Gesundheitsminister Johannes Rauch
APA/Roland Schlager
Gesundheitssystem

Rauch erhöht Druck für Reform

Im Gesundheitssystem hapert es an vielen Stellen: bei Kassenärzten, Pflegepersonal und Effizienz. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will über den Finanzausgleich eine umfassende Gesundheitsreform angehen. Länder, Krankenkasse und Ärztekammer müssten für eine erfolgreiche Reform mit an Bord sein, so Rauch. Zugleich erhöhte er am Freitag im Ö1-Morgenjournal den Druck auf die Verhandlungspartner. Gesetzliche Regeln auch gegen den Willen der Partner seien möglich.

Besonderes Augenmerk legte er auf die Ärztekammer, die schon in den vergangenen Tagen immer wieder in der Kritik stand. Rauch attestierte der Ärztekammer, eine gewichtige Interessenvertretung zu sein, gut vernetzt und eine harte Verhandlerin: „Da geht es sehr viel um Bewahren, weniger um Gestalten.“ Als Gesundheitsminister sei es nicht seine Aufgabe, die Interessen der Berufsgruppen zu vertreten, sondern die der Patienten und Patientinnen.

Rauch will die Zeit bis Ende des Jahres im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen für Reformen nutzen. Wenn es dann keinerlei Bereitschaft zu Reformen gebe, werde man sich überlegen müssen, wie man einzelne Verhandlungspartner dazu bringt, den Dingen nachzukommen. „Eine endlose Fortschreibung der Beharrungszustände können wir uns nicht leisten“, sagte Rauch.

„Verstehe den Widerstand der Ärztekammer nicht“

Damit spielte der Gesundheitsminister auch auf die kürzlich vom burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) vorgebrachte Kritik an der Ärztekammer an, dass diese etwa bei den Bereitschaftsdiensten der Ärzte in der Nacht und am Wochenende sowie bei den offenen Kassenstellen blockiere – mehr dazu in burgenland.ORF.at. Laut Gesetz ist die Ärztekammer für die Einrichtung eines Not- und Bereitschaftsdienstes zuständig. Doskozil will die Macht der Ärztevertretung verringern.

Rauch setzt vorerst auf Verhandlungen. Ein eindeutiges Ja kam jedenfalls auf die Frage, ob er ein Ende des Vetos der Ärztekammer bei der Einrichtung von Primärversorgungszentren vorantreiben wolle. Es stünden 100 Mio. Euro EU-Förderung für die Primärversorgungszentren zur Verfügung. Dennoch gebe es statt der geplanten 75 bisher nur 39 dieser Einrichtungen. Rauch: „Ich verstehe den Widerstand der Ärzte nicht.“

Ärztekammer-Vizepräsident Schlögel über die Vorwürfe

Derzeit wird die Ärztekammer von vielen Seiten wegen einer Blockadehaltung kritisiert. Der Vizepräsident der Ärztekammer, Harald Schlögel, nimmt dazu Stellung. Schlögel spricht unter anderem über das Vetorecht der Ärztekammer und wie er die Versorgung im ländlichen Gebiet aufgrund des Kassenarztmangels sicherstellen möchte.

Ärztekammer will attraktivere Rahmenbedingungen

Die Ärztekammer sieht im Gesundheitssystem ebenfalls Reformbedarf und forderte attraktivere Rahmenbedingungen für alle Gesundheitsberufe. ÖÄK-Vizepräsident Harald Mayer sagte, er vermisse „Konkretes“ aus dem Gesundheitsministerium, wenn es um konstruktive Ideen und die Bereitschaft zur Umsetzung „im Rahmen der finanziellen Möglichkeit“ gehe. Die Ärztekammer sei jedenfalls zu Reformen bereit.

