf niedrigstem Niveau 2022

Auch die Internationale Energieagentur (IEA) geht nach dem Ölembargo der Europäischen Union von einem Rückgang der russischen Ölexporte aus. Diese dürften im Dezember auf das niedrigste Niveau des Jahres 2022 gefallen sein, wie es im Bericht der IEA heißt.

Raffinerie in Konstantinovo nahe Moskau
Reuters/Maxim Shemetov
Eine russische Raffinerie in Konstantinowo nahe Moskau

Nach Einschätzung des Verbandes erzielte Russland aus dem Verkauf von Rohöl und Treibstoffen im Dezember einen Erlös von 12,6 Milliarden US-Dollar, und damit deutlich weniger als im November. Im Verlauf des vergangenen Jahres konnte Russland aber durch die höheren Preise insgesamt einen deutlichen Anstieg der Erlöse erzielen.

Russland leitet auch immer weniger Gas durch die Ukraine nach Europa. Es werde noch eine Tagesmenge von 25,1 Millionen Kubikmeter durch das Land gepumpt, 28 Prozent weniger als in den vergangenen Tagen, teilte der russische Energieriese Gasprom der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge am Donnerstag mit. Trotz des Krieges pumpte Russland auch danach über Monate noch rund 40 Millionen Kubikmeter täglich durch die Ukraine. Zu Beginn dieses Jahres sank die Menge allerdings.

Gasversorgung in Österreich gesichert

Die Gasversorgung im laufenden Winter ist in Österreich trotz der Energiekrise gesichert. Die Speicher sind aktuell zu 87 Prozent gefüllt. Das entspricht 83 Terawattstunden (TWh) Gas. Die Versorgungslage gesichert haben etwa der hohe Speicherstand zu Beginn des Winters und für die Jahreszeit hohe Temperaturen, hieß es bei einem Hintergrundgespräch der Austria Gas Grid Management (AGGM) am Rande des Austrian Gas Infrastructure Day am Donnerstag in Wien.

Ein hoher Speicherstand nach dem Winter ist im Sinne der Versorgungssicherheit aber trotzdem „fundamental“, hieß es weiter. Das russische Gas zu ersetzen sei eine „Riesenherausforderung“, insbesondere wenn die Speicherstände niedrig sind. Fachleute rechnen aus derzeitiger Sicht damit, dass die Speicher nach dem Winter im April in etwa noch über einen Füllstand zwischen 40 und 60 Prozent verfügen werden. Nach dem vorigen Winter waren es nur rund 20 Prozent gewesen.

IEA: Unwägbarkeiten auf Radar

Die IEA hält es indes für möglich, dass die Energiemärkte 2023 angespannter sein könnten. IEA-Chef Fatih Birol sagte auf dem Reuters Global Markets Forum in Davos, er hoffe, dass die Preise nicht weiter steigen würden. Das könnte dann den Druck auf energieimportierende Entwicklungsländer verringern. „Ich wäre nicht zu entspannt, was die Märkte angeht“, erklärte Birol weiter. „2023 könnte durchaus ein Jahr werden, in dem die Märkte enger sind, als einige Kollegen glauben.“

Derzeit gebe es zwar keine Engpässe auf dem Markt. Aber man müsse Unwägbarkeiten auf dem Radar haben – vor allem chinesische Nachfrage und russisches Angebot. „Wenn sich die chinesische Wirtschaft in diesem Jahr erholt, wovon viele Finanzinstitute ausgehen, könnte die Nachfrage sehr stark sein und Druck auf die Märkte ausüben.“ Bei Russland gebe es viele Fragezeichen zur Exportfähigkeit des Landes aufgrund der Sanktionen des Westens, aber auch langfristig aufgrund eigener Herausforderungen, mit denen Russland zu tun habe.