Rettungskräfte in Jerusalem
APA/AFP/Ahmad Gharabli
Neue Eskalation

Angriff auf Synagoge in Jerusalem

Bei einem Schusswaffenangriff in Jerusalem sind am Freitag nach Polizeiangaben mindestens sieben Menschen getötet worden. Sie wurden offenbar angegriffen, als sie eine Synagoge verließen. Die Sicherheitslage in Israel und den palästinensischen Gebieten hatte sich in den vergangenen Tagen deutlich zugespitzt.

Laut Angaben der israelischen Polizei wartete der Angreifer am Freitagabend vor der Synagoge in Newe Jaakow, einer israelischen Siedlung im besetzten Ostjerusalem, bis die Gläubigen das Gebäude verließen. Dann eröffnete er das Feuer. Sieben Menschen starben, dem Rettungsdienst Magen David Adom zufolge wurden mehrere Menschen verletzt. Auf Videoaufnahmen war zu sehen, wie Rettungskräfte mehrere Opfer des Angriffs auf dem Boden vor der Synagoge versorgten. „Ich habe viele Schüsse gehört“, berichtete der 18-jährige Student Matanel Almalem, der in der Nähe der Synagoge lebt.

Der Polizei zufolge wurde der Angreifer nach der Attacke noch am Tatort „neutralisiert“. Der Mann wurde den Angaben zufolge erschossen, als er fliehen wollte. Nach ersten Erkenntnissen handelte es sich um einen 21-Jährigen aus Ostjerusalem. Nach dem Angriff untersuchte die Polizei am Tatort ein weißes Fahrzeug, das vermutlich dem Angreifer gehörte. Auch Israels rechtsextremer Sicherheitsministers Itamar Ben Gvir besuchte den Tatort.

Terroranschlag in Israel

Bei einem Schusswaffenangriff auf eine Synagoge im Osten Jerusalems sind am Freitag mindestens sieben Menschen getötet worden. Die Polizei konnte den Täter stoppen.

Am Samstag meldeten Sanitäter einen weiteren Schusswaffenangriff nahe der Jerusalemer Altstadt. Dabei soll es zwei Verletzte gegeben haben.

Israel kündigt entschlossene Reaktion an

Israel kündigte nach dem Anschlag ein konsequentes Vorgehen an. Die Sicherheitskräfte würden „entschlossen und energisch gegen den Terror handeln und jeden Beteiligten an dem Anschlag erreichen“, teilte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant mit.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu besuchte den Tatort am Abend und rief die Bevölkerung dazu auf, das Gesetz nicht in die eigenen Hände zu nehmen. „Dafür haben wir eine Armee und eine Polizei, die vom Kabinett Anweisungen erhalten“. Das israelische Militär teilte am Samstag mit, die Streitkräfte im Westjordanland mit einem zusätzlichen Bataillon zu verstärken.

USA verurteilten den Angriff

Die USA bezeichneten den Angriff vom Freitag als „absolut entsetzlich“. Washington verurteile diesen „mutmaßlichen Terroranschlag auf das Schärfste“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington. „Unsere Gedanken, Gebete und unser Beileid gelten denjenigen, die bei diesem abscheulichen Gewaltakt getötet und verletzt wurden.“ Die Tat sei „absolut entsetzlich“. Auch das österreichische Außenministerium verurteilte den Anschlag „aufs Schärfste“. „Es gibt keine Entschuldigung dafür, Gotteshäuser anzugreifen“, schrieb das Außenamt auf Twitter. Bundespräsident Alexander Van der Bellen rief zu Deeskalation auf.

Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, drückte sein Mitgefühl aus. Er sei tief betrübt über die Berichte, schrieb Seibert auf Twitter. Er sprach von einem „bösen Terrorakt gegen Juden am Holocaust-Gedenktag“. „Mein Mitgefühl gilt den Familien der ermordeten Opfer, und ich bete für die Gesundheit der Verletzten.“

Polizei in Jerusalem
Reuters/Ronen Zvulun
In Ostjerusalem kam es zu einem Anschlag auf eine Synagoge

Freudenschüsse im Gazastreifen

Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland reagierten mit Freudenfeiern. Augenzeugen berichteten, wie Militante am Freitagabend in die Luft schossen und auf die Straßen strömten. Ein Sprecher der im Gazastreifen herrschenden Hamas teilte mit, bei dem Anschlag handle es sich um „eine Vergeltung für den Überfall der israelischen Armee auf das Flüchtlingslager Dschenin am Donnerstag“. Die vom Iran unterstützte Hisbollah lobte den Anschlag.

