SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner
APA/Gerd Eggenberger
NÖ-Wahl

Knirschen in der Bundespolitik

Schon im Vorfeld der niederösterreichischen Landtagswahl ist viel über ihre bundespolitische Relevanz spekuliert worden: Nun gibt es mit den herben Verlusten von ÖVP und SPÖ wohl bei beiden Parteien Diskussionsbedarf. Kommentatorinnen und Kommentatoren sehen vor allem bei der SPÖ die nächste Debatte über Parteichefin Pamela Rendi-Wagner aufziehen. Für die Regierung von ÖVP und Grünen brechen wohl auch schwierigere Zeiten herein.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leiter (ÖVP) gab gleich in ihrem ersten Statement im ORF die Richtung ihrer Interpretation des Wahlergebnisses, bei dem die ÖVP um rund zehn Prozentpunkte auf unter 40 Prozent abstürzte, vor: Man erlebe eine Protestwelle, die über das ganze Land rolle. Und diese sei ausgelöst worden durch weltweite Krisen und die „Unzufriedenheit mit der Bundespolitik“.

Der FPÖ und deren Chef Herbert Kickl sei es „gelungen, unsere Landtagswahl zu einer Bundeswahl zu machen“. Ähnlich sah das Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), er machte die „Gemengelage“ verschiedenster Krisen wie Asyl und Teuerung für den Absturz der niederösterreichischen ÖVP bei der Landtagswahl verantwortlich. Es seien „schlechte Zeiten für Regierende“.

Ergebnis Bundesland Niederösterreich Landtagswahl 2023
Landeswahlbehörde NÖ

Knirschen in der ÖVP

Doch Mikl-Leitners Fingerdeut Richtung Wien werde, so schreibt der „Standard“, das politische Leben von Nehammer weiter verkomplizieren. Auch der „Kurier“ glaubt, dass sich die Bundes-ÖVP „nach dieser Wahlniederlage warm anziehen“ könne. Angesichts des derzeitigen Umfragetiefs und auch nach dem Landtagswahlergebnis in Tirol, wo die ÖVP ähnlich verloren hat wie nun in Niederösterreich, war in den vergangenen Wochen immer wieder von einem Rumoren in der Partei berichtet worden.

Dass die Lage schon jetzt eskaliert, wird aber nicht erwartet: Mit Kärnten und vor allem Salzburg stehen demnächst zwei weitere Landtagswahlen an. Und allzu öffentlich rumpelnd kann die niederösterreichische ÖVP auch nicht gegen die Bundes-ÖVP auftreten, kommen doch Nehammer selbst und auch Innenminister Gerard Karner aus den eigenen Gefilden.

Für Koalition wird es nicht leichter

Aber die ÖVP werde wohl mehr Kanten zeigen müssen, heißt es im „Standard“, und das werde in erster Linie „auf Kosten des Koalitionspartners gehen“. Gemeinsame Projekte von ÖVP und Grünen würden damit schwierig. Neuwahlen sind für alle Beobachterinnen und Beobachter – anders als noch im Sommer und Herbst – kein Thema. Angesichts der schlechten Umfragewerte sei die Koalition auch gegen die Neuwahlforderungen zusammengeschweißt.

Bürger (ORF) zur NÖ-Wahl

ZIB-Innenpolitikchef Hans Bürger ordnet ein, welche Auswirkungen das Wahlergebnis für die Bundespolitik und die Parteien haben kann.

Nächste Debatte über Rendi-Wagner erwartet

Schwieriger wird es aber auch, weil ÖVP und Grünen die Mehrheit im Bundesrat abhandenkommen wird. Die ÖVP wird zwei Mandate einbüßen und 24 der 61 Bundesräte stellen. Eines ihrer Mandate wandert zu den Grünen, die damit auf sechs Bundesräte kommen, das zweite zur FPÖ, die künftig elf Bundesräte hat. Die Opposition stellt damit mit 31 der 61 Mandate die Mehrheit in der Länderkammer und kann im Nationalrat beschlossene Gesetze auf die Wartebank setzen.

Weit mehr öffentliche Debatten wird es wohl beim zweiten Wahlverlierer geben, der SPÖ. Parteichefin Rendi-Wagner sagte, es sei „kein einfacher Tag für die Sozialdemokratie“ gewesen, da gebe es nichts schönzureden. Und da wird sie selbst wohl auch Thema, sind sich Beobachter einig. Die Zweifel, ob Rendi-Wagner die Richtige sei, „um die SPÖ in den nächsten Nationalratswahlkampf zu führen und der FPÖ etwas entgegenzusetzen“, würden stärker, schreibt der „Standard“.

Erste Reaktion aus dem Burgenland

Auch „Presse“, „Salzburger Nachrichten“ und „Kurier“ sehen eine neue Führungsdebatte in der SPÖ programmiert. Einen Vorgeschmack lieferte die burgenländische SPÖ, deren Chef Hans Peter Doskozil bekanntlich als größter parteiinterner Kritiker von Rendi-Wagner gilt, schon am Sonntag. Landesgeschäftsführer Roland Fürst forderte eine Analyse der Ursachen für das schwache Abschneiden.

Es habe sich gezeigt, dass die Sozialdemokratie nicht vom „Niedergang der ÖVP im Kernbundesland“ profitieren konnte und die FPÖ die Wählerinnen und Wähler offenbar besser abholt, stellte Fürst fest. „Wenn das Bundesland mit den meisten Stimmberechtigten wählt und die SPÖ nur am dritten Platz landet, dann schmerzt das in diesem Zusammenhang“.

Wahlsieger FPÖ bestätigt Umfragehoch

Der Wahlsieger ist freilich die FPÖ, die ihr aktuelles Umfragehoch in Niederösterreich bestätigen konnte. Das zeige auch, „wie rasch die FPÖ in der Lage ist, sich nach Skandalen zu regenerieren“, heißt es im „Standard“ mit Verweis auf Ibiza und Co. Und die „Kleine Zeitung“ sieht den Kurs von Parteichef Herbert Kickl bestätigt. Die FPÖ werde, mutmaßt die „Kronen Zeitung“, „angesichts des Höhenfluges ihre neue Kraft kaum noch in Zaum halten können und die Regierung vor sich hertreiben – und die SPÖ gleich mit“.

Vergleichsweise wenig Folgen auf Bundesebene haben die Ergebnisse von Grünen und NEOS. Beide Parteien können sich über Zugewinne freuen, beide bleiben aber auch – wenig überraschend – in Niederösterreich mit überschaubarem Einfluss.