Skifahrer auf Sessellift in Hollersbach
APA/AFP/Kerstin Joensson
Skitourismus

Unklar, wohin die Reise geht

Die Semesterferien sind angelaufen – und Österreichs Skigebiete können mit Blick auf Schnee- und Buchungslage vorerst aufatmen. Nach den österreichweit aperen Skigebieten in den letzten Monaten gibt es in weiten Teilen des Landes nun reichlich Neuschnee. Dennoch muss die Branche langfristig Maßnahmen für ihre Zukunftsfähigkeit setzen, fordern Klimaforscher. Denn weniger Schnee reduziert nicht nur die Skitage und setzt den Wintertourismus unter Druck, sondern zeigt auch im Sommer Konsequenzen.

Im Tourismus ist die heurige Wintersaison bisher lange vom Schneemangel im Jänner beeinträchtigt gewesen. Die Branche hofft auf einen starken Februar, den dank Semesterferien traditionell umsatzstärksten Monat der Saison. „Der Winter war wirklich gut gebucht, aber im Jänner sieht es schlechter aus“, sagte etwa Ruefa-Chefin Helga Freund Mitte Jänner in einer Pressekonferenz.

Hoffnung setzte die Touristikerin damals in die anstehenden Wochen. Die Buchungen seitens der Niederländer lägen in etwa auf dem Vorkrisenniveau von 2019, jene der Engländer sogar darüber. „Es ist natürlich wichtig, dass Schnee kommt, sonst gibt’s Probleme.“ Unmittelbar vor dem Auftakt der Semesterferien gibt es nun vom Arlberg über die Tauern bis zu den Niederösterreichischen Voralpen teils weit über einen Meter Neuschneee – und geht es nach der ORF-Wetterredaktion, dürfte auch am Samstag in einigen Regionen noch einiges an Neuschnee hinzukommen – mehr dazu in wetter.ORF.at.

Skihütte in Flachau
ORF.at/Christian Öser
Österreichische Tourismusbetriebe hoffen auf viele Gäste im Februar

Schneedeckendauer bereits 40 Tage kürzer

Langfristig soll die Schneelage in Österreich aber weiterhin zurückgehen. Im Schnitt hat die Schneedeckendauer in allen Höhenlagen seit 1961 bereits um 40 Tage abgenommen, berichten Forscherinnen und Forscher des Projekts Future Snow Cover Evolution in Austria (FuSE-AT).

Fachleute der GeoSphere Austria (vormals ZAMG), der Universität Innsbruck, des Climate Change Center Austria und des Schneezentrums Tirol haben über drei Jahre regionale Daten der Schneelage in Vergangenheit und Zukunft für die gesamte Fläche Österreichs erhoben und analysiert. Dass im Jahr 2100 in Österreich auf allen Höhen weniger lang Schnee liegen wird als heute, gilt als unumkehrbare Entwicklung.

Ausgang von Klimaschutzmaßnahmen abhängig

Gänzlich pessimistisch muss diese Prognose aber nicht stimmen. Denn die Auswertung der Daten für drei unterschiedliche Klimaszenarien zeigt auch klar: Die künftige Entwicklung der Schneelage ist stark von den globalen Klimaschutzmaßnahmen abhängig.

So wird in tiefen Lagen unter 400 Meter Seehöhe im Jahr 2100 kaum noch Schnee zu sehen sein. Ohne globalen Klimaschutz nimmt die Dauer der Schneedecke bis zum Jahr 2100 um 90 Prozent ab, es gäbe dann nur noch zwei Tage mit einer geschlossenen Schneedecke. Bei Einhaltung des Pariser Klimaabkommens (2-Grad-Ziel) geht die Schneedeckendauer bis 2100 aber „nur“ um 50 Prozent zurück, auf rund acht Tage mit Schneedecke.

Infografik zum Schneetrend Österreichs bis 2100 unter Einhaltung des 2-Grad-Ziels
Infografik zum Schneetrend Österreichs bis 2100 im „worst case“ Szenario
FuSE-AT/ORF FuSE-AT/ORF
Entwicklung der Schneelage bis 2100 mit verschiedenen Klimaschutzmaßnahmen. Zum Vergleichen blauen Button verschieben.

