Leopard Panzer der polnischen Armee
IMAGO/Artur Widak
Panzer für Ukraine

Polen beantragt in Berlin Liefererlaubnis

Nach dem deutschen Zögern in der Debatte über Panzerlieferungen an die Ukraine schlägt Polen nun Pflöcke ein: Warschau beantragte bei der deutschen Regierung am Dienstag offiziell die Erlaubnis, Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine liefern zu dürfen. Auch in den USA ist das letzte Wort zum Thema noch nicht gefallen.

Deutschland habe „unsere Anfrage bereits erhalten“, so der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak am Dienstag auf Twitter. Er rief Berlin zudem dazu auf, sich „der Koalition von Ländern anzuschließen, die die Ukraine mit Leopard-2-Panzern unterstützen“. Es gehe um die Sicherheit ganz Europas. Warschau verhandelt eigenen Angaben zufolge mit etwa 15 Staaten über eine solche Koalition.

Polen macht in der Angelegenheit schon eine Zeit lang Druck auf die Verbündeten. Bereits in der vorvergangenen Woche hatte Präsident Andrzej Duda gesagt, Warschau habe entschieden, der Ukraine 14 Leopard-Kampfpanzer zu überlassen. Regierungschef Mateusz Morawiecki kündigte am Montag an, Warschau werde dafür die deutsche Bundesregierung um Genehmigung bitten. Um in Deutschland hergestellten Panzer an andere Länder zu liefern, ist die Genehmigung Berlins erforderlich. Berlin will nun schnell über den Antrag entscheiden. „Wir werden das Verfahren mit der gebotenen Dringlichkeit behandeln“, so ein Regierungssprecher.

Polen will zudem von der EU eine Entschädigung für die Kosten der Lieferungen. „Wir werden bei der Europäischen Union eine Rückerstattung beantragen. Das wird ein weiterer Test des guten Willens sein“, so Morawiecki.

Scholz unter Druck

Noch zögert der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit der Erteilung der Liefererlaubnis. Aus Berlin hieß es, man wolle Panzer nur im Einklang mit den USA liefern. Nicht nur die SPD-Basis stemmt sich dagegen, auch die Mehrheit der Bevölkerung ist skeptisch, ob Deutschland eine solch aktive Rolle im Krieg in der Ukraine spielen soll.

Scholz selbst rechtfertigte seine zögerliche Haltung auch damit, dass er nicht dazu beitragen wolle, den Krieg zu einer Auseinandersetzung zwischen Russland und der NATO ausufern zu lassen. In der deutschen „Ampelkoalition“ steht er damit allerdings allein auf weiter Flur, ein handfester Koalitionsstreit in Berlin war die Folge. Denn Grüne und FDP sprachen sich vehement für die Panzerlieferung aus.

„Werden nicht im Weg stehen“

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte sich bereits offen für eine Genehmigung des Exports von Leopard-Panzern aus Polen gezeigt. Baerbock hatte in einem Interview mit dem französischen Fernsehsender LCI gesagt, Berlin werde sich einer Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine durch Polen nicht entgegenstellen. „Wenn man uns fragt, würden wir dem nicht im Weg stehen“, sagte Baerbock.

Grafik zum Kampfpanzer Leopard 2 A4
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: dpa

Am Freitag hatte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow bereits die Ausbildung ukrainischer Soldaten an Leopard-Panzern in Polen angekündigt. Dem US-Auslandssender Voice of America sagte Resnikow, Länder, „die bereits über Leopard-Panzer verfügen, können mit Ausbildungseinsätzen für unsere Panzerbesatzungen beginnen“.

Auch Stoltenberg fordert Lieferung

Am Dienstag forderte auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einem Besuch in Berlin die Lieferung neuer Waffen. „In diesem entscheidenden Moment des Krieges müssen wir der Ukraine schwerere und fortschrittlichere Systeme zur Verfügung stellen und wir müssen es schneller tun“, sagte Stoltenberg nach einem Gespräch mit dem neuen deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Berlin.

