Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP)
APA/Roland Schlager
Bundesreaktionen auf NÖ-Wahl

ÖVP sieht Krisen für Absturz verantwortlich

Die Landtagswahlen im Niederösterreich haben der ÖVP in ihrem Kernland schwere Verluste gebracht. Auch die SPÖ verlor an Zustimmung – zum Nutzen der FPÖ, die als Wahlgewinnerin und neue Nummer zwei hervorging. Doch was sagen die Bundesparteien? Die Bundes-ÖVP macht die Krisenstimmung für die Verluste verantwortlich. Die Bundes-SPÖ spricht von einem reinen Landesergebnis. Die Bundes-FPÖ sieht einmal mehr die Abwahl von ÖVP-Grüne im Bund näher rücken – und die ÖVP für den FPÖ-Erfolg mitverantwortlich.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) führte den Ausgang auf die „Gemengelage“ verschiedenster Krisen wie Asyl, Pandemie und Teuerung zurück. Es seien „schlechte Zeiten für Regierende“, die Menschen seien unzufrieden mit der Situation, so Nehammer. Wichtig sei nun, „das Wählervotum ernst zu nehmen“ und weiter „redlich“ zu arbeiten. Man werde von bundespolitischer Seite weiterhin alles dafür tun, die Sorgen und Anliegen ernst zu nehmen. Die Menschen müssten nun aber auch auf „landespolitischer Ebene“ entlastet werden.

Das Erreichte müsse seitens der Politik besser dargestellt werden, räumte Nehammer ein. Dennoch müsse man sagen, dass die Volkspartei in Niederösterreich – trotz des Verlustes von knapp zehn Prozentpunkten – „klar Erste geblieben ist“. Daran sehe man, von welch hohem Niveau man in Niederösterreich ausgegangen ist, sei der Abstand auf den Zweiten doch nach wie vor beträchtlich. Zudem würden in Zeiten von komplexen Problemen jene profitieren, die einfache Antworten geben, so Nehammer.

Ergebnis Bundesland Niederösterreich Landtagswahl 2023
Landeswahlbehörde NÖ

Stocker: „Unerfreulich“

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker führte das Ergebnis auf „Unzufriedenheit in der Bevölkerung zurück“. Diese sei „unzufrieden mit den politischen Verhältnissen, aber auch mit der ÖVP und den anderen Parteien“. Das ÖVP-Resultat sei „unerfreulich“, so Stocker. Trotz guter politischer Arbeit und eines engagierten Wahlkampfs habe man einen Verlust nicht verhindern können. „Nun geht es darum, Vertrauen zurückzugewinnen.“

Für die FPÖ sei die Sache einfach, sie trage keine Verantwortung und biete nur „Scheinlösungen“. Es handle sich um Proteststimmen, es sei „kein Irrtum der Wähler“. Regierende hätten es angesichts der multiplen Krisen derzeit in ganz Europa besonders schwer. Er sehe keinen Grund, dass Mikl-Leitner ihre Funktion abgebe, für die Bundespolitik sieht er keinen „Konsequenzen“.

SPÖ: „Nichts schönzureden“

Für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner war die niederösterreichische Landtagswahl „kein einfacher Tag für die Sozialdemokratie“, da gebe es nichts schönzureden. „Der Verlust des zweiten Platzes schmerzt und muss auf Landesebene eingehend analysiert werden“, teilte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch via Aussendung mit. Zwar habe man alle Themen besetzt, sei „damit aber nicht durchgekommen“.

Die große Verliererin des Abends sei aber generell die ÖVP. „Der stärkste Wahlhelfer für die FPÖ war die ÖVP“, so Rendi-Wagner und Deutsch unisono. „Mit ihrer verantwortungslosen und inhaltsleeren Asylpolitik, die keine Lösungen und keinen Plan hat, hat die ÖVP der FPÖ die Wählerinnen und Wähler zugetrieben.“ Die ÖVP habe der FPÖ das Asylthema „aufgelegt“. Ausrichten wolle er der SPÖ Niederösterreich von Wien aus nichts, so Deutsch. Für den Bund sei klar, ÖVP und Grüne blieben weiter „aneinandergekettet“.

Kickl: „Tag der Freiheit für die Niederösterreicher“

Höchst zufrieden zeigte sich die FPÖ: Bundesparteiobmann Herbert Kickl sprach von einem „Tag der Freiheit für die Niederösterreicher“. Per Aussendung unterstrich er, dass das historische Ergebnis dem Spitzenkandidaten Udo Landbauer zu verdanken sei. Damit gebe es die „Chance auf eine Trendwende in der Politik“, so Kickl. Das Resultat werde Auswirkungen auf die Bundespolitik haben – ÖVP, SPÖ und Grüne stünden für „eine Politik, bei der alles andere an erster Stelle steht, nur nicht die eigene Bevölkerung“.

