Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj
Reuters/Valentyn Ogirenko
Nach Panzerzusage

Selenskyj erneuert Ruf nach Kampfjets

Nur kurz nach der Entscheidung zur Lieferung von Kampfpanzern sehen sich die Unterstützer der Ukraine mit neuen Waffenforderungen konfrontiert. Wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch in seiner allabendlichen Videoansprache sagte, seien nun auch Fortschritte in anderen militärischen Fragen notwendig – konkret brauche sein Land mehr Artillerie, Langstreckenraketen und Kampfflugzeuge.

Forderungen wie diese sind nicht neu: Bereits unmittelbar nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar des Vorjahres wurde von ukrainischer Seite der Ruf nach Kampfjets laut. „Je mehr Unterstützung unsere Helden an der Front von der Welt erhalten, desto schneller wird die russische Aggression beendet“, sagte Selenskyj nun in seiner Videoansprache.

Dem ukrainischen Präsidenten zufolge sei jetzt wichtig, dass der Westen auch „die Lieferung von Langstreckenraketen auf den Weg“ bringe. Kiew und seine Verbündeten müssten zudem „unsere Zusammenarbeit bei der Artillerie ausweiten“ und die „Entsendung von Kampfflugzeugen“ ermöglichen.

„Kommt auf Schnelligkeit und Menge an“

Nach der offiziellen Zusage zur Lieferung von Kampfpanzern dankte Selenskyj ausdrücklich dem deutschen Kanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden. Nunmehr müsse „eine Faust der Panzer“ gebildet werden, sagte Selenskyj, „eine Faust der Freiheit, die nicht zulässt, dass die Tyrannei wiederaufersteht.“ Der Schlüssel dazu liege in der Geschwindigkeit der Ausbildung der ukrainischen Panzerbesatzungen und der Lieferung von Panzern in die Ukraine. Auch die Menge der zu liefernden Panzer sei entscheidend.

Deutschland und die USA hatten am Mittwoch nach langem Zögern die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine angekündigt. Damit soll Kiew in die Lage versetzt werden, mit einer Gegenoffensive russisch besetztes ukrainisches Gebiet zu befreien.

Korrespondenten zu den Panzerlieferungen

Die ORF-Korrespondenten Andreas Pfeifer aus Berlin, Thomas Langpaul aus Washington und Christian Wehrschütz aus Kiew äußern sich zu den Panzerlieferungen in die Ukraine.

Kreml: Westen beteiligt sich „direkt“ an Konflikt

Die Entscheidung westlicher Länder, der Ukraine schwere Kampfpanzer zu liefern, wird vom Kreml als „direkte Beteiligung“ an dem Konflikt gewertet. „In Moskau betrachten wir das als eine direkte Beteiligung am Konflikt“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag. Moskau sehe zudem, dass „das zunimmt“, fügte er hinzu.

Biden: „Wird einige Zeit dauern“

Biden gab am Mittwochabend bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus die geplante Lieferung von 31 Kampfpanzern vom Typ M1 Abrams bekannt. Nur wenige Stunden zuvor hatte Deutschland die Lieferung von 14 Panzern des Typs Leopard 2A6 angekündigt. Zudem erteilte Berlin der Lieferung von Leopard-Panzern aus den Beständen anderer NATO-Staaten die nötige Zustimmung.

Die Lieferung der Abrams-Panzer in die Ukraine wird nach den Worten von Biden „einige Zeit in Anspruch nehmen“. Die Zeit solle genutzt werden, um sicherzustellen, dass die Ukrainer vollständig darauf vorbereitet würden, die Abrams-Panzer „in ihre Verteidigung zu integrieren“, sagte Biden am Mittwoch in Washington. Auch die deutschen Panzer dürften erst in rund drei Monaten in der Ukraine einsatzbereit sein. Dazu müssen vorher ukrainische Einheiten eingeschult werden.

Polens Regierung geht unterdessen davon aus, dass 14 Leopard-Kampfpanzer der polnischen Armee bereits in wenigen Wochen an die Ukraine geliefert werden können. „Sobald (die Ukrainer) die Schulung absolviert haben, sind wir bereit, dieses Gerät der ukrainischen Seite zu übergeben. Ich bin überzeugt, das ist eine Frage von mehreren Wochen“, sagte Vizeverteidigungsminister Wojciech Skurkiewicz am Donnerstag.

Selenskyj: „Wichtige Etappe auf Weg zum Sieg“

Die Staatsspitze der Ukraine begrüßte die angekündigte Lieferung westlicher Kampfpanzer als Schritt zum militärischen Sieg gegen Russland. Selenskyj schrieb auf Twitter von einer „wichtigen Etappe auf dem Weg zum Sieg“. Die „freie Welt“ sei „wie nie zuvor geeint in einem gemeinsamen Ziel: der Befreiung der Ukraine“.

Militäranalytiker zu den Panzerlieferungen

Militäranalytiker Franz-Stefan Gady von Institute for International Strategic Studies (IISS) in London spricht über die Panzerlieferungen an die Ukraine.

Gleichzeitig sprach etwa der ukrainische Vizeaußenminister und frühere Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, von einem „ersten Schritt“. Die Ukraine benötige jetzt gleichfalls eine Verstärkung ihrer Luftstreitkräfte, sie benötige moderne Kampfjets, etwa Tornados, so Melnyk, der zudem anmerkte: „Wir brauchten Kriegsschiffe, damit die Küste geschützt werden kann. Wir brauchten auch U-Boote.“ Und das alles müsse viel schneller und zügiger gehen als bisher.

Neuerliche Absage an Gespräche mit Putin

Im Interview mit dem britischen Sender Sky News bekräftigte Selenskyj unterdessen seine Absage an Verhandlungen mit Russland zum jetzigen Zeitpunkt. Gespräche seien nur möglich, wenn Russland seine Militärangehörigen abziehe, seinen Fehler eingestehe und es vielleicht eine neue Führung in Moskau gebe, sagte Selenskyj. „Nur dann kann die Situation gelöst werden. Nur dann sind Verhandlungen möglich.“ Der Präsident hatte Verhandlungen mit Kreml-Chef Wladimir Putin bereits Ende September 2022 per Dekret verboten.

Selenskyj betonte, ein Treffen mit Putin habe keinen Sinn. „Es interessiert mich nicht. Es ist nicht interessant, sich zu treffen, es ist nicht interessant zu sprechen“, sagte er. „Sie wollen keine Verhandlungen, und das war auch schon vor dem Überfall so. Präsident Putin hat so entschieden.“