Nehammer fordert zwei Mrd. Euro für Grenzschutz in Bulgarien

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will von der EU-Kommission zwei Milliarden Euro zur Unterstützung für Bulgariens Grenzschutz fordern. Bei einem Besuch mit Präsident Rumen Radew in Elchowo an der bulgarisch-türkischen Grenze verlangte er gestern außerdem EU-Rechtsänderungen, etwa eine „Zurückweisungsrichtlinie“.

Radew nannte den Ausschluss seines Landes aus dem Schengen-Raum „nicht gerecht“. Er zeigte sich dennoch von einer raschen Lösung überzeugt.

Nehammer dämpfte die Erwartungen bezüglich Schengen. Der EU-Sondergipfel am 9. und 10. Februar habe Migration und nicht Schengen zum Thema, sagte er. Der Kanzler forderte Investitionen in den Grenzschutz, eine Reduktion der Aufgriffe nicht registrierter Geflüchteter sowie rasche Verfahren und mehr Rückübernahmeabkommen. Bei den genannten zwei Mrd. Euro bezog sich Nehammer nach eigenen Aussagen auf eine Kostenrechnung Bulgariens.

Radew: Auch Österreich „Verlierer“

Radew äußerte zwar Verständnis für Nehammers Position, betonte aber: „Die Tatsache, dass es in Binnenländern Probleme gibt, bedeutet nicht, dass Bulgarien und Rumänien als Außenländer auch diese Probleme haben.“ Die Wirtschaft beider Länder leide unter der Nichtteilhabe am Schengen-Raum. Auch Österreich sei diesbezüglich „ein Verlierer“ als größter Investor in Bulgarien, so der bulgarische Präsident.

Nehammer wurde von Radew auf dem Flughafen Plowdiw mit militärischen Ehren empfangen. Im Anschluss flogen Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) per Hubschrauber mit Radew und dem bulgarischen Innenminister Iwan Demerdschiew entlang der bulgarisch-türkischen Grenze, um sich ein Bild von der Lage an der EU-Außengrenze zu machen.

Veto gegen Schengen-Beitritt

Im Vorfeld der Reise hatte Nehammer mehr EU-Unterstützung beim Schutz der Außengrenze gefordert. Dabei geht es insbesondere um EU-Mittel für einen starken Grenzzaun auf bulgarischer Seite nach dem Vorbild Griechenlands. Bisher hat sich die EU-Kommission geweigert, Geld für Mauern, Zäune und Stacheldraht bereitzustellen, sie will lediglich Infrastruktur an der Grenze unterstützen.

Österreich hatte im Dezember ein Veto gegen den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens eingelegt. Vor seinem Besuch hatte Nehammer gesagt, das Schengen-Veto Österreichs bleibe so lange aufrecht, „bis sich die Situation grundlegend ändert“.

Österreich argumentiert, dass in Österreich 2022 mehr als 100.000 Geflüchtete aufgegriffen worden seien. Laut Innenministerium kamen 40 Prozent aus der Türkei über Bulgarien, vor allem Menschen aus Afghanistan, Syrien, Marokko, Ägypten und Somalia.

Kritik der Opposition

Die Opposition kritisierte die Reise Nehammers und Karners als Inszenierung im laufenden ÖVP-Wahlkampf in Niederösterreich. „Mit dieser Showpolitik kurz vor der Landtagswahl schießen uns Nehammer und Karner in Europa noch weiter ins Aus“, so die NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon.

Dem Kanzler empfahl sie, den Besuch dafür zu nutzen, „seinen Fehler zu beheben und das Veto gegen den Schengen-Beitritt zurücknehmen – und sich lieber für ein gemeinsames, europäisches Asylsystem starkzumachen, statt weiter auf irgendwelche Zäune zu pochen.“

Die FPÖ sprach von einer „Inszenierungsreise“ von Nehammer und Karner, die „deren Totalversagen nicht kaschieren“ könne. Mit Verweis auf die hohen Asylantragszahlen in Österreich im Vorjahr forderte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer in einer Aussendung „einen echten Grenzschutz samt baulichen Maßnahmen in Österreich“, anstatt „lauthals Grenzzäune in Bulgarien zu fordern“.