George Santos
AP/POLITICO/Francis Chung
Ermittlungen

Santos’ bizarre Skandalserie reißt nicht ab

Der talentierte George Santos hat es für die Republikaner ins US-Repräsentantenhaus geschafft. Seither wird ein Skandal, eine dreiste Lüge nach der anderen entlarvt. Nun ermittelt sogar das FBI. Aus parteipolitischem Kalkül muss Santos trotz der desavouierenden Enthüllungen nicht um sein Amt fürchten.

Santos wird inzwischen von zahlreichen US-Medien als Hochstapler und Politikerdarsteller bezeichnet. Das kommt nicht von ungefähr: Der 34-jährige Kongressabgeordnete wurde bereits vieler Lügen überführt. Dabei geht es nicht nur um drastische Schönungen in seinem Lebenslauf, sondern auch um Betrug. Nun aber ermittelt sogar das FBI gegen den Republikaner.

Santos soll Geld veruntreut haben, das er für den kranken Hund eines Veteranen im Internet gesammelt hatte. Der Veteran, Richard Osthoff, habe US-Medien gesagt, er habe dem FBI Informationen übergeben, die in Bezug zu dem Geld stünden. Darunter seien etwa auch Textnachrichten gewesen, die Osthoff mit Santos ausgetauscht habe.

Es geht um rund 3.000 Dollar (knapp 2.800 Euro), die Santos 2016 für den damals obdachlosen Osthoff online gesammelt habe, um damit eine lebensrettende Operation für dessen todkranken Hund zu bezahlen. Den Vorwürfen zufolge soll sich Santos aber mit dem Geld aus dem Staub gemacht haben, statt es an Osthoff zu übergeben.

Die Spur des Geldes

Gerade die Finanzen von Santos ließen in der Vergangenheit viele Fragen offen: Vor allem ist nicht klar, wie er sein vermeintliches Vermögen angehäuft hat, mit dem er seine Wahlkampagne finanziert haben will. Die obligatorischen Finanzberichte, die Santos dazu einreichte, trugen nur noch mehr zur Verwirrung bei. Denn diese Berichte gab es in mehreren Versionen. Woher die mehr als 700.000 Dollar für den Wahlkampf stammten, wird aber nicht geklärt.

Die gesamten Wahlkampfunterlagen von Santos waren offenbar derart unvollständig, dass die zuständige Federal Election Commission (FEC) mehr als zwei Dutzend Briefe mit der Bitte um zusätzliche Informationen zu Beiträgen, Spendern und Krediten verschicken musste. Das Magazin „Mother Jones“ versuchte kürzlich, die Wahlkampfspender von Santos zu erreichen – viele davon dürften gar nicht existieren.

George Santos im Wahlkampf
AP/Mary Altaffer
Santos im Wahlkampf: Woher das Geld dafür kam, ist offen

Diese Vorwürfe sind nur die jüngsten, seit Santos im Jänner sein Amt angetreten hat. Die „New York Times“ hatte bald aufgedeckt, dass sein Lebenslauf stark gefälscht war. So hatte Santos behauptet, ein „erfahrener Investor an der Wall Street“ gewesen zu sein. Auf Anfrage der Zeitung teilten jedoch angebliche Arbeitgeber mit, Santos sei nie bei ihnen beschäftigt gewesen. Auch seinen Universitätsabschluss konnte die Zeitung nicht verifizieren. Die US-Justiz leitete daraufhin strafrechtliche Ermittlungen ein.

Plötzlich reich

Trotz seiner Angaben, für internationale Banken gearbeitet zu haben, hatte Santos bis vor einigen Jahren finanzielle Probleme, es gab mehrere Räumungsverfahren in New York. Später aber explodierten seine Einnahmen förmlich, glaubt man einem von Santos eingereichten Finanzbericht. Demnach habe seine Firma, die Devolder Organization, 750.000 US-Dollar pro Jahr verdient und bis zu fünf Millionen US-Dollar an Ersparnissen gehabt.

