Menschen in Pjöngjang
AP/Cha Song Ho
Nordkorea

Zu Hunger kommt extreme Kälte

Die nordkoreanischen Behörden warnen vor extremer Kälte im ganzen Land. Betroffen sei vor allem der Norden, der ärmste Teil Nordkoreas. Dort wird die Temperaturen staatlichen Medien zufolge unter minus 30 Grad Celsius sinken. Das dürfte die ohnehin schlechte Versorgungslage weiter verschärfen, befürchten Experten.

Prognosen beschreiben das Wetter als die „schwerste Kälte seit 2001“. In der Hauptstadt Pjöngjang seien am Dienstag minus 19 Grad gemessen worden, fast neun Grad unter dem Durchschnitt, berichtete der staatliche Radiosender. Vom Kälteeinbruch am stärksten betroffen seien die Provinzen im Norden, Ryanggang, Nordhamgyong und Südhamgyong.

In Küstenregionen wird außerdem mit starken Winden gerechnet, was einen die tiefen Temperaturen umso stärker spüren lässt. Den Prognosen zufolge soll die extreme Wetterlage landesweit voraussichtlich bis Donnerstag dauern. Das Staatsfernsehen ruft die Menschen seit Samstag dazu auf, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

Heizmaterial knapp

Über die Auswirkungen der extremen Kälte auf die Bevölkerung ist indes wenig bekannt. Elektrizität ist außerhalb Pjöngjangs knapp. Nordkoreanische Haushalte verbrennen zum Heizen normalerweise Holz, Kohlebriketts und getrocknete Pflanzen, berichtete das Onlineportal NK News. Viele würden Türen und Fenster nur mit einfachen Plastikfolien isolieren.

Verschärft wird die Situation durch die chronisch schlechte Versorgungslage, unter der das Land mit seinen 25 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern leidet. Im Dezember berichtete Radio Free Asia, dass eine „große Zahl“ von Menschen während einer weiteren extremen Kälteperiode vermisst worden sei – viele seien vermutlich entweder verhungert oder erfroren, als das Thermometer unter den Gefrierpunkt sank und die Lebensmittel knapp wurden.

Ernährungssituation angespannt

Laut Lucas Rengifo-Keller, Analyst am Peterson Institute for International Economics (PIIE) in den USA, soll die Ernährungsunsicherheit in Nordkorea auf dem schlimmsten Stand seit einer weit verbreiteten Hungersnot in den 1990er Jahren sein. Nach Angaben von UNO-Organisationen haben mehr als 40 Prozent der Bevölkerung keinen regelmäßigen Zugang zu Nahrung.

Die Kältewellenwarnung vom Dienstag erfolgte, während sich Pjöngjang darauf vorbereitet, den 75. Jahrestag der Koreanischen Volksarmee zu feiern. Satellitenbilder zeigten, wie Truppen und schwere Fahrzeuge den ganzen Winter über für die Parade am 8. Februar probten. Unklar ist, ob die Proben während der Extremkälte fortgesetzt werden.

Gefrorener Fluss Han in Seoul
Reuters/Kim Hong-Ji
Der zugefrorene Hangang (Han-Fluss) in Seoul

Auch Südkorea warnt

Auch Südkorea gab am Dienstag eine Kälte- und Schneewarnung heraus. Mancherorts kam der Verkehr auf dem Boden, zu Wasser und in der Luft zum Erliegen. In Seoul zeigte das Thermometer minus 16 Grad Celsius an, den tiefsten Wert seit 1927 mit einer Temperatur von minus 23,1 Grad. In der Provinz Gangwon fiel es sogar auf unter minus 25 Grad.

Die am stärksten betroffene Region war die Insel Jeju, wo alle 476 Flüge gestrichen wurden und rund 43.000 Passagiere festsaßen, so das Regionalbüro des Ministeriums für Land, Infrastruktur und Verkehr in Jeju. Premierminister Han Duck Soo rief am Montag dazu auf, sich auf Stromausfälle, Rohrbrüche und landwirtschaftliche Schäden vorzubereiten.

Auch in Japan wird erwartet, dass die Temperaturen diese Woche auf den niedrigsten Stand seit einem Jahrzehnt fallen werden. „Das wird die schlimmste Kälte dieses Winters. Vermeiden Sie es auszugehen, es sei denn, es ist notwendig“, warnten die Japan Meteorological Agency (JMA) und das Infrastrukturministerium am Montag. In der nördlichen Region Hokuriku werden bis zu 90 Zentimeter Neuschnee erwartet. In der Region Kanto-Koshin sollen es 70 Zentimeter werden. Auch in Tokio selbst soll es schneien.

Historische Kälte in China

Historische Kälte legte sich auch über die nordchinesische Provinz Heilongjiang. In der Stadt Mohe wurde mit minus 53 Grad Celsius die niedrigste jemals in China gemessene Temperatur erreicht. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag berichtete, wurde am Sonntag in der nördlichsten Stadt der Volksrepublik an der Grenze zu Russland der Rekord von minus 52,3 Grad aus dem Jahr 1969 gebrochen.

Drei Tage in Folge seien die Temperaturen in Mohe schon auf mehr als minus 50 Grad gefallen. In der Stadt herrschten acht Monate im Jahr Schnee und Eis mit einer jährlichen Durchschnittstemperatur um minus drei Grad, berichtete Xinhua. Damit setzt sich der Trend zu extremeren Wetterphänomenen fort. Im vergangenen Sommer erlebte China ein historische Trockenperiode, die zahlreiche Flüsse und Seen, darunter den Jangtse, auf Tiefstände brachte. Infolgedessen kam es an manchen Orten in China sogar zu Stromknappheit.

In Österreich beträgt die tiefste je gemessene Temperatur minus 52,6 Grad Celsius. Dieser Wert wurde am 19. Februar 1932 in der nahe Lunz am See befindlichen Senke Grünloch gemessen. Die niedrigste Temperatur, die bisher weltweit gemessen wurde, betrug minus 89,2 Grad Celsius am 21. Juli 1983 in der Antarktis.