Flagge der Türkei und NATO
Reuters/Francois Lenoir
Minister ausgeladen

Türkei lässt Schweden weiter zappeln

Der von NATO-Beitrittskandidat Schweden mit der Türkei ausgetragene Schlagabtausch ist mit der am Samstag erfolgten Ausladung des schwedischen Verteidigungsministers Pal Jonson um eine Facette reicher. Jonson wollte in Ankara über Schwedens Antrag zur Aufnahme in die NATO sprechen, den das Land nach Russlands Invasion der Ukraine gestellt hatte.

Die Türkei, die Mitglied in dem Bündnis ist, blockiert einen Beitritt Schwedens seit Monaten. Sie fordert als Bedingungen unter anderem, dass das Land Menschen, die von Ankara als Terroristen angesehen werden, nicht mehr dulden, sondern ausliefern soll. Schweden bestreitet, Extremisten Unterschlupf zu gewähren.

Hintergrund des von der Türkei nun abgesagten Ministerbesuchs ist eine Protestaktion in Stockholm am Samstag, bei der nahe der türkischen Botschaft auch ein Koran verbrannt wurde. Der Chef der rechtsextremen dänischen Partei Stram Kurs, Rasmus Paludan, der auch die schwedische Staatsbürgerschaft besitzt, zündete den Koran an. Abseits davon gab es am Samstag in Stockholm aber auch mehrere prokurdische und protürkische Demonstrationen.

Treffen „auf späteren Zeitpunkt“ verschoben

Schweden habe es nach den Worten des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar versäumt, gegen „widerliche“ antitürkische Proteste auf seinem Boden vorzugehen. Jonsons Türkei-Besuch sei damit bedeutungslos geworden, also habe man ihn abgesagt, wie Akar nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu dazu anfügte.

Auch das Außenministerium in Ankara protestierte scharf, man verurteile den „abscheulichen Angriff auf unser heiliges Buch“, hieß es. Schweden müsse gegen den Täter vorgehen, und die internationale Gemeinschaft müsse sich gegen Islamfeindlichkeit stellen. Mehrere arabische Länder, darunter Saudi-Arabien, Marokko, Jordanien und Kuwait, verurteilten die Koranverbrennung ebenfalls.

Der schwedische Verteidigungsminister spielte die Absage seines Besuches herunter. „Gestern habe ich mich mit meinem türkischen Kollegin Hulusi Akar auf dem US-Militärflugplatz in Ramstein, Deutschland, getroffen“, twitterte Jonson am Samstag. „Wir haben beschlossen, das geplante Treffen in Ankara auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.“

Botschafter einbestellt

Die jüngste Eskalation zeichnete sich bereits am Freitag mit der Einbestellung des schwedischen Botschafters ins Außenministerium von Ankara ab. Laut einem Ministeriumsmitarbeiter habe die Türkei damit auch gegen die Genehmigung einer Demonstration von Sympathisanten der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK am Samstag protestiert.

Das türkische Außenministerium hatte den Botschafter bereits im Oktober wegen einer Sendung im schwedischen Fernsehen vorgeladen. Ein Satirebeitrag soll türkischen Angaben zufolge Inhalte enthalten haben, die Erdogan und die Türkei beleidigten.

Aufregung über Erdogan-Puppe

Neuer Zwist zwischen beiden Ländern entzündete sich jüngst zudem an einer Protestaktion im Zentrum Stockholms, wo Aktivistinnen und Aktivisten eine Puppe, die Erdogan ähnelte, an den Füßen aufgehängt hatten. Die Türkei hatte daraufhin unter anderem einen Besuch des schwedischen Parlamentspräsidenten Andreas Norlen in Ankara abgesagt.

Gemeinsam mit dem benachbarten Finnland hatte Schweden unmittelbar nach der Invasion der Ukraine die Aufnahme in das Militärbündnis beantragt. Alle NATO-Mitglieder müssen bei der Erweiterung der NATO um neue Staaten zustimmen. Als Voraussetzung für seine Zustimmung zum NATO-Beitrittsantrag verlangt Ankara unter anderem eine härtere Gangart gegen kurdische Aktivistinnen und Aktivisten, welche die türkische Regierung als „Terroristen“ betrachtet.