„Der einzige Weg zu einem dauerhaften Frieden besteht darin, (dem russischen Präsidenten Wladimir, Anm.) Putin klarzumachen, dass er auf dem Schlachtfeld nicht gewinnen wird“, so Stoltenberg. Die ukrainischen Streitkräfte müssten in der Lage sein, die Russen zurückzuschlagen „Nicht nur, um zu überleben, sondern um zu gewinnen, Territorium zurückzuerobern und als souveräner, unabhängiger Staat in Europa zu bestehen.“

Pistorius: Baldige Entscheidung über Panzer

Deutschland hat bisher gezögert, die Ukraine mit Leopard-2-Kampfpanzern im Krieg gegen Russland zu unterstützen. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius erwartet nun bald eine Entscheidung aus dem Kanzleramt.

Stoltenberg würdigte die Hilfe, die Deutschland bisher für die Ukraine geleistet habe. Berlin liefere unter den Verbündeten der Ukraine die „umfangreichste militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung“ für Kiew, sagte er. „Waffen aus Deutschland retten in der Ukraine Tag für Tag Leben.“ Zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern sei er zudem „zuversichtlich, dass wir bald eine Lösung haben werden“.

Pistorius: „Entscheidung in Kürze“

Auch Pistorius stellte eine rasche Entscheidung Deutschlands über die Lieferung der Leopard-Kampfpanzer in Aussicht. „Ich rechne damit, dass in Kürze eine Entscheidung fällt“, sagte Pistorius nach dem Gespräch mit Stoltenberg. Er habe andere Partnerländer, die bereits über Kampfpanzer dieses Modells verfügten, „ausdrücklich ermuntert“, mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten daran zu beginnen.

Die von ihm am Freitag veranlasste Abfrage der Leopard-Bestände stehe „kurz vor dem Abschluss“, so Pistorius. Dabei gehe es „nicht darum zu zählen, wie viele Panzer wir haben, das wissen wir“. Vielmehr wolle die Bundesregierung „Bestände und Potenziale“ der Rüstungsindustrie prüfen und die Kompatibilität der Leopard-Panzer untersuchen. Deutschland werde „sehr schnell handlungsfähig“ sein.

Der Kreml warnte unterdessen vor einer weiteren Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen, sollte die Bundesregierung Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine liefern lassen. „Solche Lieferungen verheißen nichts Gutes für die Zukunft der Beziehungen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Sie würden unausweichlich Spuren hinterlassen. Dabei seien die Beziehungen schon jetzt an einem gewissen Tiefpunkt. Weder mit Berlin noch mit anderen EU- und NATO-Staaten gebe es derzeit einen Dialog, sagte Peskow.

USA prüfen doch Abrams-Lieferung

Ebenfalls am Dienstag wurde bekannt, dass die US-Regierung einem Medienbericht zufolge nun doch die Lieferung von Abrams-Kampfpanzern an die Ukraine in Betracht zieht. Eine Ankündigung über die Zusage „einer größeren Anzahl“ der amerikanischen M1 Abrams zur Abwehr des russischen Angriffskrieges könnte noch diese Woche kommen, wie das „Wall Street Journal“ berichtete. Demnach soll US-Präsident Joe Biden Scholz in einem Telefonat vergangene Woche zugesagt haben, eine solche Lieferung prüfen zu lassen.

Die USA hatten bisher betont, die Bereitstellung des Abrams-Panzers aus praktischen Gründen nicht für sinnvoll zu halten. Die US-Panzer müssten über den Atlantik transportiert werden, die Instandhaltung sei aufwendiger, und sie verbrauchten zu viel Treibstoff, hieß es bisher aus dem Pentagon. Die Panzer schlucken außerdem das Flugzeugbenzin Kerosin, nicht wie der Leopard und viele Gefährte der Ukrainer Diesel. „Es macht einfach keinen Sinn, den Ukrainern dieses Mittel zum jetzigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen“, so Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh noch vor einigen Tagen.