Und auch in höheren Schneelagen, die besonders wichtig sind für den Wintertourismus, würden sich (nicht) gesetzte Klimamaßnahmen deutlich auswirken. Denn ohne Klimaschutz schrumpft die Schneedeckendauer auf 1.500 bis 2.000 Meter Seehöhe um ein Viertel auf rund 160 Tage im Jahr. Unter Einhaltung des 2-Grad-Ziels würde der Rückgang bis 2100 bei rund 10 Prozent liegen, es gäbe also noch 190 Schneedeckentage im Jahr.

Sportförderungen mit Zukunft?

Der Klimawandel wirft die Frage auf, wie sinnvoll öffentliche Förderungen für niedrig gelegene Skigebiete noch sind. Klimaforscher rechnen damit, dass vor allem Gebiete unter 1.500 Meter Seehöhe künftig keine Schneesicherheit mehr haben werden. Der „Report“ hat sich angesehenen, was das etwa für das Skigebiet Mariazell in der Steiermark bedeutet, wo in den vergangenen Jahren mehrere Millionen Euro Steuergeld investiert wurden.

Worst-Case-Szenario bereits verlassen

Das Worst-Case-Szenario ohne gesetzte Klimaschutzmaßnahmen habe man aber bereits verlassen, beschwichtigt Andreas Gobiet, Klima- und Lawinenexperte und Projektleiter des FuSe-Projekts von GeoSphere Austria. „Es gibt schon noch eine Spannweite dazwischen. Das eine ist das, was ich fast schon unvermeidlichen Klimawandel nenne – kaum jemand sieht die Situation optimistischer als die Paris-Klimaziele, die werden schwer erreichbar sein.“

Skipiste in Schruns am Arlberg im Dezember 2022
APA/Wolfgang Huber Lang
Bilder von aperen Skigebieten polarisierten in den letzten Monaten

Der Worst Case sei aber „wirklich das andere Ende der Skala. Und das ist ein Pfad, den wir jetzt schon verlassen haben.“ Wenn man die Spannweite zwischen bestem Fall und schlimmstem Fall betrachte, hätte man weltweit circa ein Drittel in puncto Klimaschutz geschafft – aber zwei Drittel würden noch fehlen, und dementsprechend reagiere dann noch der Schnee. „Aber selbst wenn wir so weitermachen wie bisher, wird es in tieferen Lagen bei uns nur sehr, sehr wenig Schnee geben.“

Die ungewisse Zukunft des Skitourismus

Klimawandel, horrend gestiegene Preise und Alkoholexzesse auf den Hütten: Der Skitourismus hat ein Imageproblem. Immer weniger Österreicherinnen und Österreicher fahren auf Skiurlaub – für sie verliert Skifahren zunehmend an Bedeutung. Während Kritiker schon länger vor „Overtourism“ warnen, halten viele Tiroler Tourismushochburgen an ihren bestehenden Konzepten fest und bauen Hotels und Lifte weiter aus.

Auch Bedingungen für Kunstschnee dezimiert

Bereits heute kommt kaum ein Skigebiet in Österreich – egal in welchen Lagen – gänzlich ohne Kunstschnee aus. Aber auch dieser wird von steigenden Temperaturen beeinträchtigt, wenn auch weniger als „normaler“ Schnee. „Natürlich ist das mit technischem Schnee etwas anderes als mit Naturschnee, weil die Zeiten, an denen ich beschneien kann, von der Temperatur und Luftfeuchtigkeit abhängen und nicht davon, ob es zufällig bei Kälte auch Niederschlag gibt“, so Gobiet gegenüber ORF.at.

Insofern erzeuge die technische Beschneiung eine viel größere Robustheit, wodurch man auch viel an fehlendem Naturschnee ausgleichen könne. Ohne Klimaschutzmaßnahmen geht aber die Anzahl der möglichen Beschneiungsstunden zurück: in hohen Lagen um rund zehn Prozent, in tiefen Lagen unter Einhaltung des 2-Grad-Ziels um 15 Prozent und ohne Maßnahmen sogar um die Hälfte. Damit könnte jährlich nur mehr rund 670 Stunden lang technisch beschneit werden.

