Volksoper: In der Unterwelt ist die Hölle los

Wenn der mythische Orpheus bei Jacques Offenbach in die Unterwelt muss, dann wollen alle gleich mit. Die Vermutung: Da unten ist es lustiger als im scheinmoralischen Himmel. An der Wiener Volksoper darf man diese Opera bouffe seit Samstag als sehr grelles Gagfeuerwerk mit großer Besetzung und großem Besteck erleben.

Hausherrin Lotte de Beer hat das britische Kollektiv Spymonkey und den seit dem Salzburger „Jedermann“ ohnedies österreicherfahrenen Julian Crouch eingeladen, um diesen Klassiker des Operettenfaches nicht neu, sondern ganz im Geiste der Vorlage als „physical theatre“ und große Clownerie zu interpretieren.

Szenenbild aus der Volksoper
Barbara Palffy / Volksoper

Offenbach als Inspizient

So stolziert gleich zu Beginn der Komponist (Marcel Mohab) samt seinem hampelmännischen „Betriebsleiter“ (Georg Wacks) mit auf die Bühne. Offenbach will sich auch in Wien feiern lassen und buhlt, in völlig falschen Erwartungen, um die Gunst seines Publikums. Dass er nicht an der Staats-, sondern an der Volksoper ist, erschließt sich ihm zum Gaudium aller erst sehr spät.

Alles an diesem Abend ist auf maximale Wirkung ausgelegt. Und so erlebt man eine freimütig ausgestellte Feier des Bühnenhandwerks. Die Guckkastenbühne ist bei Spymonkey das, was sie sein soll: nicht Illusionsraum, sondern Spielboden für eine Inszenierung, die stets das Künstliche des Dargebotenen bis in jede kleinste Nuance zelebriert.

Diese Eurydike pfeift besonders auf den Mythos

So bietet die Umsetzung unter dem ehemaligen Volksopern-Musikdirektor Alexander Joel ein Schaulaufen all dessen, was dieses Stück hergibt: musikantische Freude, Gesang quer durch alle Qualitätslagen – und mit einer Eurydike (zu Recht gefeiert: Hedwig Ritter) in der Mitte, die am Ende Mann und Jupiter nur zu gerne stehen lässt, um als Bachantin dem mythischen Auftrag zu entfliehen. Das ist ganz im Sinne des Erfinders – und ganz im Sinne des Höhepunkts der Ballsaison.

Komplettes Team am Samstagabend in der Volksoper auf der Bühne
ORF.at

Aitor Basauri und Toby Parks haben sich als Spymonkey diesmal in ein neues Gefilde vorgewagt – und mit Offenbach tatsächlich das gefunden, was sie mit ihrem eigenen Theater wollen: Stücke machen, die Kopf stehen. So darf man mit ihnen eine Tour de Force zwischen Monty-Python-Humor und einem Höllengallop erleben, der im Sinne ganz wienerisch verstanden ist. So schlimm wird am Ende doch nicht alles kommen.

Erlebte man Offenbach zu Beginn der Woche am Theater an der Wien noch als bissige Gesellschaftssatire – mehr dazu in Eine Staatsoperette mit Beinschab-Tool –, so ist die öffentliche Meinung, gespielt von Ruth Brauer-Kvam, hier eine Instanz, die man nur noch zwecks Pose fürchtet. Bei Offenbach ist einfach der Effekt beim Publikum der Gradmesser des Handelns; und Meinung und Öffentlichkeit dürfen gern den Ruhm des Erschaffers mehren. Für die Polizei bleibt in diesem Ordnungsgefüge nur eine Rolle: Sie bläst den Cancan als Figurenparade auf Blockflöten. Jeder Polizist ein Ton – das sitzt in London wie in Wien.