Schwere Vorwürfe gegen US-Abgeordneten Santos

In die Affäre um den republikanischen Kongressabgeordneten George Santos hat sich nun das FBI eingeschaltet. Die Ermittler gehen Vorwürfen nach, wonach Santos rund 3.000 Dollar Spendengelder veruntreut haben soll, die er für den totkranken Hund des Marine-Veteranen Richard Osthoff online gesammelt hatte. Osthoff gab gegenüber Medien und dem FBI bekannt, dass er niemals das Geld von Santos überreicht bekommen habe. Santos geriet seit seinem Amtsantritt im Jänner immer wieder unter Druck. So soll der 34-Jährige auch seinen Lebenslauf mit unwahren Tatsachen gefälscht haben, wie Recherchen der „New York Times“ ergaben.

Wie er so schnell reich geworden sein will, ist offen. Die Bücher der Firma wiesen auch keine Kunden auf. Der 34-Jährige, mit vollem Namen George Anthony Devolder Santos, gab an, als Berater tätig gewesen zu sein. Anderslautende Vorwürfe gehen davon aus, er habe in den vergangenen Jahren für eine Firma gearbeitet, die ein Schneeballsystem betrieben habe. Auch die Verwendung verschiedener Namen schürte Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Santos.

Auch Brasiliens Justiz ermittelt

Santos wurde zudem vorgeworfen, er habe die Öffentlichkeit über seine Familiengeschichte und einen angeblichen jüdischen Hintergrund getäuscht. Santos hatte auch behauptet, seine Mutter sei an Spätfolgen der Anschläge vom 11. September 2001 gestorben, was nicht stimmte, ebenso wenig wie die Behauptung, seine Großeltern hätten während des Zweiten Weltkrieges als ukrainische Juden in Belgien gelebt und seien später nach Brasilien geflohen.

George Santos im Kongress
Reuters/Evelyn Hockstein
Der Sitz im Kongress ist Santos trotz Skandalen vorerst sicher

Dort verbrachte Santos einige Jahre nach der Highschool. Und auch in Brasilien wurde die Justiz auf ihn aufmerksam. Kürzlich nahm sie einen mehrere Jahre zurückliegenden Betrugsfall wieder auf. Santos soll 2008 ein gestohlenes Scheckbuch benutzt haben, um Waren im Wert von 700 Dollar zu kaufen. Erst durch die US-Kongresswahl konnten die brasilianischen Ermittler den Aufenthaltsort von Santos herausfinden.

In Brasilien soll Santos als Dragqueen aufgetreten sein, wie frühere Bekannte gegenüber Medien angaben. Santos ist als einer der ganz wenigen Republikaner offen schwul, vertritt aber stark konservative Anliegen. Dass er einst als Dragqueen auftrat, bestritt er vehement, selbst als Fotos im Netz aufkamen.

Republikanisches Sitzfleisch

Die Häufung von Lügen und Ermittlungen führten dazu, dass selbst die Republikaner im Wahlkreis von Santos seinen Rücktritt forderten. „Er hat Schande über das Repräsentantenhaus gebracht, und wir betrachten ihn nicht als einen unserer Kongressabgeordneten“, hieß es. Die Demokraten haben sich freilich längst auf Santos eingeschossen, liefert er doch Anlässe am laufenden Band.

Santos gab kürzlich seine beiden Ausschussposten im Repräsentantenhaus auf. Einen Rücktritt vom gerade eroberten Amt schließt er aber kategorisch aus. Die Parteiführung in Washington steht zudem aus taktischen Gründen hinter ihm. Ein Rücktritt von Santos wäre für die Republikaner im Repräsentantenhaus heikel. Bei den Kongresswahlen haben sie zwar die Mehrheit in der Kongresskammer zurückerobert – allerdings nur hauchdünn.

Sollte Santos zurücktreten, müsste es eine Neuwahl in seinem Wahlkreis geben. Es wäre nicht ausgeschlossen, dass die Demokraten den Sitz gewinnen und die republikanische Mehrheit schmilzt. Der republikanische Vorsitzende der Kongresskammer, Kevin McCarthy, hatte zuvor erklärt, den Fall Santos intern zu regeln.