Empört reagierte sie allerdings auf die Kritik Doskozils. Dieser diskreditiere einen ganzen Berufsstand und rüttle an der gesamten Sozialpartnerschaft. „Jede Reform ohne Einbeziehung der hauptbetroffenen Ärzteschaft ist von vornherein zum Scheitern verurteilt“, teilte Johannes Steinhart, Präsident der Ärztekammer (ÖÄK), mit und pochte auf eine Einbindung in die Finanzausgleichsverhandlungen. Beim Finanzausgleich geht es um die jährliche Verteilung von rund 90 Mrd. Euro an Steuermitteln zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

„Nutzt Vetorechte zu ihrem Vorteil“

Kritik an der Ärztekammer gab es auch von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Arbeitnehmerobmann Andreas Huss führte in einer Aussendung mehrere Negativbeispiele der Zusammenarbeit mit der Ärztekammer an. Diese verhindere etwa den Ausbau der kindermedizinischen Ambulatorien in Wien, wehre sich gegen alternative Versorgungsformen wie Ambulatorien und Kooperationen mit Krankenhäusern: „Die Ärztekammer nutzt hier ihre Vetorechte, um eine Angebots- und Nachfrageschieflage zu erzeugen und diese zu ihrem Vorteil zu nutzen.“ Hohe Nachfrage und niedriges Angebot führten zu höheren Honoraren.

Ähnlich argumentierte Ralph Schallmeiner, Gesundheitssprecher der Grünen: Statt konstruktiv an der Verbesserung der Versorgung der Patientinnen und Patienten mitzuwirken, „kommt bei fast allen wichtigen Themen immer nur ein Nein aus der Weihburggase (Standort der Ärztekammer, Anm.)“, so Schallmeiner in einer Aussendung. Diese Haltung könnten auch viele Mediziner im persönlichen Gespräch „nicht mehr nachvollziehen“.

Rauch (Grüne) macht Druck auf Ärztekammer

Der Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) macht Druck auf die Ärztekammer, dabei geht es um den Ausbau der Primärversorgungszentren. Bis 2021 hätten 75 solcher Zentren errichtet werden sollen, umgesetzt wurden nur 39.

FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak hingegen warf Rauch und der ÖVP-Grünen-Regierung vor, Reformen im Gesundheitsbereich „verschlafen, das System finanziell ausgehungert und das medizinische Personal an seine Leistungsgrenze gebracht“ zu haben. Die Pläne des Gesundheitsministers kämen zu spät.

Länder nicht auf einer Linie

Am Donnerstag trafen sich einige Ländervertreter zu einer ersten inhaltlichen Abstimmung für die Verhandlungen. Doskozil als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz betonte ein „geschlossenes und parteiübergreifendes“ Auftreten. Völlige Einigkeit dürfte dennoch nicht herrschen. Der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) etwa stellte sich nach Doskozils Kritik hinter die Ärztekammer. Diese sei ein „wesentlicher Partner“ mit „durchaus viel Einfluss“ und erkenne die „Problemlagen, die wir im Land haben“.

„Besorgniserregender Trend“ bei Kassenärzten

Eines der großen Themen im Gesundheitssystem ist der wachsende Anteil von Wahlärzten und -ärztinnen zulasten der Kassenstellen. Am Donnerstag startete die Ärztekammer eine Petition wegen offener Kassenstellen mit Forderungen nach Bürokratieabbau, neuen Arbeitszeitmodellen und Entlohnungssystemen. Österreichweit seien derzeit 300 Stellen unbesetzt, davon 176 in der Allgemeinmedizin und 124 Fachärzte. Die Ärztekammer sprach von einem „besorgniserregenden Trend“.

Die ÖGK wies die Zahlen zurück. 97 Prozent aller Kassenplanstellen seien derzeit besetzt. Offen seien 99 Stellen für Allgemeinmedizin und 72 Facharztstellen. Reformbedarf sieht Rauch allerdings auch bei den Krankenkassen. Über Tarife, Qualitätssicherung und einheitliche Leistungskataloge müsse der niedergelassene Bereich, und da vor allem die Kassenstellen, attraktiver gestaltet werden.