Joe Biden
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Wieder Akten gefunden

Bidens PR-Fiasko zur Halbzeit

Eigentlich kann sich die vorläufige Bilanz von US-Präsident Joe Biden nach zwei Jahren Amtszeit sehen lassen. Er brachte etwa große Investitionspakete auf Schiene, die Pandemie ebbt ab und die Löhne steigen. Doch immer neue Funde von Geheimdokumenten auf Privatgrund werden zum Debakel für den Demokraten und kratzen stark an seiner Glaubwürdigkeit. Nun verliert er auch noch seinen Stabschef.

Am Sonntag wurde bekannt, dass erneut hochgeheime Akten in Bidens privaten Räumen gefunden wurden. Das US-Justizministerium beschlagnahmte in Bidens Haus in Wilmington im Bundesstaat Delaware unter anderem sechs Dokumente mit vertraulicher Kennzeichnung, wie Bidens Anwalt Bob Bauer mitteilte. Ein Teil davon stamme aus Bidens Zeit als Vizepräsident, ein anderer aus seiner Zeit als Abgeordneter im Senat.

Die knapp 13-stündige Durchsuchung sei bereits am Freitag erfolgt und habe „alle Arbeits-, Wohn- und Lagerräume“ des Hauses umfasst. In den vergangenen Wochen waren mehrfach vertrauliche Unterlagen in privaten Räumen Bidens aufgetaucht – in Delaware und Washington. Von einigen der Funde erfuhr die Öffentlichkeit erst, als Medien darüber berichteten. Justizminister Merrick Garland beauftragte einen Sonderermittler damit, die Vorfälle zu untersuchen.

„Da gibt es nichts“

Bidens Anwalt betonte nun, die Ermittler hätten bei der Durchsuchung am Freitag „uneingeschränkten Zugang“ zum Haus erhalten. Dabei seien allerlei Dokumente wie handschriftliche Notizen, Akten, Ordner, Erinnerungsstücke, Aufgabenlisten und Zeitpläne, die teils Jahrzehnte zurückreichten, zur Verfügung gestellt worden. Biden selbst hatte am Donnerstag gesagt, dass er „voll und ganz“ mit dem Justizministerium kooperiere. „Ich denke, ihr werdet sehen, dass es da nichts gibt“, sagte er auf die Nachfragen von Reportern bei einem Termin in Kalifornien.

Durchsuchung von Joe Bidens Haus in Wilmington
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In Bidens Haus in Wilmington wurden wieder Akten gefunden

Für den Präsidenten sind die Enthüllungen politisch höchst heikel. Es ist nicht erlaubt, vertrauliche Regierungsunterlagen nach dem Ausscheiden aus einem Amt privat zu lagern. Dafür ist in den USA das Nationalarchiv zuständig. Der Dokumentenfund hat für Biden auch deshalb eine große Brisanz, weil der frühere republikanische Präsident Donald Trump mit einem ähnlichen Fall im Sommer für einen Skandal gesorgt hatte: Trump bewahrte nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus in großem Umfang vertrauliche Regierungsunterlagen in seinem privaten Anwesen in Florida auf.

Das FBI durchsuchte das Anwesen im August und beschlagnahmte diverse Verschlusssachen. Biden kritisierte Trumps Umgang mit den Dokumenten damals. In Trumps Fall hatte Garland ebenfalls einen unabhängigen Sonderermittler für die politisch delikaten Nachforschungen eingesetzt.

Bidens bisherige Amtsjahre

ORF-Korrespondent Christophe Kohl zieht Bilanz über die bisherigen zwei Amtsjahre des US-Präsidenten Joe Biden.

Trump höhnisch

Trump reagierte am Wochenende mit Schadenfreude. Auf seiner Onlineplattform „Truth Social“ schrieb er an Biden und sein Team gerichtet: „Sie haben sich dieses Dokumentenchaos selbst eingebrockt, indem sie sich so sehr auf mich eingeschossen haben – dabei habe ich nichts Falsches getan.“

Zwar sind sich Bidens und Trumps Fall auf den ersten Blick sehr ähnlich – es gibt aber zentrale Unterschiede. Anders als nun bei Biden war in Trumps Fall ein Streit mit dem Nationalarchiv vorausgegangen. Es versuchte monatelang, von Trump Papiere aus dessen Amtszeit zu bekommen. Zwar hatten Trumps Anwälte schließlich Dokumente übergeben. Doch mutmaßten die Beamten zu Recht, dass Trump oder sein Team weiter Unterlagen zurückhielten. Auch die Zahl der Dokumente unterscheidet sich deutlich. Unter den Tausenden bei Trump beschlagnahmten Unterlagen sind dem FBI zufolge rund 100 als geheim gekennzeichnete Dokumente.

Bilanz überschattet

Nichtsdestotrotz sitzt Biden stärker in der Bredouille. Der Demokrat betonte gerade im Hinblick auf Trump stets sein Image als Saubermann. Gerade hat Biden die erste Hälfte der ersten Amtszeit hinter sich gebracht, in der er milliardenschwere Pakete für Infrastruktur, Wirtschaft und Klimaschutz auf Schiene brachte. Die Pandemie ebbt ab, der Arbeitsmarkt zieht wieder an.

Die Dokumentenaffäre überschattet die Bilanz aber deutlich. Hinzu kommt, dass sich mit den Kongresswahlen die parlamentarische Landschaft deutlich verändert hat. Die neue Mehrheit der oppositionellen Republikaner im Repräsentantenhaus dürfte Biden das Regieren erheblich erschweren. Politisch bedeutende Reformen, etwa des Abtreibungs- oder Waffenrechts, dürften im Kongress jetzt kaum noch Chancen haben.

Stabschef geht

Ob Biden tatsächlich in zwei Jahren erneut für das Weiße Haus kandidieren will, ist noch offen. Zuletzt deutete der 80-Jährige diese Option wiederholt an, doch die Dokumentenaffäre lässt nun auch Demokraten zweifeln. Auch Vizepräsidentin Kamala Harris könnte antreten – und dann womöglich gegen Trump.

Biden Stabchef Ron Klain
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Ron Klain

Zu allem Überfluss verliert Biden auch noch seinen lang gedienten Stabschef Ron Klain. Laut „New York Times“ will Klain offenbar nach der Rede des Präsidenten zur Lage der Nation am 7. Februar gehen. Der 61-Jährige war bereits Stabschef des ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore und von Biden selbst, als dieser unter Präsident Barack Obama Vizepräsident war. Der Posten des Stabschefs ist einer der wichtigsten im Weißen Haus. Er ist der ranghöchste politische Beauftragte, der die politische Agenda des Präsidenten vorantreibt und dafür sorgt, dass geeignete Mitarbeiter eingestellt werden.