Tödliche Razzia in Dschenin

In den vergangenen Tagen hatte sich die Sicherheitslage wieder deutlich verschärft. Die israelische Armee hatte im besetzten Westjordanland eine Razzia durchgeführt, dabei waren am Donnerstag neun Menschen im Flüchtlingslager Dschenin getötet worden. Die israelische Armee sprach von einer „Anti-Terror-Operation“. Zudem wurde am Donnerstag ein Mann dem palästinensischen Gesundheitsministerium zufolge von israelischen Soldaten in al-Ram nahe Jerusalem getötet. Als Reaktion hatten militante Palästinenser Raketen abgefeuert, die jedoch abgefangen wurden.

Die radikale Gruppierung Islamischer Dschihad teilte mit, die Raketen seien „Teil einer Botschaft“ gewesen, um zu zeigen, dass „palästinensisches Blut nicht billig ist“. Sowohl der Islamische Dschihad als auch die mit ihm um die Vorherrschaft im Gazastreifen konkurrierende Hamas hatten Vergeltung geschworen. Israel wiederum antwortete mit Luftangriffen gegen die Hamas im Gazastreifen.

Ständige Konfrontationen

Die Kooperation mit Israel in Sicherheitsfragen kündigte die Palästinensische Autonomiebehörde am Donnerstagabend bereits auf. Als Grund nannte die Behörde einseitige Schritte und Maßnahmen Israels im Westjordanland sowie die Vorfälle in Dschenin. Ähnliche Ankündigungen hatte die Autonomiebehörde schon bei früheren Gelegenheiten gemacht – sie wurden allerdings de facto nicht umgesetzt.

Seit fast einem Jahr kommt es im Westjordanland beinahe täglich zu tödlichen Konfrontationen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern. Seit einer Serie von Anschlägen, die Palästinenser im Frühjahr verübt haben, unternimmt Israels Armee dort vermehrt Razzien. Allein in diesem Jahr wurden in dem Zusammenhang oder bei eigenen Anschlägen rund 30 Palästinenser getötet, unter ihnen fünf Jugendliche.

Im Westjordanland und Ostjerusalem leben heute mehr als 600.000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.

Blinken reist in Nahen Osten

US-Außenminister Anthony Blinken will sich bei einem bevorstehenden Nahost-Besuch am Montag und Dienstag um Deeskalation bemühen. Er will nach Israel, ins besetzte Westjordanland und nach Ägypten reisen. Dabei werde er erstmals mit Netanjahu seit dessen Amtsantritt als Chef der bisher am weitesten rechts stehenden israelischen Regierung zusammentreffen. Auch eine Begegnung mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sei geplant.

Ziel der Gespräche sei es, „Schritte zur Deeskalation der Spannungen zu unternehmen, um den Kreislauf der Gewalt zu beenden“, teilte der Sprecher des Außenministeriums in Washington, Ned Price, mit. Ähnlich besorgt äußerte sich das Weiße Haus über die „zunehmende Gewaltspirale im Westjordanland ebenso wie durch die Raketen aus Gaza“. Washington mahne dringend eine „Deeskalation“ ein, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Auch Frankreich hatte schon an die Konfliktparteien appelliert, von einer „weiteren Eskalation der Gewalt abzusehen“. Berichten aus dem Gazastreifen zufolge bemühten sich auch Ägypten und der Golfstaat Katar am Donnerstag und Freitag unter Hochdruck, eine weitere Eskalation zu vermeiden.

Sorge vor weiterer Eskalation

Die Gewaltspirale schürt Befürchtungen vor einer weiteren Eskalation der ohnehin schon angespannten Sicherheitslage. „Wir bewegen uns auf einem ganz schmalen Grat“, sagte Michael Kobi vom israelischen Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) der dpa. Die Dynamik könne nicht mehr vollständig kontrolliert werden und jederzeit kippen. Bedenklich sei vor allem, dass sich immer mehr junge Palästinenser dem Aufstand anschließen und bereit seien, zu kämpfen – und zu sterben. „Sie sind frustriert und bereit, alles zu tun, um ihre aktuelle Situation zu verändern.“