Gerade in tieferen Skigebieten seien die Zeiten, in denen man noch beschneien könne, bereits empfindlich kürzer geworden. „Aber die höher liegenden Skigebiete haben da durchaus noch einige Jahrzehnte vor sich, bis die Bedingungen für künstlichen Schnee nicht mehr gegeben sind.“

Schneemangel führt zu Dürren im Sommer

Eine abnehmende Schneedecke wirkt sich aber nicht nur auf den Winter, sondern auch auf kommende Sommer aus. In einer neuen Studie spricht ein Team von Forschenden aus der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden von einem Zusammenhang zwischen Schneemangel und Dürren – Auslöser sei der Klimawandel.

„Das Schneedefizit von heute ist die Trockenheit im nächsten Sommer und Herbst“, wurde die Klimawissenschaftlerin Manuela Brunner in einer Aussendung der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zitiert.

Zum Problem im Sommer werde Schneemangel wegen des fehlenden Schmelzwassers. Darunter leiden Pflanzen im Sommer und Herbst, von Gräsern über Sträucher bis hin zu Bäumen. Aber auch die Energiewirtschaft müsse sich auf eine sich ändernde Lage der Pegelstände in ihren Speicherseen einstellen.

„Ganze Branche muss sich neu aufstellen“

Prinzipiell müsse sich die ganze Branche neu aufstellen, ist der Glaziologe und Klimaforscher Georg Kaser im Gespräch mit ORF.at überzeugt. Er beobachte dramatische Entwicklungen in den drei Hauptbereichen Ökosysteme, soziale Klüfte und Klima.

„In allen muss man sich weiterentwickeln, hin zu Nachhaltigkeit, die wirklich im Sinne der Erfindung ist, und nicht nur als Label vor einem hergetragen wird, wie das jetzt viele machen. Dass man wirklich sagt: Ich lebe und betreibe ein Skigebiet, weitestgehend klimaneutral, aber auch ressourcenneutral.“

Wie zeitgemäß ist die Schulskiwoche?

Mit 13 Jahren stehen viele Schülerinnen und Schüler der Wiener Mittelschule Anton-Krieger-Gasse während der Wintersportwoche in Annaberg in Niederösterreich zum ersten Mal auf Skiern. Fußballer David Alaba und Marko Arnautovic sind ihnen ein Begriff, Marcel Hirscher und Hermann Maier kennen sie nicht. Welche Chancen haben engagierte Sportlehrer wie Alex Dienst, die Leidenschaft fürs Skifahren zu wecken? Ist das Bild vom Skifahren als Volkssport überhaupt noch stimmig angesichts der hohen Kosten eines Skiurlaubs und der fortschreitenden Klimakrise?

Meiste Emissionen durch An- und Abreise mit Pkw

Die Frage einer Transformation sei insgesamt eine komplexe und würde in jedem Skigebiet anders ablaufen müssen, da die Ausgangslage jeweils eine andere sein kann. Klar sei aber: Die meisten Emissionen entstünden aber meistens nicht im Betrieb von Skianlagen.

„Das große Problem ist nach wie vor die An- und Abreise und die gastronomische Versorgung der Gäste“, so Kaser. „Das sind Themen, mit denen sich die Betreiber massiv auseinandersetzen müssen, um ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele in den Griff zu bekommen.“

Denn 80 Prozent der gesamten Emissionen bei einem Skiurlaub im eigenen Land entstehen allein durch die An- und Abreise mit dem Pkw, sagt etwa auch Ulrike Pröbstl-Haider von der BOKU. Das seien Ansatzpunkte, wo Skitouristikerinnen und -touristiker ansetzen müssen, so Kaser. Hier habe etwa der Verkehrsclub Österreich bereits „fantastische Vorschläge, wie man die letzte Meile auch in komplexen ländlichen Räumen managen kann“.