Schnedlitz sieht „System der ÖVP gebrochen“

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sah in Niederösterreich das „System der ÖVP gebrochen“. Nicht nur die FPÖ sei „ein Sieger, sondern auch jeder einzelne Wähler“. Zentral sei es um die Frage gegangen, ob man „Politik für oder gegen die Leute“ mache. Schnedlitz sprach von einem „Befreiungsschlag der Bevölkerung“, in einem „Schulterschluss mit der FPÖ“. Mikl-Leitner werde man nicht zur Landeshauptfrau wählen, sie habe „so viel kaputtgemacht“, so Schnedlitz – eine Zusammenarbeit sei „auszuschließen“.

Diskussion der Bundesparteien zur NÖ-Wahl

Bei ZIB-Innenpolitikchef Hans Bürger diskutieren ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker, SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, Grünen-Nationalratsabgeordneter Jakob Schwarz und NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos-Trauttmansdorff über die Landtagswahl in Niederösterreich.

Hafenecker sah in Niederösterreich „einen Demokratisierungsprozess eingeleitet“. Es handle sich „nur um den Beginn, kommen ja noch zwei weitere Wahlen“ (also Kärnten und Salzburg). „Niederösterreich ist demokratisch befreit worden“, so Hafenecker. Die SPÖ habe „keine Lösungsansätze gebracht“, ferner habe die den unfähigsten Innenminister. „Aufgrund der eigenen Unfähigkeit ist die ÖVP Wahlhelfer für die FPÖ gewesen“, so Hafenecker. Die Koalition sei abgewählt worden. Mit Neuwahlen im Bund rechnet auch er nicht: „Grün und Schwarz ketten sich aneinander“.

Grüne: „Bestärkung“ für Thema Klimawandel

Wie die ÖVP verwies auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) auf die derzeitigen Krisen. Anders als die ÖVP konnte er sich aber über Zugewinne der Grünen freuen. „Seit dem Eintritt der Grünen in die Bundesregierung ist das bereits die vierte Wahl, bei der die Grünen gestärkt wurden“, so Kogler in einer Aussendung. „Das ist ein Zeichen, dass die Österreicher:innen konsequente Politik für mehr Klimaschutz wünschen und sie auch wählen“, hieß es darin.

Jakob Schwarz, der in der ORF-TV-Diskussion Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer vertrat, sah im Grünen-Ergebnis ein Zeichen dafür, dass der Klimawandel sehr ernst genommen werden. Für die Bundespartei sei eine „Bestärkung“, in einer Krisenzeit müsse man „als Politik eine Perspektive geben“. Das Thema Klima sei mit Teuerung bei Wahlmotiven ganz oben aufgelistet („Die meisten Wähler haben das erkannt“). Aus Wien ausrichten wolle er zu möglichen Regierungsübereinkommen in Niederösterreich nichts.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ortete ein „erfreuliches Ergebnis“ seiner Partei. Zu möglichen Auswirkungen auf den Bund blieb Rauch zurückhaltend. Das Resultat sei „in erster Linie Verdienst der niederösterreichischen Grünen“. Viel Lob bekam Spitzenkandidatin Helga Krismer. Sie und ihr Team hätten „unter schwierigen Umständen“ einen „engagierten Wahlkampf“ hingelegt. Der Klimaschutz sei im Zentrum gestanden, dafür sei man belohnt worden. Krismer habe „das letzte Hemd gegeben“.

NEOS: „Sehr solides Ergebnis“

Ebenfalls zufrieden war man bei NEOS. Generalsekretär Douglas Hoyos-Trauttmansdorff sah ein „sehr solides Ergebnis“ eingefahren. Gegenüber der letzten Wahl habe man um 20 bis 30 Prozent mehr Wählerstimmen bekommen. Der Kampf gegen die Korruption bzw. gegen Steuerverschwendung habe sich bezahlt gemacht, so Hoyos-Trauttmansdorff. „Wir sind nach zehn Jahren angekommen.“ Neben der FPÖ sei man vermutlich die einzige Partei, die zulegen könne, wenn auch in einer anderen Dimension.

Der Kampf gegen die Korruption bzw. gegen Steuerverschwendung habe sich bezahlt gemacht, meinte Hoyos-Trauttmansdorff. „Wir sind nach zehn Jahren angekommen.“ Neben der FPÖ sei man vermutlich die einzige Partei, die zulegen könne, wenn auch in einer anderen Dimension. Für künftige Arbeitsübereinkommen in Niederösterreich sah er nur zwei Möglichkeiten: entweder die „Stillstands“-Variante ÖVP-SPÖ oder die ÖVP, die wieder „Ibiza-like“ mit der FPÖ zusammenarbeite. „Neuwahl im Bund wäre wohl das Richtige, aber ich bezweifle es“, so Hoyos-Trauttmansdorff.