Bundesadler im Plenarsaal
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Mit Verspätung

Whistleblower-Gesetz vor Abstimmung

Spät, aber doch: Das lang erwartete HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) biegt in die Zielgerade ein. Am Mittwoch wird der Nationalrat über den Entwurf, der Whistleblower besser schützen soll, abstimmen. Österreich hinkt der Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie seit mehr als einem Jahr hinterher. Die längere Vorlaufzeit hatte nach Ansicht von Kritikern aber keinen positiven Effekt auf den Entwurf.

Das zwischen den Koalitionsparteien ÖVP und Grüne ausverhandelte Gesetz sieht zwei wesentliche Elemente vor: Zum einen sollen interne Meldestellen für Whistleblower im öffentlichen Sektor und in jedem Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten eingerichtet werden. Beschäftigte sollen also über die Möglichkeit verfügen, Hinweise über mögliche Missstände zu deponieren. Konkrete Vorgaben für die internen Meldestellen sieht das Gesetz nicht vor.

Verankert wird allerdings auch eine externe Meldestelle, die im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) angesiedelt werden soll – auch für den Fall, dass Unternehmen keine internen Meldestellen einrichten sollten. Denn Sanktionen bei Nichterfüllung gibt es nicht. Vielmehr wird auf die Sorgfaltspflichten der Firmenspitze verwiesen.

Die andere Säule betrifft den Schutz von Personen, die internen bzw. externen Stellen (mutmaßliche) Missstände bzw. Rechtsverletzungen melden. Die Anonymität des Hinweisgebers bzw. der Hinweisgeberin muss geschützt werden. Zudem gilt für den Inhalt der Hinweise, die die Meldestellen erhalten, eine Verschwiegenheitspflicht. Werden die Whistleblower mit Vergeltungsmaßnahmen unter Druck gesetzt, drohen Verwaltungsstrafen. Gleichzeitig kann bei Einschüchterung, Nötigung oder Mobbing Schadenersatz eingeklagt werden.

Kritik: Unklar und undurchschaubar

Vor wenigen Tagen hatte der Gesetzesentwurf den Sozialausschuss passiert. Zustimmung kam allerdings nur aus den Reihen von ÖVP und Grünen, die von einem „guten und ausgeglichenen Gesetz“ sprachen. Für den Beschluss im Nationalratsplenum reicht eine einfache Mehrheit. Auf Stimmen von NEOS kann die Koalition noch hoffen, ließ die kleinste Parlamentspartei ihre Entscheidung wegen einiger Mängel beim Entwurf bis zuletzt noch offen. SPÖ bezeichnete den Entwurf als „großen Pfusch“, die FPÖ forderte ein „Zurück an den Start“.

Auch die NGOs epicenter.works, Transparency International und Forum Informationsfreiheit übten Kritik am Entwurf. Österreich erfülle nur das, was es muss, aber nicht genug, um einen Kulturwandel herbeizuführen. Dabei hätte die Richtlinie die Möglichkeit zum „Gold Plating“ vorgesehen, also die erwünschte Übererfüllung von EU-Mindeststandards. So seien die Schutzbestimmung zu eng gefasst worden und umfassten etwa Verstöße gegen das Arbeitsrecht nicht. Für potenzielle Whistleblower stelle das eine Hürde dar, weil man nicht weiß, welche Hinweise nun geschützt werden und welche nicht.

Nationalratssitzung
ORF/Roland Winkler
ÖVP und Grüne sehen ein gutes Gesetz, die Opposition übt Kritik, für NGOs geht der Entwurf nicht weit genug

Konkret wird zudem bemängelt, dass die Abgabe und der Umgang mit anonymen Hinweisen nur unzureichend geregelt seien. Befürchtet wird, dass Unternehmen ob der vagen Formulierungen diese ignorieren könnten. Ein Kritikpunkt behandelt die Verwaltungsstrafen, die auch für „wissentlich falsche“ Hinweise vorgesehen sind. Allein die Tatsache, dass jemandem Strafen drohen, könnte einen abschreckenden Effekt auf potenzielle Whistleblower haben, so die NGOs. Das Gesetz sollte Menschen ermutigen, Fehlverhalten aufzuzeigen, indem es Sicherheit vermittelt. Mit dieser „Minimalvariante“ sei das Gegenteil der Fall.

Langer Prozess mit Mahnungen aus Brüssel

Österreich hinkt bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern hinterher. Diese hätte nämlich bis zum 17. Dezember 2021 in ein nationales Gesetz gegossen werden sollen. Im Februar 2022 leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Österreich ersuchte um eine Streckung der Frist, schickte einen ersten Entwurf in Begutachtung, erhielt allerdings wenig später ein zweites Schreiben aus Brüssel. ÖVP und Grüne brachten Mitte Dezember 2022 einen überarbeiteten Entwurf in das Parlament ein.

Die Whistleblower-Richtlinie der EU geht auf mehrere Skandale wie das Facebook-Datenleck und die Panama-Papers zurück. Erst durch Whistleblower wurden die Informationen zu den Missständen und Rechtsverletzungen öffentlich. Um künftige Hinweisgeber bzw. Hinweisgeberinnen besser und einheitlicher zu schützen, legte die EU-Kommission im April 2018 einen Vorschlag vor.

Die Regeln, auf die sich EU-Staaten und Europaparlament 2019 geeinigt haben, decken unter anderem Verstöße gegen EU-Recht im Bereich der Geldwäsche, der Unternehmensbesteuerung, beim Datenschutz, bei der Lebensmittel- und Produktsicherheit, beim Umweltschutz und der nuklearen Sicherheit ab. Die EU-Kommission ermutigte die Mitgliedsstaaten, den Anwendungsbereich auszuweiten.