Filmszene aus „Everything Everywhere All At Once“
AP/A24 Films/Allyson Riggs
„Corsage“ nicht dabei

Die Favoriten für die Oscars

Schnell, lustig und ziemlich abgedreht: Hollywood hatte „Everything Everywhere All at Once“ eigentlich zunächst nicht auf der Rechnung. Jetzt ist der Film mit elf Nominierungen bei der Oscar-Verleihung am 12. März dabei. Aus dem Rennen fiel „Corsage“ von Marie Kreutzer. Die Österreicherin Monika Willi ist dagegen mit „Tar“ in der Kategorie „Bester Schnitt“ nominiert.

Vor einem knappen Jahr war „Everything Everywhere All at Once“ nur in zehn Kopien in den US-amerikanischen Kinos gestartet – gegenüber vergleichsweise mehr als 4300 Kopien für die klassischen Blockbuster. Die Science-Fiction-Abenteuerkomödie von Dan Kwan und Daniel Scheinert rund um eine asiatische Heldin schaffte es dennoch, sich vom Geheimtipp zum Kritik- sowie zum Publikumsliebling zu entwickeln – und wurde bei der Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen Dienstagfrüh (Ortszeit) in Los Angeles gleich elfmal genannt, unter anderem als bester Film und für die beste Hauptdarstellerin.

Mit der 60-jährigen Michelle Yeoh ist erstmals eine asiatischstämmige Schauspielerin als beste weibliche Hauptrolle nominiert. Im Film spielt Yeoh eine chinesische Waschsalonbesitzerin, die neben dem chaotischen Alltag und familiären Problemen – die lesbische Tochter sorgt für Ärger, ihr Ehemann (Ke Huy Quan) will sich scheiden lassen – auch noch Ärger mit der Steuer hat (als strenge Steuerberaterin: Jamie Lee Curtis).

Und zugleich ruft das Martial-Arts-Multiversum: In dem schrägen Filmtrip um die Themen Identität und Familienzusammenhalt wird Yoeh plötzlich in ein Paralleluniversum entführt, wo sie sich zur heimlichen Martial-Arts-Expertin entwickelt.

Neun Nominierungen für „Im Westen nichts Neues“

Über gleich neun Oscar-Nominierungen, unter anderem für den besten Film und den Auslandsoscar, darf sich außerdem die deutsche Produktion „Im Westen nichts Neues“ freuen. Der Film mit dem Wiener Schauspieler Felix Kammerer in der Hauptrolle und nach der Buchvorlage von Erich Maria Remarque aus dem Jahr 1929 zeigt das Grauen des Ersten Weltkriegs aus der Sicht eines jungen Soldaten und ist bereits seit letztem Jahr auf Netflix zu sehen.

Filmszene aus „Im Westen nichts Neues“
AP/Netflix
Der deutsche Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ wurde für neun Oscars nominiert

Der österreichische Beitrag, Marie Kreutzers Sisi-Drama „Corsage“, schaffte es dagegen nicht auf die Liste der letzten fünf Werke im Rennen um den Auslandsoscar. Die meisten Beobachterinnen und Beobachter hatten nach Bekanntwerden des Skandals um Florian Teichtmeister mit dieser Entscheidung gerechnet. Teichtmeister spielt in „Corsage“ Kaiser Franz Joseph und muss sich Anfang Februar wegen des Besitzes von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen vor Gericht verantworten.

Innsbruckerin Monika Willi mit „Tar“ nominiert

Mit der Nominierung der Schnittmeisterin Monika Willi für einen Oscar für das Editing des Films „Tar“ gibt es aus österreichischer Sicht eine Überraschung. „Ich bin sprachlos. Damit habe ich nicht gerechnet“, meldete sich Monika Willi gegenüber dem „Kurier“ anlässlich ihrer Oscar-Nominierung für den Schnitt von „Tar“ zu Wort. Willi arbeitete lange Jahre mit Michael Haneke zusammen. „Tar“ von Todd Field, der insgesamt siebenmal nominiert wurde, erzählt von einer fiktiven Chefdirigentin der Berliner Philharmoniker.

