Auf dem Flughafen Zürich geparkte Businessjets verschiedenster Typen
IMAGO/Björn Trotzki
Luxus auf Klimakosten

Beliebtheit von Privatjets ungebrochen

Individualtransporte sind dem Klima selten zuträglich – was für das Auto gilt, muss umso mehr für Flugreisen gelten. Privatjets stoßen europaweit jährlich Millionen Tonnen Treibhausgase aus. Doch ihre Attraktivität bleibt auch nach der Pandemie hoch, bei Geschäftsleuten ebenso wie bei Superreichen.

Die Vorteile – so man sie sich leisten kann – sind unbestreitbar: Platz, Privatsphäre, Zeitersparnis, Luxus. Während der Pandemie wurden die Vorzüge von Flügen mit Privatjets noch einmal verstärkt, konnten zahlungsfähige Passagiere doch auch Lockdowns entfliehen und größere Menschenmassen meiden.

Die Anzahl von Privatjetflügen während der Pandemie stieg daher deutlich. Im August 2020, als Linienflüge im Vorjahresvergleich um 60 Prozent einbrachen, hatte der Privatjetverkehr bereits wieder das Niveau vor 2019 erreicht. Und der Sektor wächst kontinuierlich. So lagen laut dem Flugdatendienst WINGX Flüge per Businessjet im Jänner zwar nur wenig über dem Vorjahreszeitraum, aber gut zehn Prozent über dem Jänner 2019.

Steter Aufwind

Zahlen für Österreich zu finden ist gar nicht so leicht. Die heimische Austrocontrol konnte auf Anfrage von ORF.at keine spezifischen Zahlen nennen, dazu gebe es keine eigenen Auswertungen. Das Verkehrsministerium publizierte eine Erhebung der österreichischen Luftfahrtunternehmen, allerdings schon 2015. Seither hat sich viel in dem Sektor getan, damals gab es etwa sogar noch die Airline Niki. Daher sind diese Daten kaum mehr nützlich.

Die Statistik Austria wiederum hat eine Auswertung zum Luftfahrtverkehr 2021. Laut dieser gab es vor zwei Jahren 118.816 Linienflüge und 5.875 Flüge des „Gelegenheitsverkehrs“. Die durchschnittliche Anzahl von Passagieren pro Flug sank im Vergleich zu 2017 um 13 Prozent.

Noch aussagekräftiger ist der Anteil der „Taxi- und Gesellschaftsflüge“ am gewerblichen Luftverkehr. Laut Auswertung gab es 2021 fast 107.500 Starts in dieser Kategorie – mit etwas mehr als 115.000 Fluggästen.

Die neuesten Daten, die die Homepage der Austrian Business Aviation Association (ABAA), des Fachverbandes für die im heimischen Geschäftsflugverkehr tätigen Firmen, ausweist, stammen aus dem Jahr 2017. Demzufolge machten Business-Flüge schon damals rund zwölf Prozent des Flugverkehrs aus, dazu zählten aber auch Ambulanzflüge. 2017 seien mehr als 20.600 solcher Flüge in Österreich gestartet, ein Plus von über 1.100 im Vergleich zum Jahr davor.

Zehn Mio. Tonnen CO2

Nicht nur die Zahl der Flüge per Privatjet steigt, sondern freilich auch die damit einhergehenden Emissionen. Offizielle Zahlen gibt es nicht, doch NDR und „Süddeutsche Zeitung“ werteten kürzlich Daten von geflogenen Strecken, genutzten Flugzeugtypen und den Kerosinverbrauch aus und errechneten die Menge an Treibhausgasen, die Privatjets in Europa im vergangenen Jahr verursacht haben: Es waren etwa zehn Millionen Tonnen.

Privatjets verursachten Emissionen von durchschnittlich 1,3 Kilogramm CO2 pro Person und Kilometer, heißt es von Greenpeace gegenüber ORF.at. „Das ist das Zehnfache eines normalen Fluges und sogar 50-mal mehr als eine durchschnittliche Zugsfahrt in Europa.“

Laut dem europäischen Umweltdachverband Transport & Environment (T&E) stiegen die CO2-Emissionen von Privatjets in Europa zwischen 2005 und 2019 um fast ein Drittel (31 Prozent) – deutlich schneller als die Emissionen im kommerziellen Luftverkehr. Ein vierstündiger Privatflug stoße so viel CO2 aus wie eine durchschnittliche Person in einem Jahr. „Mit einem Privatjet zu fliegen ist vermutlich das Umweltschädlichste, was man tun kann. Und doch fliegen superreiche Umweltverschmutzer umher, als ob es keine Klimakrise gäbe“, so Andrew Murphy von T&E in seiner Auswertung.

Kurze Distanzen mit leerem Passagierraum

Dabei seien Großbritannien und Frankreich zahlenmäßig die Vorreiter. Jeder zehnte Privatjetflug sei etwa in Frankreich gestartet – während wiederum die Hälfte dieser Flüge Strecken unter 500 km waren. Überhaupt seien rund 40 Prozent der Flüge Leertransporte, sie flögen nur, um die Jets zum passenden Ort zu bringen.

