F-16 Kampfjet hebt ab
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Panzer für Ukraine

Auch Kampfjets kein Tabu mehr

Kaum dass Zusagen zur Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine aus mehreren Ländern auf dem Tisch sind, lautet das neue Thema Flugzeuge. Kiew hatte entsprechende Forderungen zuletzt erneuert, die „Wunschliste“ reicht von US-Jets vom Typ F-16 bis zum Eurofighter. Dass tatsächlich auch Kampfjets geliefert werden, scheint zumindest nicht mehr ausgeschlossen.

Schon die Bedenken gegen die Lieferung westlicher Kampfpanzer an die Ukraine waren groß gewesen, besonders in Deutschland. Am Ende standen Zusagen nicht nur Berlins für den Leopard 2, auch die USA versprachen Kiew M1 Abrams, Großbritannien den Challenger 2. Weitere Länder liefern den in Deutschland gebauten Leopard.

Ähnlich wie bei schweren Kampfpanzern – nicht bei Panzern für die Infanterie und Luftabwehr – anfangs von einer roten Linie die Rede gewesen war, war es das auch bei Kampfjets, die die Ukraine jüngst neben Langstreckenraketen von ihren westlichen Unterstützerländern forderte. Nun scheint auch die Lieferung von Flugzeugen eine – wenngleich noch vage – Option.

„Kein Waffensystem ausgeschlossen“

Das jüngste Indiz dafür: Die USA schließen nicht mehr aus, der ukrainischen Armee Kampfflugzeuge zur Verfügung zu stellen, wie der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jon Finer, am Donnerstag (Ortszeit) im US-Fernsehsender MSNBC durchblicken ließ.

Ukraine: Weitere Waffenlieferungen

Nachdem Deutschland und die USA der Ukraine versprochen haben, Kampfpanzer zu liefern, schließen sich nun auch weitere Länder an. Am Freitag hat Polen 60 weitere Panzer versprochen, und auch Kanada möchte der Ukraine welche zur Verfügung stellen. Die Ukraine hingegen denkt schon an Kampfflugzeuge.

Auf die Frage, ob die USA eine solche Lieferung in Erwägung zogen, sagte Finer, man habe kein bestimmtes Waffensystem ausgeschlossen. Man werde die Unterstützung danach ausrichten, was die Ukraine brauche. „Wir werden das sehr sorgfältig diskutieren“, sagte Finer im Hinblick auf entsprechende Anfragen aus Kiew.

Von F-35 bis Eurofighter

Zuvor hatte der stellvertretende ukrainische Außenminister Andrij Melnyk moderne Kampfjets zur Verteidigung gegen die russischen Truppen im Land gefordert. Die Verbündeten seines Landes sollten eine starke „Kampfjet-Koalition“ auf die Beine stellen: mit US-amerikanischen F-16 und hochmodernen F-35, Eurofightern, deutsch-britisch-italienischen Tornados, französischen Rafale und schwedischen Gripen.

F-16 fliegt durch Wolke
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F-35 aus US-Produktion bei einem Luftmanöver über Japan

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte nach den jüngsten Zusagen von Kampfpanzern aus mehreren Ländern direkt auf die zusätzliche Lieferung von Langstreckenraketen, Kampfflugzeugen und mehr Artillerie gepocht.

Paris will „alle Türen offen lassen“

Auch in Frankreich klopft die Ukraine mit ihren Forderungen nach Flugzeugen allem Anschein nach nicht an verschlossene Türen. „Wir müssen Anfragen von Fall zu Fall untersuchen und alle Türen offen lassen“, sagte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der Nationalversammlung, Thomas Gassilloud, britischen Medienberichten zufolge am Donnerstag in London.

Französischer Rafale Kampfjet beim Tanken in der Luft
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Eine Dassault Rafale, Frankreichs Mehrzweckkampfflugzeug, auf einem Archivbild 2022 beim Betanken in der Luft in Syrien

Wie bei Panzern: Angst vor Eskalation

„Wir werden in den kommenden Wochen sehen, was als Nächstes passiert, denn die Dinge bewegen sich schnell“, sagte Gassilloud nach Gesprächen mit seinem britischen Kollegen Tobias Ellwood und Verteidigungsminister Ben Wallace. Britischen Medienberichten zufolge nannte Gassilloud als Bedingung, dass eine Lieferung von Kampfjets die französische und europäische Sicherheit nicht gefährden und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht eskalieren dürfe.

Vergangene Woche hatte der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra dem niederländischen Parlament übereinstimmenden Medienberichten zufolge gesagt, man stehe dem Thema offen gegenüber, es gebe keine Tabus.

„Rote Linien“ für Berlin

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius hielt am Freitag eine Lieferung von Kampfflugzeugen „für ausgeschlossen“, sagte der SPD-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“ (Wochenendausgabe). „Kampfflugzeuge sind viel komplexere Systeme als Kampfpanzer und haben eine ganz andere Reichweite und Feuerkraft. Da würden wir uns in Dimensionen vorwagen, vor denen ich aktuell sehr warnen würde.“

Auch der deutsche Kanzler Olaf Scholz hatte nach der Zusage von Leopard-2-Kampfpanzern – nach sehr langem Zögern und einer langen innenpolitischen Debatte darüber – am Mittwoch eine Lieferung von Kampfjets ausgeschlossen. Scholz habe „rote Linien“ für Berlin gezogen. Eine Lieferung von Kampfflugzeugen oder sogar die Entsendung von Bodentruppen werde es nicht geben. „Dass es nicht um Kampfflugzeuge geht, habe ich ja sehr früh klargestellt und mache das auch hier“, zitierte etwa der Bayerische Rundfunk (BR) den deutschen Kanzler.

Als kurz nach Kriegsbeginn über Flugverbotszonen diskutiert worden sei, hätten er und Biden gesagt: „Das werden wir nicht tun. Und an dieser Haltung hat sich gar nichts geändert und wird sich auch nichts ändern.“ Was sich offenbar geändert hat: Für die USA scheint die Lieferung von Kampfjets kein Tabu mehr.