Menschen auf einer Einkaufsstraße
ORF.at/Roland Winkler
Aus für CoV-Maßnahmen

Ab Juli herrscht wieder „Normalbetrieb“

Die Bundesregierung will bis Ende Juni sämtliche Coronavirus-Krisenmaßnahmen beenden. Impfungen, Tests und Medikamente sollen bis dahin in die regulären Strukturen des Gesundheitssystems integriert werden. SARS-CoV-2 wird dann auch keine meldepflichtige Krankheit mehr sein, beschloss der Ministerrat am Mittwoch. Sonderregelungen einzelner Bundesländer sind danach nicht mehr möglich.

Die hohe Immunität in der Bevölkerung und die Verfügbarkeit von CoV-Medikamenten lasse diesen Schritt zu, betonten Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nach dem Ministerrat. „Das Virus wird bleiben, und wir bereiten uns darauf vor, langfristig damit zu leben“, sagte Rauch. „Die Vorbereitungen dafür laufen seit Monaten, nun legen wir einen konkreten Fahrplan vor. Wir kommen aus dem Krisenmodus und starten in den Normalbetrieb.“

In vulnerablen Bereichen wie Spitälern und Pflegeheimen besteht derzeit noch Maskenpflicht. Sie soll mit 30. April enden, ebenso die Risikogruppenfreistellung. Auch sämtliche Krisenstäbe und Gremien sollen aufgelöst werden. Mit 30. Juni plant das Gesundheitsministerium das Ende der Sonderbestimmungen. SARS-CoV-2 ist dann keine meldepflichtige Krankheit mehr, es endet damit auch die derzeit noch gültige Verkehrsbeschränkung für positiv getestete Menschen.

Ende der CoV-Maßnahmen

Die Bundesregierung will bis Ende Juni sämtliche Coronavirus-Krisenmaßnahmen beenden. Impfungen, Tests und Medikamente sollen bis dahin in die regulären Strukturen des Gesundheitssystems integriert werden. SARS-CoV-2 wird dann auch keine meldepflichtige Krankheit mehr sein, beschloss der Ministerrat am Mittwoch. Sonderregelungen einzelner Bundesländer sind danach nicht mehr möglich.

Kein Sonderweg der Bundesländer mehr

Das CoV-Maßnahmengesetz ermächtigte den Gesundheitsminister, der Bevölkerung Bewegungseinschränkungen zu verordnen. Auch die zum Teil schärferen Ländermaßnahmen waren nur aufgrund dieses Gesetzes möglich. Mit dem Wegfall Ende Juni ist dann etwa die Stadt Wien nicht mehr befugt, Sonderregeln zu erlassen – mehr dazu in wien.ORF.at. Alle Vorschriften wie Masken- und Testpflicht enden damit überall am 30. Juni.

Impfungen, Tests und die Abgabe von CoV-Medikamenten sollen kostenlos bleiben, aber in die regulären Strukturen des Gesundheitssystems überführt werden. Dazu sind Gespräche mit den Bundesländern und der Sozialversicherung nötig. Medikamente werden von der Sozialversicherung bezahlt, bei Impfungen sollen die Kosten zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen geteilt werden. Kranke mit Symptomen und Risikopatienten sollen sich weiterhin gratis testen lassen können. Die Impfzentren werden abgebaut.

Grafik zum Ende der CoV-Maßnahmen
Grafik: APA/ORF; Quelle: BMSGK

Ende des Durchpeitschens von Gesetzen

Das Ende der Krisenmaßnahmen müsse legistisch „sorgfältig vorbereitet“ sein, sagte Rauch. Er betonte, dass man dabei – im Gegensatz zu den schnellen Beschlüssen in der Pandemie – „zum ordentlichen parlamentarischen Modus“ zurückkehren werde, es also auch Begutachtungsverfahren geben werde. Das sei eine demokratiepolitische Notwendigkeit.

Monitoring soll aufrechtbleiben

Auch nach dem Ende der Meldepflicht soll es in Österreich jedenfalls einen Überblick über den Verlauf der Pandemie geben. „Wir haben Wachtürme aufgestellt“, unterstrich Rauch. Es handelt sich dabei um einen „Mix“ aus der Auswertung des Abwassers aus bundesweit 48 Kläranlagen und der Analyse von PCR-Proben. Das Abwassermonitoring wurde dabei so ausgebaut, dass laut Gesundheitsministerium deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung abgedeckt wird.

ORF-Analyse: CoV-Maßnahmen laufen aus

ORF-Reporter Peter Stacher berichtet über den Ministerrat am Mittwoch. Dort wurde von der Regierung beschlossen, dass bis spätestens 30. Juni alle Maßnahmen gegen die CoV-Pandemie in Österreich aufgehoben werden sollen.

Parallel dazu arbeitet das Gesundheitsministerium an einer grundlegenden Neufassung des Epidemiegesetzes. Rauch will dabei alle betroffenen Interessengruppen einbinden, was noch in diesem Jahr erfolgen soll. Ziel ist es, einen Gesetzesentwurf für ein neues Epidemiegesetz Ende des Jahres in Begutachtung zu schicken. Ein „Pandemieplan“ soll heuer im Herbst vorliegen. Dieser soll den Umgang mit den verschiedenen Phasen einer Pandemie darstellen.