Monika Willi bei der Premiere von „TÁR“
AP/NDZ/STAR MAX/IPx
„Ich bin sprachlos“: Monika Willi zu ihrer Oscar-Nominierung für den Schnitt von „Tar“

Auf neun Nennungen brachte es „The Banshees of Inisherin“ von Martin McDonagh, ein schwarzhumoriger Trennungsfilm über zwei sture, Jahrzehnte miteinander verbundene Freunde auf einer abgelegenen irischen Insel. Dahinter landete Baz Luhrmanns Biopic „Elvis“ mit acht Gewinnchancen.

Steven Spielbergs autobiografisches Drama „The Fabelmans“, in dem der 76-jährige Filmemacher auf seine Kindheit und auf das Leben seiner Eltern zurückschaut, wurde siebenmal nominiert, unter anderem in den Kategorien „Bester Film“ und „Beste Regie“. „Top Gun: Maverick“ kam auf sechs Nominierungen. „Black Panther: Wakanda Forever“ landete fünfmal, James Camerons „Avatar 2“ viermal auf der Liste.

Filmszene aus „Die Fabelmans“
Universal Pictures/Merie Weismiller Wallace
Höchst fasziniert beim ersten Kinobesuch: Der kleine Sammy in Spielbergs siebenmal nominierten „The Fabelmans“

Debatte über „Corsage“ geht weiter

Dass die Diskussion über Kreutzers Sisi-Film weitergeht, scheint auch nach dem Ausscheiden von „Corsage“ aus dem Oscar-Rennen fix: Bereits in den letzten Wochen hatte die heimische Filmszene debattiert, ob Kreutzer bereits 2021 nach Bekanntwerden erster Gerüchte über Teichtmeister die Vorwürfe hätte ernster nehmen sollen.

Der Schauspieler, der in „Corsage“ Kaiser Franz Joseph verkörpert, muss sich im Februar wegen des Besitzes von Dateien sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen vor Gericht verantworten. Teichtmeister zeigte sich geständig, zwischen 2008 und 2021 58.000 Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger aus dem Darknet heruntergeladen zu haben.

Die Regisseurin Marie Kreutzer poses. REUTERS
Reuters/Sarah Meyssonnier
Regisseurin Marie Kreutzer ist mit Bekanntwerden des Skandals um Darsteller Teichtmeister in Erklärungsnot geraten

In Interviews unter anderem in „ORF III Live“ und in „kulturMontag“ hatte die sichtlich betroffen wirkende Regisseurin das Filmprojekt stets verteidigt und den feministischen Grundton von „Corsage“ betont. Ein selbst gewählter Rückzug des Films aus dem Oscar-Rennen wäre für sie nicht infrage gekommen: „Wir würden ihm (Teichtmeister, Anm.) eine ungeheure Macht geben, wenn wir sagen: ‚Man kann diesen Film nicht mehr sehen.‘ Dazu bin ich nicht bereit“, argumentierte Kreuzer in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“.

Geplantes Filmprojekt über Pädokriminalität

„In ‚Corsage‘ stecken jahrelange Arbeit und viel Liebe von vielen Menschen. Deshalb tut es ja auch so weh, dass der Film immer mit diesen grauenvollen Taten behaftet sein wird“, so Kreutzer. Ein zweiter, namentlich nicht genannter „Corsage“-Schauspieler ist inzwischen mit Vorwürfen sexueller Belästigung konfrontiert.

„Das ist mein größtes Unglück“, sie habe „den beiden Männern vertraut, das war vielleicht nicht richtig“. Seit September 2020 arbeitet Kreutzer an einem neuen Filmstoff, der sich mit einem ähnlichen Themenkreis wie der Fall Teichtmeister befasst. Ob dieses Projekt mit dem Arbeitstitel „Johnny Maccaroni“ nun zustande kommt, ist ungewiss.