Tesla-Gründer Elon Musk verlässt seinen Privatjet
imago/Belga
Um die Welt jetten ohne die Massen: Elon Musk will unbeobachtet reisen

Viele der Privatjets würden auch nur kurze Distanzen zurücklegen, so Greenpeace. Im Vergleich zur kommerziellen Luftfahrt würden sie doppelt so häufig für sehr kurze Strecken, kürzer als 500 km, innerhalb Europas genutzt. Diese Entfernungen entsprächen jenem Betriebsbereich, in dem Flugzeuge am wenigsten effizient und besonders klimaschädlich seien.

Das Interesse aber steigt weiter, aus mehreren Gründen. In den meisten europäischen Staaten werden Privatjets trotz ihrer Klimaschädlichkeit nicht besteuert. Sie sind vom EU-Emissionshandel, der seit 2012 gilt, ausgenommen. Auch die jüngste Ausweitung des Handels änderte daran nichts. Eine Kerosinsteuer gibt es ebenfalls nicht.

Erweiterter Interessentenkreis

Superreiche und Interessierte können wählen zwischen mehreren Optionen für Reisen mit dem Privatjet: Es gibt Mitgliedschaften (etwa 5.000 Euro die Flugstunde), On-Demand-Charterflüge, ganze oder Teileigentümerschaften. Der durchschnittliche Privatjetbesitzer hat ein Nettovermögen von 1,3 Mrd. Dollar.

Etliche Anbieter versuchen außerdem inzwischen, die Hemmschwelle zu senken und Privatjetflüge auch für einen größeren Personenkreis zu öffnen. So nutzen vermehrt Menschen Privatjets auch für eine Urlaubsreise, im Sommer etwa gibt es den Höhepunkt mit Flügen nach Ibiza und Nizza, so der Umweltverband. Voriges Jahr habe es auch einen Rekord an Verkäufen bei Privatjets gegeben.

In Großbritannien bietet seit Jänner ein Unternehmen Privatjetflüge für Haustiere an, wie der „Guardian“ berichtete. Dafür werde die Firma G6 Aviation mit Anfragen überhäuft. Die Interessenten seien gar nicht hauptsächlich Superreiche, sondern etwa Leute, die von einem Land ins andere übersiedeln. „Die Menschen sind mehr denn je bereit, mehr Geld auszugeben und mit ihren Haustieren in einem Privatjet zu fliegen“, wird Firmenchef Adam Golder zitiert.

Screenshot der Instagram-Seite von Kylie Jenner
Screenshot Instagram/Kylie Jenner
„Nehmen wir meinen oder deinen?“, fragte Kylie Jenner und erntete einen Shitstorm

Reich und Schön im Jet

Auch die Vorbildwirkung von Prominenten, die in sozialen Netzwerken mit ihren Privatflugzeugen prahlen, könnte eine Rolle spielen. Die Jets von Taylor Swift oder Jay-Z können im Netz getrackt werden. So kann jeder Mensch auf der Welt sehen, wer wohin fliegt.

Auch Tesla-Gründer Elon Musk wurde getrackt, ein Aufsehen erregender Streit mit einem User war die Folge. Influencer wie Kylie Jenner posten gerne Fotos von sich im Jet, fliegend von einem Hotspot zum nächsten. Jenner trug sich etwa einen Shitstorm ein, weil sie den Jet auch für Minidistanzen nutzte. „Nehmen wir meinen oder deinen?“ stand bei einem mittlerweile gelöschten Posting, das zwei Jets ihrer Familie auf dem Flugfeld zeigte.

Privatmaschinen

Was allgemein „Privatjet“ genannt wird, muss kein Jet sein. Strahlantriebe sind aber bei vielen Maschinen vorhanden. Privatjets können „light“, „midsize“ oder „large“ Jets sein. Auch andere Antriebe sind möglich, etwa bei Turboprop-Maschinen (Propellerturbinen-Luftstrahltriebwerk).

Der Chef des Luxusgüterkonzerns LVMH, Bernard Arnault, verkaufte gar seinen Privatjet, um der Onlineüberwachung zu entgehen. „Jetzt kann niemand mehr sehen, wohin ich fliege, weil ich dann eben Flugzeuge miete“, so Arnault laut „Guardian“.

Ruf nach Konsequenzen

Die Hoffnung mancher Umweltgruppen liegt angesichts der steigenden Zahlen darin, dass gerade diese Klientel mehr Innovationen vorantreiben könnte, hin zu weniger umweltschädlichen Flugreisen. Jene, die Privatjets nutzen, seien „diejenigen, die sich Innovationen leisten können. Im Moment gibt es etwa Testflugzeuge mit Elektro- und Wasserstoffbrennstoffzellen“, sagte Matt Finch von T&E der Zeitung. „Es gibt Fortschritte, und sie werden immer verfügbarer für die kommerzielle Nutzung.“ Anderen geht das freilich zu langsam, der einzige Weg bestehe darin, weniger zu fliegen.

Greenpeace fordert überhaupt ein Verbot von Privatjets in der EU. „Angesichts der globalen Energiekrise und der eskalierenden Klimakrise ist es an der Zeit, Privatjets als das ungleichste und umweltschädlichste Verkehrsmittel abzuschaffen“, hieß es gegenüber ORF.at.