Jugendliche
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Was tun?

Zukunftspläne von Maturierenden

Von Zeit zu Zeit müssen Kinder und Jugendliche hierzulande Entscheidungen treffen, die sich auf ihr weiteres Leben auswirken. Welcher Schultyp soll auf die Volksschule folgen? Und wohin tendiert man nach der Pflichtschule? Später müssen sich viele Jugendliche den Kopf darüber zerbrechen, was sie nach der Matura machen wollen. Die meisten zieht es Richtung Uni – doch ausreichend informiert fühlt man sich nicht.

Das geht aus einer neuen Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) hervor. Ein Team um Sozialwissenschaftlerin Anna Dibiasi hat mehr als 8.000 Onlinefragebögen von Maturierenden ausgewertet. Jugendliche aus allgemein- und berufsbildenden Schulen (AHS und BHS) sowie aus Aufbaulehrgängen und Kollegs in ganz Österreich waren an der Studie beteiligt. „In der Forschungscommunity bestand schon lange der Wunsch, eine solche Befragung mit Maturierenden durchzuführen“, sagt Dibiasi im Gespräch mit ORF.at. Mit der Studie hätte man erstmals ein detailliertes Bild der Pläne für die Zeit nach der Matura gezeichnet.

Insgesamt wollten 72 Prozent der Maturierenden, die für die Studie im März und April 2022 befragt wurden, innerhalb der nächsten zwei Jahre ein Studium beginnen: 36 Prozent unmittelbar nach dem Abschluss, 28 Prozent nach einer Übergangsaktivität (Grundwehr- bzw. Zivildienst, Freiwilligenjahr) und acht Prozent erst, nachdem sie andere Pläne („Geld verdienen“) abgeschlossen haben. Die restlichen 28 Prozent gaben an, in einen Beruf einzusteigen (14 Prozent), eine Ausbildung aufzunehmen (vier Prozent) oder sonstige Pläne zu verfolgen (drei Prozent). Sieben Prozent wussten damals nicht, was sie tun werden.

Klare Zahlen, unklare Entscheidung

So deutlich die Zahlen auch wirken, so unklar scheint die Entscheidung für viele Maturierenden zu sein. Denn aus den Antworten kommt klar hervor, dass die Jugendlichen wenige Monate vor dem Abschluss noch gar nicht so richtig wussten, was sie machen wollen. 82 Prozent der Befragten hatten Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung. Sie waren sich unklar über die eigenen Interessen, konnten ihre Eignung nicht richtig einordnen oder fühlten sich nicht in der Lage, das große Angebot zu überblicken. Einige stellten sich außerdem die Frage, wie man sich das Studienleben finanzieren soll.

Grafik zu Plänen nach der Matura
Grafik: ORF; Quelle: IHS

Die Unklarheit über die Finanzierung des Studiums kam insbesondere bei Schülerinnen und Schülern vor, die den Wohlstand ihrer Eltern als (gar) nicht wohlhabend einschätzten. Auch für Maturierende aus der ersten Zuwanderungsgeneration und für jene mit niedriger Elternbildung spielte die Geldfrage bei der Abwägung über ihre weitere Zukunft eine größere Rolle als bei anderen Maturierendengruppen.

Studenten während einer Vorlesung
ORF.at/Peter Pfeiffer
An die Uni, eine andere Ausbildung oder in die Berufstätigkeit? Vor der Matura müssen Entscheidungen gefällt werden.

Es sei auffallend, dass Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung häufig von Maturierenden genannt wurden, die sich auch weniger gut über ihre Zukunftsoptionen informiert fühlten, sagt Forscherin Dibiasi. Überhaupt müsse man das Thema breiter betrachten.