Die Ankündung der Regierung fiel mit Mittwoch just an einen Tag, an dem zum ersten mal seit Weihnachten wieder mehr als 5.000 neue Infektionsfälle gemeldet wurden – ein deutlicher Anstieg zu den Tagen und Wochen zuvor.

„Sicherlich nicht alles perfekt gelaufen“

Edtstadler hob hervor, dass man aus der Pandemie Lehren für die Zukunft ziehen wolle. Auch räumte sie Fehler der Regierung ein. „Es ist sicherlich nicht alles perfekt gelaufen.“ Doch „jeder hat zu jedem Zeitpunkt nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“, nahm sie für die Regierung auch in Anspruch. Die Entscheidungen seien faktenbasiert getroffen worden und im Hinblick darauf, dass der Verfassungsgerichtshof Regelungen wieder aufgehoben habe, sei sie dankbar, dass das ausgewogene System mit höchstgerichtlicher Kontrolle der Grundrechte zu jedem Zeitpunkt sichergestellt gewesen sei.

Den einen oder anderen positiven Aspekt der Krise, die auch einen Digitalisierungsschub gebracht hat, will man auch beibehalten und ins Dauerrecht überführen, wie Edtstadler ankündigte. Dazu gehört im Justizbereich etwa die Möglichkeit von Videoverhandlungen im Verwaltungsgericht. Edtstadler betonte, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens stets berücksichtigt werde.

Gesundheitsminister Johannes Rauch und Europaministerin Karoline Edtstadler
APA/Robert Jaeger
Rauch und Edtstadler gestanden retrospektiv Fehler ein – man werde die Lehren daraus ziehen

Schulschließungen „ein Fehler“

Rauch meinte auf entsprechende Nachfragen, dass seiner Meinung nach „die Schulschließungen ein Fehler waren“, denn man habe Kinder verloren, die das Bildungsdefizit nicht mehr wettmachen könnten. Diese Risikoabwägung werde künftig anders getroffen, sagte Rauch. „Selbstverständlich wurden kommunikativ auch Fehler gemacht“, da schließe er sich auch selbst nicht aus.

Nicht schlechtreden lassen will sich der Minister hingegen die Impfung, für die er einmal mehr eine Lanze brach: Die Impfung schütze bis heute davor, an Covid-19 zu sterben, auf der Intensivstation zu landen oder Long Covid zu bekommen. Explizit dankte Rauch dem Gesundheitspersonal für die Bewältigung der Pandemie.

Hohn der FPÖ, SPÖ ruft nach Lehren

FPÖ-Chef Herbert Kickl machte sich am Mittwoch via Aussendung vor allem über die Ankündigung eines „Fahrplans“ lustig: „Der grüne Minister Rauch mit seiner Maßnahmentruppe hat wohl noch nicht bemerkt, dass der Zug bereits abgefahren ist und er allein am Bahnsteig steht.“ Man hätte auch die aktuellen Sitzungen des Nationalrates dazu nützen können, den „unseligen Spuk der Corona-Gesetze zu beenden“.

Aus Sicht des SPÖ-Gesundheitssprechers Philip Kucher ist ein sicheres Auslaufenlassen der Maßnahmen durchaus zulässig, gleichzeitig müssten die Lehren für eine gute Gesundheitsversorgung in Österreich gezogen werden, schrieb er. „Die Pandemie geht, was bleibt, ist ein Gesundheitssystem, in dem es an allen Ecken und Enden kracht. Wir müssen dringend die Lehren aus der Pandemie ziehen“, so der SPÖ-Abgeordnete.

NEOS sah einen „längst überfälligen Schritt“. Pandemiesprecher Gerald Loacker sagte: „Wir haben immer betont, dass wir lernen müssen, mit dem Virus zu leben, und dass wir den Menschen Eigenverantwortung zutrauen müssen. Wer sich schützen will, kann weiterhin eigenverantwortlich Maske tragen.“ Die Erkenntnis, dass die Schulschließungen ein Fehler gewesen seien, helfe den Betroffenen leider nicht.

Warum CoV-Maßnahmen bis Ende Juni?

Günther Mayr von der ORF-Wissenschaftsredaktion analysiert, inwiefern die COV-Maßnahmen gerechtfertigt waren.

Sozialversicherung sieht neue Aufgaben

Erleichterung zeigte die Sozialversicherung. Das Auslaufen der Gesetze und damit das offizielle „Ende der Pandemie“ sei nicht nur langersehnt, sondern bringe mit der Rückkehr zur Normalität viele neue Aufgaben für das Gesundheitssystem, sagte Peter Lehner, Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger. „Es hat uns nicht nur die Krise gefordert, die Aus- und Nachwirkungen müssen jetzt konsequent gemanagt werden.“

„Wir müssen zu den Prinzipien unseres Gesundheitssystems zurückkehren: Die Krankenbehandlung muss ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten – wie dies im ASVG festgelegt ist“, hielt Lehner fest. Er stellte damit klar, dass etwa die Gratistests im bisherigen Umfang und Ausmaß der Vergangenheit angehören werden.