Szene des Films „Corsage“ mit Vicky Krieps
APA/Alamode FILM/Ricardo VAZ Palma
Oscar-Nominierungen

„Corsage“ geht leer aus

Mit elf Nominierungen führt „Everything Everywhere All at Once“ heuer das Feld der Nominierten bei der Oscar-Verleihung am 12. März an. Große Chancen auf Oscar-Ehren hat auch die deutsche Produktion „Im Westen nichts Neues“: Der Antikriegsfilm ist gleich neunmal nominiert. Aus dem Rennen fiel hingegen „Corsage“ von Marie Kreutzer.

Zuletzt haben die meisten Beobachter mit dieser Entscheidung gerechnet: Marie Kreutzers Sisi-Drama schaffte es nicht auf die Liste der letzten fünf Werke im Rennen um den Auslandsoscar. Bei der Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen Dienstagfrüh (Ortszeit) in Los Angeles blieb dem Österreich-Beitrag der Erfolg nach der Debatte über Florian Teichtmeister verwehrt.

Teichtmeister spielt in „Corsage“ Kaiser Franz Joseph und muss sich Anfang Februar wegen des Besitzes von Dateien sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen vor Gericht verantworten. Nach Bekanntwerden der Causa hatten bereits einige Kinos „Corsage“ aus dem Programm genommen.

Filmszene aus „Im Westen nichts Neues“
AP/Netflix
Der deutsche Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ wurde gleich für neun Oscars nominiert

Über gleich neun Nominierungen darf sich dagegen die deutsche Produktion „Im Westen nichts Neues“ freuen. Der Film nach der Buchvorlage von Erich Maria Remarque aus dem Jahr 1929 ist unter anderem für den Oscar für den besten Film und den Auslandsoscar im Rennen. Weitere Nominierungen gab es in den Sparten „Kamera", Make-up & Hairstyling“, „Produktionsdesign“, „Sound“, „Visuelle Effekte“, „Adaptiertes Drehbuch“ und „Filmmusik“.

„Im Westen nichts Neues“ mit dem Wiener Schauspieler Felix Kammerer in der Hauptrolle zeigt das Grauen des Ersten Weltkriegs aus der Sicht eines jungen Soldaten und ist bereits seit letztem Jahr auf Netflix zu sehen. In die Endrunde für den Auslandsoscar kamen außerdem „Argentina, 1985“ (Argentinien), „EO“ (Polen), „Close“ (Belgien) und „The Quiet Girl“ (Irland).

Elf Nominierungen für „Everything Everywhere All at Once“

Als Favorit um die begehrten Oscar-Trophäen geht dagegen "Everything Everywhere All at Once“ von Dan Kwan und Daniel Scheinert ins Rennen. Die Science-Fiction-Abenteuerkomödie, die sich in den letzten Monaten sowohl zum Kritik- als auch zum Publikumsliebling entwickelte, handelt von zwei Generationen an Einwanderern aus China, die einen Waschsalon betreiben und Ärger mit der Steuer (als strenge Steuerberaterin: Jamie Lee Curtis) haben.

Filmszene aus „Everything Everywhere All At Once“
AP/A24 Films/Allyson Riggs
Michelle Yeoh (M.) spielt in „Everything Everywhere All at Once“ eine Waschsalonbesitzerin, auf die Abenteuer in Paralleluniversen warten

Neben dem Waschsalonalltag und familiären Problemen – die lesbische Tochter sorgt für Ärger, ihr Ehemann (Ke Huy Quan) will sich scheiden lassen – wartet zugleich das Martial-Arts-Multiversum: Die Mutter der Familie, gespielt von Michelle Yeoh, wird in dem schrägen Filmtrip um die Themen Identität und Familienzusammenhalt schließlich zur heimlichen Martial-Arts-Expertin in einem Paralleluniversum.

Auf neun Nennungen brachte es „The Banshees of Inisherin“ von Martin McDonagh, ein schwarzhumoriger Trennungsfilm über zwei sture, Jahrzehnte miteinander verbundene Freunde auf einer abgelegenen irischen Insel. Dahinter landete Baz Luhrmanns Biopic „Elvis“ mit acht Gewinnchancen.

Filmszene aus „Die Fabelmans“
Universal Pictures/Merie Weismiller Wallace
Höchst fasziniert beim ersten Kinobesuch: Der kleine Sammy in Spielbergs siebenmal nominierten „The Fabelmans“.

Steven Spielbergs autobiografisches Drama „The Fabelmans", in dem der 76-jährige Filmemacher auf seine Kindheit und auf das Leben seiner Eltern zurückschaut, wurde siebenmal nominiert, unter anderem in den Kategorien „Bester Film“ und „Beste Regie“. „Top Gun: Maverick“ kam auf sechs Nominierungen, genauso wie „Tar“ von Todd Field. Unter anderem darf Schnittmeisterin Monika Willi für einen Oscar für das Editing des Films hoffen, der von einer fiktiven Chefdirigentin der Berliner Philharmoniker erzählt. „Black Panther: Wakanda Forever“ landete fünfmal, James Camerons „Avatar 2“ viermal auf der Liste.

Debatte über „Corsage“ geht weiter

Dass die Diskussion über Kreutzers Sisi-Film weitergeht, scheint auch nach dem Ausscheiden von „Corsage“ aus dem Oscar-Rennen fix: Bereits in den letzten Wochen hatte die heimische Filmszene debattiert, ob Kreutzer bereits 2021 nach Bekanntwerden erster Gerüchte über Teichtmeister die Vorwürfe hätte ernster nehmen sollen.

Die Regisseurin Marie Kreutzer poses. REUTERS
Reuters/Sarah Meyssonnier
Regisseurin Marie Kreutzer ist mit Bekanntwerden des Skandals um Darsteller Teichtmeister in Erklärungsnot geraten

Der Schauspieler, der in „Corsage“ Kaiser Franz Joseph verkörpert, muss sich im Februar wegen des Besitzes von Dateien sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen vor Gericht verantworten. Teichtmeister zeigte sich geständig, zwischen 2008 und 2021 58.000 Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger aus dem Darknet heruntergeladen zu haben.

In Interviews unter anderem in „ORF III Live“ und in „kulturMontag“ hatte die sichtlich betroffen wirkende Regisseurin das Filmprojekt stets verteidigt und den feministischen Grundton von „Corsage“ betont. Ein selbst gewählter Rückzug des Films aus dem Oscar-Rennen wäre für sie nicht infrage gekommen: „Wir würden ihm (Teichtmeister, Anm.) eine ungeheure Macht geben, wenn wir sagen: ‚Man kann diesen Film nicht mehr sehen.‘ Dazu bin ich nicht bereit“, argumentierte Kreuzer in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“.

Geplantes Filmprojekt über Pädokriminalität

„In ‚Corsage‘ stecken jahrelange Arbeit und viel Liebe von vielen Menschen. Deshalb tut es ja auch so weh, dass der Film immer mit diesen grauenvollen Taten behaftet sein wird“, so Kreutzer. Ein zweiter, namentlich nicht genannter „Corsage“-Schauspieler ist inzwischen mit Vorwürfen sexueller Belästigung konfrontiert.

„Das ist mein größtes Unglück“, sie habe „den beiden Männern vertraut, das war vielleicht nicht richtig“. Seit September 2020 arbeitet Kreutzer an einem neuen Filmstoff, der sich mit einem ähnlichen Themenkreis wie der Fall Teichtmeister befasst. Ob dieses Projekt mit dem Arbeitstitel „Johnny Maccaroni“ nun zustande kommt, ist ungewiss.