Die Ergebnisse der Befragung lassen nach Meinung von Dibiasi nämlich vermuten, dass viele Entscheidungen mit einem geringen Informationsstand getroffen werden. „Das ist insofern problematisch, weil Maturierende über die Folgen ihrer Entscheidung enttäuscht sein können und gegebenenfalls zum Beispiel das Studium abbrechen oder den Job kündigen.“

Viele fühlen sich nicht gut informiert

Der Informationsstand über die Optionen, die für die Schülerinnen und Schüler nach der Matura infrage kommen, variierte deutlich. Während sich mehr als die Hälfte der Maturierenden über die Unimöglichkeiten (sehr) gut informiert zeigten, sind es bei den Möglichkeiten eines direkten Berufseinstiegs nur 39 Prozent. Über die Option einer Lehre wussten 50 Prozent (gar) nicht gut Bescheid.

Bezogen auf den Schultyp gibt es deutliche Unterschiede: Über die direkten Berufseinstiegsmöglichkeiten fühlen sich nur 17 Prozent der Gymnasiasten und Gymnasiastinnen (sehr) gut informiert. Der Wert bei BHS-Maturierenden lag hingegen bei 61 Prozent. Wichtig zu erwähnen ist allerdings, dass sich AHS und BHS in ihrer Ausrichtung voneinander unterscheiden. Nicht einmal ein Prozent der AHS-Maturierenden plante, unmittelbar nach der Matura einen Beruf zu ergreifen. Zum Vergleich: 88 Prozent der Gymnasiasten und Gymnasiastinnen wollten studieren.

Bei BHS-Maturierenden zeigt sich ein anderes Bild: 56 Prozent wollten innerhalb der nächsten zwei Jahre studieren, 27 Prozent gleich in das Berufsleben einsteigen. Dennoch fühlten sich Schülerinnen und Schüler aus den berufsbildenden Schulen in etwa gleich gut über ihre Studienmöglichkeiten informiert – obwohl hier im Vergleich zu den AHS deutlich weniger die Intention hatten, das Unileben zu starten. „Maturierende, die in Schulen kurz vor der Matura keine Informationen über ihre Zukunftsoptionen erhalten, fühlen sich seltener gut informiert“, sagt Dibiasi.

Einfluss von Familie und Freunden

Neben den schulinternen und -externen Beratungsangeboten nimmt bei der Entscheidungsfindung das soziale Umfeld der Maturierenden eine zentrale Rolle ein. 95 Prozent der Befragten gaben an, von zumindest einer Person im sozialen Umfeld bei der Bildungs- oder Berufswahl bisher unterstützt worden zu sein. In erster Linie wurden Eltern und die Geschwister genannt, danach folgten Freunde und Freundinnen. Unterstützung vom Lehrpersonal erhielten den Angaben zufolge knapp ein Viertel der Schüler und Schülerinnen.

Grafik zu Plänen nach der Matura
Grafik: ORF; Quelle: IHS

Maturierende aus ökonomisch schwächeren Familien fühlten sich von ihrem sozialen Umfeld – das betrifft die Familie, Freunde und das Lehrpersonal – weniger unterstützt als Schüler und Schülerinnen aus wohlhabenden Familien. Gleichzeitig zeigte sich die Gruppe aus ökonomisch schwächeren Familien auch seltener (sehr) gut über weitere Studienmöglichkeiten informiert und war sich auch häufiger im Unklaren über ihren nachschulischen Werdegang.

„Nimmt die Familie Einfluss auf die generelle Entscheidung, was man nach der Matura machen wird, so geht diese Einflussnahme stärker in Richtung eines Studiums als in Richtung eines Berufs oder anderer Pläne“, sagt Dibiasi und beschreibt zwei Motive: Zum einen wollten Familien einen Status behalten („Wir haben studiert, unser Kind wird auch studieren“), andererseits sei ein Aufstiegsgedanke zentral („Die Kinder sollen es einmal besser haben als wir“). Klar sei jedenfalls, so die Forscherin, je mehr Informations- und Beratungsmöglichkeiten man erhält, desto sicherer können Entscheidungen getroffen werden.